Gruppenporträte, indem er ihnen durch die Umtaufe in „Sippenbilderml den Charakter von Heiligenbildern und damit auch die Eignung verlieh, zur Ausschmückung eines kirchlichen Raumes zu dienen. Die „Familie Kaiser Maximilians" erstand er wahrscheinlich schon zu jener Zeit von Strigel, da die Annahme des Bildes vom Hofe endgültig abgelehnt worden war. Hatte er doch ein ganz spezielles Interesse, dieses mit der Geschichte des Wiener Kongresses von 1515 so eng verknüpfte Kunstwerk für sich zu erwerben, da er selbst hervorragenden A'nteil an diesem großen historischen Ereignis genommen und darum in dem Gemälde eine bleibende Erinnerung an jene auch für ihn hochbedeutsamen Tage sehen konnte. Zudem stellte es auch die Familie seines schwärmerisch verehrten Herrschers dar und besaß schon aus diesem Grunde für den stets kaisertreuen Mann besonderen Wert. Es war daher ein schöner Gedanke, daß er gerade mit diesem Bilde seine Kapelle zieren wollte und auch sein eigenes Porträt nach dessen Muster malen ließ. Die Anordnung der beiden Tafeln ergibt sich jetzt, wo wir über ihre Verwendung im reinen sind, mit Leichtigkeit. Allem Anschein nach waren die das Maximilian-Porträt und Cuspinian-Bild enthaltenden (gegen- wärtig nicht mehr vorhandenen) Rahmen durch Scharniere so verbunden, daß die Sippendarstellung auf der Rückseite des Kaiserbildes die Außenseite bildete, die Gruppenbildnisse der kaiserlichen und Cuspinianschen Familie die Innenflächen einnahmen und die Inschrift auf der Rückseite des Cuspinian- Bildes den Beschluß machte. Auf diese Art bekam man eine Art zweiteiligen Flügelaltar, der in geschlossenem Zustande nur die „Verwandtschaft Christi" zeigte, also sehr gut in eine Kapelle paßte. Erst beim Öffnen boten sich dem Beschauer die beiden Familiengruppen dar, und zwar als erste (links) diejenige Maximilians 1., auf welche somit die in der Inschrift gebrauchte Bezeichnung „prima tabula" vollkommen zutraf. Daß dieses „Diptychon" direkt als Altar- tafel gedient hat, möchte ich bezweifeln, wohl aber wird man dem Werke einen Platz in der Kapelle angewiesen haben, der sowohl dem Range des Künstlers als auch der Bedeutung der dargestellten Persönlichkeiten entsprach. Solange Cuspinian lebte, dürfte das Sippenbild seinen Aufstellungsort nicht geändert haben, aber nach seinem Tode (1529) ging es wahrscheinlich denselben Weg wie so manches andere wertvolle Stück aus dem reichen Besitz des Humanisten: es wurde von verständnislosen Erben an den Meist- bietenden verkauft. In unserem Falle wird dieses Schicksal zunächst die Maximilian-Tafel betroffen haben, die _ von ihrem Pendant getrennt - wahrscheinlich nach dem Tode des letzten männlichen Sprossen der Familie Cuspinian, Nikolaus Chrysostomus Spiesheimer, der 1561 gestorben ist," in den I-Iofbesitz überging. Damals - es mag bald nach der Errichtung der " Einen ganz ähnlichen Vorgang Finden wir bei zwei im Besitze der Frau Professor Streber (München) befindlichen angeblichen Strigel-Bildern, die Gräfin von Oettingen mit ihren Kindern darstellend, wo in ganz analoger Weise über den Köpfen der Porträtierten die Sippennamen Maria Salome, johannes und Jakobus, beziehungsweise Maria Kleophe, Jakohus, Joseph, Simon und Judas angebracht sind. Vgl. R. Vischer im jahr- buch der königlich preussischen Kunstsammlungen, VI. Band, pag. 88. i" Vgl. Horawitz in der Österreichischen Wochenschrift, jahrgang 1872, 2. Band, pag. 382.