399 schwächlichen Beinen vielleicht mehr zufällig als bewußt zutage tritt, aber darin nicht zum wenigsten den Ernst und die Würde dieses Totenmals mitbestimmt. Das Haupt mit dem hohen Pelzhut ist mit einer wunderbar feinen Seitenneigung tief in ein einfaches Kissen gesunken, dem in den unteren Ecken als wohlabgewogenes Ausgleichungsmotiv Helm und Wappen des Verstorbenen in anspruchsloser Kleinheit entsprechen. Nirgends ein Zwang, nirgends eine Aufdringlichkeit künstlerischer Intention, alles atmet schlichte Selbstverständlichkeit. Und der Kopf! (Abb. 24 und Tafel) Eine Persönlichkeit! Wir kennen sie nicht näher, aber ungetrübte Ehrlichkeit und unbeugsame Wahrhaftigkeit künstlerischen Schauens und Schaffens spricht aus diesen Zügen und läßt auch nicht den Hauch eines Zweifels an der überzeugenden Lebenstreue des Bildnisses aufdämmern. Eine Stärke der Charakteristik ist in diesem Antlitz offenbart, wie sie der deutsche Süden weder in der Bildnerei noch in der Malerei bis dahin gekannt hat. Der Bau des Knochengerüstes, die Funktion des Fleisches, das bald in dünner Schichte um Stirn und Schläfen sich spannt, bald in größerer Fülle um Wangen und Kinn anschwillt und tiefe Buchten an der Nasenwurzel und in den Tränensäcken bildet, sind mit einer staunen- erregenden Intimität verfolgt, die sich bei jedem Wechsel des Standpunktes dem Beschauer in neuen Rei- zen und Feinheiten erschließt. Man vergleiche zum Beweise des Gesagten nur die beiden Aufnahmen, vor allem die rech- te Wange und den Halsansatz! Aber auch hier schildert der Meister nicht den Tod, sondern er sucht ihn uns in seinem Abbild vorzuspieogeln. Ein Schlummer, nicht unge- trübt von den Schmerzen des Tages, ein todwunder und tod- müder Mensch, harrend der Auflösung des schwachen Flei- sches, die sich in den dürren, schlaffen Händen mit dem Netzwerk ihrer schwellenden Adern mehr noch als in dem Antlitz vorverkündet. So schuf der ungekannte Meister in die- ser fast einzig dastehenden Ge- stalt ein tief ergreifendes Bild irdischer Schwäche und Hin- Abb. 26. Vom Grabstein der Agnes Ben-lauer in Straubing fälligkeit, zugleich aber auch ein (nach Gipsabguß) 40