17.1 lauterer oder tieferer Ton auf stärkere Impulse hin, wenn auch feine Beobachtung das Wiener Erbteil bildet. So bleibt den Freunden der Genossenschaft jede Überraschung erspart, sie brauchen zu neuen Problemen, zu neuen oder eigenen Ausdrucksformen nicht Stellung zu nehmen. Das alles würde man kaum so lebhaft empfinden, wenn die Traditionen, die so emsig gehütet werden, stark genug wären, um das Leben unserer Zeit auszudrücken, um eine Kunst unserer Tage zu repräsentieren, um jene Erhebung und Begeisterung auszulösen, welche das schöne Vorrecht der künstlerischen Wirkung bildet. Der Schein, den diese Vorführung erweckt, als ob in der größten Künstlervereinigung Wiens keine höheren Ziele aufgetaucht wären, als hier angestrebt sind, als ob keine ernstere, kraftvollere Leistung in unserem an Talenten sicherlich reichen Vaterlande zur Geltung gekommen wäre, als die in diesem Kreise anerkannten -- dieser Schein reizt zum Widerspruch, schon weil er mehr wirtschaftliche als künstlerische Grundlinien erkennen läßt. Er läßt den Wunsch rege werden, daß der schwere Druck der Zeiten jene so wert- volle und bereits angebahnte vorurteilslose Zusammenfassung aller geistigen und künst- lerischen Kräfte der Heimat auch dort fühlbar und sichtbar in Erscheinung treten lassen möge, wo bisher angesammelte Privilegien und Begünstigungen mit allzu konservativer Beharrlichkeit gehütet wurden. Wenn wir die kleine Ausstellung polnischer Künstler in der Liliengasse kurz erwähnen, die sich wieder mit einer Kollektion von polnischen, national gefärbten Bildern und Plastiken W allerdings nicht in so vorteilhafter Weise wie im Vorjahre 7 eingestellt hat, wenn wir ferner noch der interessanten Kollektivausstellung Oskar Grafs und seiner Gattin Graf-Pfaff (München) Erwähnung tun, die Halm ä Goldmann veranstaltet hat, so haben wir damit den kleinen Kreis künstlerischer Darbietungen erschöpft, der in jüngster Zeit das Wiener Kunstleben anregen sollte. Oskar Graf weist uns mit seinen kraftvollen großen Radierungen und Zeichnungen, in denen der Krieg widerhallt, aus denen aber auch Liebe und Verständnis für die Größe der Natur, für das Kunstschaffen der Vergangenheit spricht, auf die deutsche moderne Kunsttätigkeit hin. Er läßt uns dankbar erkennen, daß diese kernige Art des energischen Zugreifens, die so sehr dem deutschen Geiste unserer Tage homogen ist, zugleich den Empfindungen des Augenblicks um so vieles näherkommt als jene unbekümmerte und unbewegte Natur- kopie, die leider noch immer so sehr gerade dort bei uns geschätzt wird, von wo die materielle Förderung der Kunst in ausgedehntestem Maße ausgeht. Eine Kunst, die so hoch steht, daß sie über alle Zeiten hinweg Vergangenheit und Zukunft zusammenschließt, besitzen wir leider heute nicht. . Um so notwendiger und wertvoller ist uns jenes Schaffen, das auf dem Boden unserer Heimat steht und dem Drängen und Fühlen unserer bewegten, vorwärtshastenden Zeit ganz gerecht wird. KLEINE NACHRICHTEN 50' ERLINER CHRONIK. DAS „MODENMUSEUM" UND „200 jAHRE KLEIDERKÜNST". In Berlin wurde vor einiger Zeit der „Verein Moden- Museum E. V. Berlin" gegründet. Als Urheber darf Ernst Friedmann vom Hohenzollern- Kunstgewerbehaus angesehen werden, der sieh bei der Organisation und Institution des wohlbekannten und hoehgeschätzten organisatorischen Talentes von Peter Jessen, des Direktors der Bibliothek des Kunstgewerbemuseums, mit seiner reichen Erfahrung und Arbeitskraft erfreuen durüe. In einernFlugblatt Nr. x hat Peterjessen die Aufgabe des Moden- museums bezeichnet: „eine Bildungs- und Arbeitsstätte für alle Zweige und Probleme der Bekleidung zu schaffen". Dem Aufstieg der deutschen Bekleidungsindustrie (90 Millionen MarkExport 1913) drohte durch den Krieg und den Plan des Handelskrieges eine große Gefahr,