335 DAS HOETGER-MUSEUM VON ERICH CUPPER IN AACHEN 50 VON PAUL F. SCHMIDTSlv {w} ITTEN im Kriege, in den Unterständen der Champagne, . wo man so viel Zeit hat, über Vergangenes nach- " zudenken, taucht die Erinnerung an eines der schönsten und liebenswertesten Kunstgebilde auf, das uns der letzte Friedenssommer geschenkt hat. Ein Kunstwerk, das wie ein Traum der leib- haftigen Schönheit aus dem Dreiklang jener schon sagenhaften Tage gewoben scheint: Frieden, Mathildenhöhe in Darmstadt und Sommersonne über der durchsichtigen Smaragddecke des Platanenhains. Leuchtend hebt sich daraus die ununterbrochene Kette der Skulpturen, die Bernhard Hoetger unter dieses edle, rechteckig und gleichmäßig abgeschnittene Schattendach gestellt hatte, den Raum umhegend und mit dem höchsten Sinn dieser Erde füllend: Frauengestalten, einzeln und in Gruppen, Kinder, Raubtiere, weltentrückte Paare von fremdartiger Rasse und Lebensgewohnheit, einheitlichem Gedanken untergeordnet und gleicher plastischer Idee." Im Kreislauf des Wassers das Symbol alles Lebens, in Menscheniigilren dargestellt, archi- tektonisch zu mächtiger Einheit zusammengefaßt und von reinster Klarheit, durch Farbe betonter Einfachheit der Form: das ist der Platanenhain Hoetgers, das erste wahre Architekturwerk der Plastik seit dem letzten gotischen Figurenportal. Ein Kunstwerk und ein Programm: keine Schrift, keine Erklärung, kein Meinungskampf konnte die endgültige Absage an die naturalistische Auffassung der Kunst schroffer aussprechen wie diese stummen farbigen Geschöpfe der Schönheit. Es war die jubelnde Absage an die ganze Zeit der Manet, Rodin und Begas, es war das erste große, vollwichtige Bekennt- nis, daß die Plastik eine Kunst des Räumlichen und der Bindung ist, eine Rückkehr zu den unerschütterlichen Wahrheiten der ägyptischen, früh- griechischen und gotischen Skulptur. Mit der Schöpfung des Platanenhains war Bernhard I-Ioetger endgültig zu einem Wortführer der „Richtung" geworden, die er seit einem Jahr- zehnt - und noch vor Maillol - seit seinem Bruch mit Rodinscher Auffassung verfolgt hatte, der in Deutschland die jüngsten, kräftigsten Talente angehörten und die sich, instinktiv und bewußt zugleich, zur Abkehr von der will- kürlichen Geste, der Zufallsmäßigkeit aller Erscheinung und der genauen Befolgung der Naturvorschriften durchgefunden hatte; durchgefunden zur Einfachheit, Ruhe und stilistischen Kristallisation aller Figur. Klarer und mit schnellerem Erfolge als in der Malerei setzte sich dieser plastische ' Siehe „Kunst und Kunsthandwerk", XVII. Jahrgang, Seite 34x ff.