301 Wirklichkeit lautete: „Über das Bild des Lebens den Hauch des Todes zu breiten." So entlehnte der Steinmetz dem warmen pulsierenden Leben alle die einzelnen charakteristischen Züge, die gefurchte Stirn, die flachen Schläfen, die hohen Augenbogen, die wohlgeformte Nase, kurzum alle das Werk zu einem streng individualisierten Porträt stempelnden Faktoren, die er nicht, wie etwa Hans Heider bei dem Bildnis Farchers, in allgemeiner Form skizzierte, sondern denen er mit spürendem Auge in ihren Detailformen nachging. Dem so dem Leben und der Wirklichkeit abgeschriebenen Bilde prägte er die nur im Geiste erschauten Züge des Todes ein. Tief eingesunken in die Höhlen sind die im Schlafe geschlossenen kugeligen Augen mit ihren dünnen, feingeschnittenen Lidern, schlaff scheint die Haut über den Backenknochen zu lagern, und kraftlos ha- ben sich die Mundwinkel nach unten verzogen. So schildert der Meister in durchaus glaubhafter Art des Todes Abglanz auf den Zügen des Lebens, wahr und ernst und fast groß und feierlich. In keinem zweiten Werk dieser Zeit und dieses Gebietes hat der monumentale Geist der vor- hergehenden Epoche sich mit dem Wahrheitsdrange der späteren Zeit zu solch einheitlicher Wirkung und solchem klaren Formenaus- druck vermählt. Die Unter- suchung über die zeitliche Entstehung des Werkes führ- te aus vergleichenden Er- wägungen heraus und nach Maßgabe des ergänzten To- desdatums zu der Zeit um 1415. Stellen wir nun die Platte des Petrus Pienzen- auer der Deckplatte des Straubinger Hochgrabes gegenüber, so läßt sich _ _ _ _ Abb. 18. Deckplatte der Tumba des Propstes Petrus Pienzenauer die obige Charakteristik des m der Stiftskirche in Berchtesgaden 39