in Kenntnis ihrer eigenen Ausdrucksmittel. Noch war es nicht ihr höchstes Streben, ein Gemälde in seiner ganzen Bildmäßigkeit direkt nachzuahmen. Die Wiener Gobelinsammlung ist sehr reich an Brüsseler Bildwirkereien des XVIII. Jahrhunderts, in denen das Landschaftsbild zur feinsten Durch- gestaltung gelangt ist. Sie kennzeichnen die nationale Art des niederlän- dischen XVIII. Jahrhundert-Gobelins. Zwei größere Räume der Ausstellung sind diesen I-Iafen- und Seebildem gewidmet mit weiten Meeresprospekten, duftigen, durchhellten Wolkenbildungen und sich verlierenden Fernen. Als Staffage im Vordergrunde, kulissenförmig hingestellt, sieht man äußerst wirkungsvoll gestaltete Figuren. Eine sehr beachtenswerte Sendergruppe der Ausstellung bilden dies- mal Pariser Wandteppiche des XVII. und XVIII. Jahrhunderts. Auch hier Arbeiten von durchschlagender Kraft. Rubens" Folge mit Szenen aus dem Leben Kaiser Konstantins sowie eine dem gleichen Gobelinatelier ent- stammende Diana-Serie nach Toussaint-Dubreuil charakterisieren in aus- gewählten Stücken die Pariser Bildwirkerei aus dem Anfang des XVILJahr- hunderts. Sie sondert sich im besonderen durch eine eigenartige Farben- gebung von allen übrigen Schöpfungen ab. Als ein Anzeichen des beginnen- den Barocks erscheint beim Diana-Zyklus eine prunkvollere Durchgestaltung der Einzelheiten, wobei viel Goldstickerei zur Verwendung gelangt ist. Rubens'sche Kunst wird auf der Ausstellung übrigens noch in einem Brüsseler Stück aus der Decius Mus-Serie, dem Reitertod, und in Gobelins mit Jagd- szenen geboten, welche, von Eggermans gewirkt, ganz im Banne des großen Meisters stehen. Großartiger als im Vorjahre zeigt sich heuer in der Pariser Abteilung Charles Lebrun vertreten. Der mächtige Gobelin mit Alexander des Großen triumphierendem Einzug in Babylon, ein Erzeugnis der königlichen Gobelin- manufaktur, gehört zu den Hauptstücken der Ausstellung. Er wirkt auf ihr wie ein Fanfarenton. Das ungemein Festliche in der Komposition, die äußerst geschickte Lichtführung und die wunderbare F arbengebung geben ihm seinen besonderen künstlerischen Wert. Die französische Bildteppichkunst des beginnenden XVIII. Jahrhunderts kennzeichnen Gobelins mit mythologischen Darstellungen nach Entwürfen von Antoine Coypel. Der große Stil des XVII. Jahrhunderts, die Komposition mit großen Figuren, wirken noch nach, aber in der heiteren Tonart des Ganzen, in der Anmut der Bewegungen und in derZartheit der Farbengebung kommt bereits eine neue Kunst zum Ausdruck. Die Ausstellung bringt schließlich Beispiele für die unter Einfluß der Pariser Gobelins stehende Gattung der niederländischen Bildwirkerei des XVIIIJahr-hunderts. Vier Szenen aus dem Leben des Moses, die eine brillante Farbengebung mit einer ausdrucksvollen Zeichnung vereinen, und ein hoch- formatiger schmaler Bildteppich mit dem Abschied von Achilles und Thetis, der starke dekorative Qualitäten aufweist, gehören zu dieser Gruppe und schließen die diesjährige Veranstaltung würdig ab.