Zustande der Front (siehe Abb. 2 und 3) ergibt, stimmt auch die Lage der
beiden Tore und damit die der Durchfahrten, aber auch die Fensterzahl,
überein. Wenn zwischen den Toren in dem alten Stiche (Abb. 1) jedoch
ein Fenster weniger erscheint, als heute vorhanden ist, so darf dies wohl
nur als eine kleine Ungenauigkeit des Zeichners oder Stechers angesehen
werden. Im weiteren werden wir übrigens auch hören, daß eine, für uns
sehr wichtige, alte Quelle tatsächlich nur von einem Umbaue spricht.
Über die erwähnte Erzherzogin Beatrix, Herzogin von Modena, hat
Dr. Wilhelm Englmann vor kurzem in einem Aufsatze „Das Palais Modena
in Wien" im „Monatsblatt des Wiener Altertumsvereins" (Juni-Juli 1916)
berichtet." Es behandelt diese Arbeit aber nicht das Palais, das uns hier
beschäftigt, sondern den, während des Krieges abgerissenen, Modenesischen
Gartenpalast in der Beatrixgasse im III.Wiener Bezirke. Diesem ursprüng-
lich mehr ländlichen oder Sommersitze gegenüber wäre unser Palais als
Stadt- oder Wintersitz der Erzherzogin anzusprechen. Übrigens handelt
es sich auch bei dem Vorstadtpalaste nur um den Umbau und Ausbau eines
älteren Gebäudes. Wir geben hier eine, offenbar seltene, Darstellung des Vor-
stadtpalastes (in Abb. 4), da sie dem Verfasser der erwähnten ausgezeichneten
Arbeit jedenfalls nicht bekannt war, aber seine, aus urkundlichen Nach-
richten gewonnene, Anschauung von der früheren Gestalt der Vorderseite
aufs glücklichste bestätigt." Diese Darstellung kann - gerade wenn wir die
Ergebnisse Dr. Englrnanns vergleichen - in den Hauptsachen gewiß als
richtig angesehen werden; ein Irrtum liegt nur ganz rechts vor bei der zurück-
laufenden Seite des Palastes: hier soll das vorderste Fenster keinen Rund-
bogen, sondern einen niedrigeren, geradlinigen Abschluß haben. Bei der
ganzen Darstellungsart ist es begreiflich, daß dieser, hier nebensächliche,
Teil nur aus der Erinnerung gezeichnet ist. Und in der Erinnerung hafteten
eben vor allem die Rundbogenfenster, die ja zum Kennzeichnendsten dieser
Seite und überhaupt zum Eindruckvollsten des ganzen alten, heute leider
verschwundenen, Baues gehörten. Die schönen Innenräume, besonders der
stattliche Bibliothekssaal, sind wenigstens in guten photographischen Auf-
nahmen im Städtischen Museum erhalten; wir verweisen auf sie auch des-
halb, weil ein eingehenderer Vergleich mit den Räumen des Stadtpalastes
vielleicht noch manchen Aufschluß bieten kann.
Daß sich die Erzherzogin in beiden Fällen mit einem Umbau begnügt
hat, mag zum Teile darin seinen Grund haben, daß sie in der ersten Zeit
ihres Wiener Aufenthaltes vielleicht nicht daran dachte, daß ihres Bleibens
hier so lange sein werde, und daß sie möglichst bald einen Wohnsitz haben
wollte, der den großen künstlerischen Überlieferungen ihres Hauses ent-
spräche. Sie war ja die einzige Tochter des letzten Fürsten aus dem glor-
reichen Hause der Este, des Herzogs Ercole III. von Modena, mütterlicher-
' Seite 146 H. Mit einigen Änderungen wiederabgedruclrt in dem schönen, von Kustoe Aloio Trost heraus-
gegebenen, "Wiener Kalender" auf du Jahr 19:8.
" Vergleiche in dem Aufsatze Englmanns im „Monatsblnw Seite 252.