Der Ringständer, einst dazu bestimmt, abends vor dem Schlafengehen die Fingerringe aufzubewahren, ist wie ein liliputanischer Kleiderständer gestaltet und mit einem kleinen beweglichen Spiegel ausgerüstet. Die Garnkugel besteht aus gekreuzten Silberbändern und diente zur Aufnahme des Strickknäuels. Sie hängt an einem Armband, womit man auch auf dem Spaziergang dieser nützlichen Tätigkeit obliegen konnte. In feinerer Ausführung (Eigentum des Mährisch-Trübauer Museums) ist das Silberband filigranartig durchbrochen gearbeitet und kann auf einem Blattkranz zarter Silberstäbe als Fuß aufgestellt werden. Wiener Beschauzeichen von 1770, Meistermarke J R. EIN MEISTERWERK VON ALTWIENER PORZELLANMALEREI IM SEVRES- GESCHMACKSQ- VON EDMUND WILHELM BRAUN-TROPPAU S0 USSER etwa der Frankenthaler Manufaktur des prachtliebenden Pfälzer Kurfürsten Karl Theodor hat keine der größeren Porzellanfabriken des XVIII. Jahrhunderts sich so sehr von der zu Sevres herrschenden Kunstrichtung beeinflussen lassen wie die kaiserliche Fabrik zu Wien im letzten Viertel des XVIII. Jahrhunderts. Aber auch in keiner Maler- stube ist man den ersehnten Vorbildern so nahe gekommen wie in der zu Wien. Zahllose Experi- mente chemischer Art, die wir hauptsächlich der Energie und unruhigen Neuerungsgier des Direktors Josef Ferdinand Keßler zuzuschreiben haben, müssen vorausgegangen sein, bevor diese brillanten leuchtenden Gründe in den vielgesuchten Farben der Fabrik von Sevres, dieses warme zärtliche Rosenrot, das „Rose Pompadour", früher irrig „Rose Dubarry" genannt, dieses Apfelgrün, Türkisblau und tiefe dunkel schim-. mernde „Bleu royal" aus dem Muffelbrand herauskamen, bevor diese zierlich radierten delikaten Golddessins sich auftragen ließen und diese zarten duf- tigen Blütenranken und Bukette entstanden. Dabei ist noch zu berück- sichtigen, daß das Wiener Porzellan im Gegensatz zu der päte tendre, der weichen Frittenmasse der französischen Staatsfabrik, Hartporzellan war. Die Glasur von Sevres wurde bei weitaus geringerer Hitze der zu Biskuit gebrannten glasigen Frittenmasse aufgeschmolzen, als dies beim Scharf- feuerbrand in den deutschen und der Wiener Fabrik möglich war; dafür vereinen sich die Farben auf dem Sevresporzellan viel inniger mit dieser weichen Glasur, sie leuchten viel tiefer und kräftiger. Trotzdem ist es den Arkanisten und Chemikern der Wiener Porzellanmanufaktur gelungen, Fondsfarben zu erzielen, die den französischen Vorbildern an Glanz und