um die Jahrhundertwende; und dann können allerdings Figuren in der stärksten Schwingung stehen und doch so, daß wir es nachmachen zu können glauben. So steht auch die Krumauer Madonna." Ganz so stark wie die und das, was Ernst ihr angereiht hat, sind die Klosterneuburger Figuren nicht gebogen. Die Stimmung ihrer Haltung ist aber den böhmischen Figuren nah verwandt. In der vorangehenden Zeit wird Verwandtes kaum da sein, es ist etwas Neues, „weicher Stil". _ Über das Gestaltungsgrundempfinden der Ponderation geben allezeit eine letzte Auskunft gerade die nicht ponderierten Figuren. Die Körperbiegungen stehen unter Quantitätsgraden und das kann das Quale verschleiern. Bei der geraden Figur ist es wie bei der tönenden Saite: Der Ton wird erst klar, wenn die Schwingungswellen ganz klein und kaum mehr sichtbar sind. Um 1400 verlieren die geradegestellten Figuren viel von der Enggeschnürtheit, die sie in der voraufgehenden Zeit gehabt hatten, und sie sind dann oft mit einer Unvoreingenommenheit aufgebaut, daß sie, gerade mit ihrem Mangel an Rhythmik und freiem Fluß, Beobachtetes (und zwar schwer zu Beobachtendes) mit voller Unmittelbarkeit zu geben scheinen. Nun sind unsere Figuren im Raum angelegt. Das ist wieder etwas Neues." Das reine Profil hat nicht die gleiche Entfaltung wie die andern Ansichten, das wird bei keiner Statue von der Wende des XIV. Jahrhunderts so sein; aber in den Halbseitansichten stellen sich die Körper in überraschend kräftige Tiefenbeziehungen. Aus dieser Zeit wird sich nicht viel vergleichen lassen, vereinzelt gibt es aber doch Verwandtes: eine Holzfigur aus der Nähe von Aschaffenburg im Darmstädter Museumw" ist mit unserer Figur Eins im Kon- trapost geradezu identisch (nur die Unterarme sind im Gegensinn gehoben); die Haltung ist auch im Ausdruck sehr ähnlich (das Gewand ist ganz anders). Ausgezeichnet ist bei den Freisingerstatuen die Draperie in Tiefenachsen durchkomponiert. Die Verschiedenheit der Ansichten packt. In der deutschen Plastik gibt es vielfach Ansätze dazu; paradigmatisch ist durch Pinders Darstellung der Gerhart von Schwarzburg im Würzburger Dorn geworden: „Damit, daß dieses ganze prachtvolle Ineinanderwogen von Gewandung auf uns zuzieht, erreicht es . . . am sichersten, daß der gesamte plastische Organismus uns sich entgegenbildend, nicht vor uns sich entlangbewegend wirkt. Man kann -- ein tiefster Gegensatz zur vorigen Generation _ diese Gewandung nicht im Grundrisse aufzeichnen, weil ihre Form aus der Tiefe" auf uns zu stetig wie ein vom Winde geblähtes Segel lebendig sich verändert. Das Kunstwerk ist in dieser ersten, positiven Neuheit nicht mehr innerlich Relief, sondern schwellende Vollplastikßi- Das hätte vor den Freisinger-: figuren geschrieben werden können, nicht mit größerer innerer Geltung, aber mit größerem äußerm Geltungsbereich. Der Schwarzburg steht gerade und dazu vor einer Grundplatte, das macht seine Draperie zu einem so 1' Richard Ernst, „Jahrbuch der Zentrslkommission", 1917. "d Feststellung von Neuem ist in der Zeit um t4oo allerdings immer bedingt. Ansätze gibt es im XIVJahr- hundert zu allem; was es in seiner späteren Zeit nicht entwickelt, hat es in der früheren aus dern XIII. bewahrt. i" Back, „Mittelrheinisehe Kunst", Tafel V, z; es scheint ein heiliger König aus einer Anbetung zu sein. T Mittelalterliche Plastik Würzburgs, Seite x15.