und nur eine festgetügte Organisation mit klaren Wegen und festen Zielen kann den Drang nachvorwärts lebendig erhalten. Dem deutschen Buchgewerbe ist ein solches Organ gelungen in dem Buchgewerbemuseum in Leipzig. Das Modenmuseum will ebenso alles Bekleidungs- gewerbe vorbildlich repräsentieren, will deutsche Form schaffen, will Interessenten und Produzenten zu einem gemeinsamen Willen zur Tat sammeln. Wenn man diesem Unter- nehmen den Titel eines Museums gegeben hat, so hat man dabei nicht den alten Typ der öffentlich gemachten Schloßsammlungen vor Augen gehabt, sondern jenen modernen Typ, den wir in Deutschland durch Alfred Lichtwark verkörpert sahen und der in dem Buchgewerbemuseum zu Leipzig, dem Museum in Hagen und nicht zuletzt in der Biblio- thek des Kunstgewerbemuseums in Berlin seine glückliche Weiterführung erfahren hat. Allerdings soll in der Mitte dieser Institution die Sammlung alter Stücke stehen, damit die Wirklichkeit eindringlicher spräche, und der Sinn für Qualität der Stoffe, des Schnittes, der in diesem ganz verlorenen Paradies der Handwerkskunst lebt, wieder lebendig wird. Neben diesem festen Bestand aber, dem sich ausgewählte Beispiele der heutigen Kostümkunst angliedern würden, hätten dann Ausstellungen zu treten, die die Ergebnisse und die neuen Forderungen des Strebens veranschaulichen sollen durch Schrift und Rede - hoffentlich die Rede recht häufig, denn eine gute Führung im kleinen Kreis hat vielfältigere Frucht als alle Leitsätze eines Kataloges. Mit einer Ausstellung „zoo ]ahre Kleiderkunst" tritt dieser Verein zum ersten Male in die Öffentlichkeit und konnte sich als Hintergrund für seine Kostüme die hübschen Räume des altberlinerischen Bürgerhauses der Familie Ermeler (Breite Straße) aus dem XVIII. jahrhundert sichern. Dem glücklichen Gedanken, als erste Ausstellung eine historische Übersicht zu geben, um so den innersten Trieb der Mode als Wechsel zu Wechsel aufzuzeigen, ist vielleicht nicht eine ebenso glückliche Ausführung zuteil geworden. Wenn die Frage der Gcschmacksbildung jenes Modemuseum einst leiten soll, so muß es bei seinem eigenen Kleid anfangen. Die hübschen Räume dieses Rokokobaues hätten weniger Kostüme, aber ausgesuchteste lieber bei sich gesehen, und das Sehaumuseum mit seiner didaktischen Vorbildlichkeit des einzelnen Stückes, das doch wohl zu den Aufgaben des kommenden Museums zählen wird, hätte auch hier schon klarer heraustreten können. So wäre die Reihe der wirklich guten Stücke, die die Ausstellung enthält, zur freieren Entfaltung gekommen und selbst eine so gefällig komponierte Gruppe von Damen und Kavalieren des XVIII. Jahrhunderts, denen von einer Modistin und ihrem Laufmädchen Stoffe vorgelegt werden, wäre in das richtige Licht gekommen, hätte man sie nicht in die Mitte des Zimmers unter einen monströsen Kronleuchter versetzt. Den glücklichsten Gewinn zieht die Ausstellung wie schon angedeutet aus der Einsicht in den historischen Wechsel der Mode, der noch klarer geworden wäre, wenn man auch dem Empire und Biedermeier eine gute Wachsfigur beigegeben hätte, wie man es bei der Rokokogruppe getan hat. Gerade die erste Lehre jeder eigenen Kleiderkunst ist das Ver- hältnis von Mensch und Kleid; denn das physische, organische Verhältnis von Kern und Schale, das Körpergefühl, ist die wahre Grundlage eines jeden neuen Stils. „Den inneren Organismus der Gestaltungen" zu zeigen. hat Jessen gerade als ein wichtiges Moment in der Schaustellung von Originalmodellen im Gegensatz zu bloßen Bilder- produktionen bezeichnet. Wie ich mich, wie ich meinen Körper fühle, das wird der erste „bewußte" Gestaltungstrieb; die psychischen, kulturellen Momente sind der unbewußte Hintergrund einer Bekleidungskunst. Die Wirkung, nicht die Ursache wird erlebt und bildet den Ausgangspunkt des Formentriebes. Und um es näher zu bezeichnen, das Ver- hältnis von Weit und Eng, von Umrißbindung und Umrißlockerung, von Reliefiiäche und Rundungsmasse wird für den inneren Organismus des Kleides, den Schnitt, das Entschei- dende sein. Die schöne Reihe der Rokokokleider zeigt als Grundton die Umrißlockerung, die jedoch in sich wieder in der harten schneidenden Linie der Paniertaille ihren belebenden Gegensatz sich schafft und dem freigewordenen Rock alle individuellen Launen läßt, die ihm später das Biedermeier bei annähernd gleicher Anlage der Gesamterscheinung wieder .