DIE BRESLAUER AUSSTELLUNG ZUR JAHR- HUNDERTFEIER DER FREIHEITSKRIEGESIP VON JO EF FOLNESICS WIEN 50 LS die Stadt Breslau den Gedanken faßte, eine jahrhundertfeier der Befreiungskriege zu veran- stalten, plante sie zunächst nur eine historische Ausstellung. Allmählich gestaltete sich aber die ursprüngliche Absicht zu einem komplizierten Aus- stellungsunternehmen aus, dessen Ruf im Laufe dieses Sommers in alle Welt gedrungen ist. An die historische Ausstellung wurde eine Ausstellung des Künstlerbundes Schlesien, eine großzügig durchgeführte Gartenbauausstellung, eine höchst originelle Serie von kleineren, nach historischen Gesichtspunkten angelegten Gärten, ein reizender japanischer Garten, eine Ausstellung für Friedhofskunst, verbunden mit einer Blockholzkapelle und einem Dorfkirchhof, eine Kolonial- ausstellung und ein Vergnügungspark angegliedert. Der Ausstellungsgarten selbst erhielt durch verschiedene Architekturen, Restaurationsgebäude, eine weitläufige Pergola und wirksame Blumenarrangements großzügige künst- lerische Ausgestaltung, und als architektonisches Zentrum der gesamten Anlage wurde eine Riesenrotunde, die jahrhunderthalle, gebaut, die in acht nach oben zu sich treppenförmig verjüngenden Geschossen zu beträchtlicher Höhe aufsteigt und einen Fassungsraum für rund 10.000 Personen darbietet. Die Absicht, durch einen Bau von kolossalen Dimensionen einen über- wältigenden Eindruck auf die große Masse auszuüben, ist typisch für unsere Zeit, daher verdient dieser Bau nähere Betrachtung. Es ist gewiß kein Zufall, daß das Werk des modernen Ingenieurs von der Mehrzahl der Menschen besser verstanden und mit größerer Begeiste- rung aufgenommen wird als das Gebäude des Künstlers. Was der Tech- niker schafft, drückt das Streben und Wünschen der Allgemeinheit in all- gemein verständlichen Formen aus. Das Werk des Architekten, das durch Phantasie und ästhetisches Empfinden aus der Niederung banaler Not- wendigkeiten in die Sphäre der Kunst emporgehoben wird, bleibt vielen unverständlich und läßt sie daher gleichgültig. Die Kunstliebe der Gegenwart ist ein Kind historischer Erudition. Unsere Empfindung für das Schöne hat ihre Wurzeln im Wissen. Dem Unwissenden von heute fehlt sie. Unmittelbar tritt sie nur bei einzelnen, seltenen Künstlernaturen hervor, und auch hier entspringt sie mehr einem geheimnisvollen Atavismus als der Fähigkeit, durch moderne Aufgaben künstlerisch angeregt zu werden. So liegt es denn nahe zu fragen, ob sich denn überhaupt das moderne ästhetische Empfinden bereits derart ver- dichtet und konzentriert hat, daß der Architekt imstande ist, ihm formalen Ausdruck zu geben, ob wir so wie in der Vergangenheit über Kunstformen