320 Die Werke des Meisters des Kastenmayr-Steines bilden eine in sich abgeschlossene, fest umgrenzte Gruppe. Nur ein ein- ziges Werk der einschlägigen Gebiete berührt sich mit ihr, we- niger vielleicht in den formalen Ausdrucksmitteln als vielmehr in der scharfen Prägung einer Per- sönlichkeit: die Grabplatte des Augsburger und Regensburger Kanonikus Dr. Schmiechen, der 14r8 als Pfarrer von St. Jakob in Straubing starb und dort be- graben liegt (Abb. 35 und 36). Die Platte zeigt den Verstor- benen in einem Missale lesend, das er mit beiden Händen vor sich hält. Ein reicher Apparat von Büchern zu seinen Füßen und unter dem Kopfkissen legen uns seine Gelehrsamkeit ein- dringlicher nahe als das „egre- gius decretorum doctor" der Um- schrift. Die etwas plumpen, fetten und wenig durchstudierten Hän- de und die weiche Behandlung des schwarnmigen, erschreckend häßlichen Kopfes scheinen auf einen andern Meister als den Schöpfer des Kastenmayr zu Abb. 44. Grabstein des Heinrich von Nothafi und seiner Frau Margarethe von Wernberg in der Karrnelitenkirche zu welsen. eliuberzeugt uns Straubing von der Leibhaftigkeit des Dar- gestellten, aber es fehlt ihm die schlichte Größe und das Ergreifende jener Werke. Freilich will dabei nicht übersehen werden, daß uns Dr. Schmiechen als Lebender entgegentritt. Die nach unten gerichteten Augen, deren Pupillen zwischen den Lidern sichtbar sind, scheinen bei der Lektüre des offenen Buches zu weilen. Durch dieses dem Kreise sonst fremde Motiv wie durch die ungewöhnliche Fleischigkeit des Vorbildes wird die Beziehung zu dem Meister des Kastenmayr sehr erschwert. Andrerseits aber erinnern manche technischen Gepüogenheiten an ihn, so die Behandlung des Pelzes, dann die Schnittfläche der Haare, die wir völlig gleich an der Tumba Herzog Albrechts oder am Stein der Hinderkircher iinden. Danach möchte ich zwar nicht an den Meister des