199 die Contouren oder die Flächen herausgehoben und mit der Schmelzmasse gefüllt werden konnten. Beides {indet sich im niederrheinischen Email; es findet sich die Zeichnung emaillirt oder der Grund emaillirt, während die Figuren als vergoldetes Metall mit gravirter Zeichnung stehen bleiben; es findet sich auch, dass die Figuren in Hoch- und Mittelrelief aus der ornamentirten und emaillirten Fläche heraustreten. In der zweiten Hällte des 12. Jahrhunderts ging dieses Email vom Nieder-Rhein nach Limoges hinüber und erlangte dort im Laufe des 13. Jahrhunderts eine solche Blüthe und einen solchen Ruf, dass es das Email von Köln verdrängte und selbst die Erinnerung daran aus dem Andenken der Menschen ausgelöscht hatte, bis erst die archäologischen Forschungen der letzten zehn Jahre Köln in seine alte Ehre und sein altes Recht wieder eingesetzt haben. Technisch ist das Limosiner Email jener Zeit von dem kölnischen durchaus nicht verschieden, und es ist daher sehr schwer, beides zu scheiden. Im österreichischen Museum be- findet sich gegenwärtig eine grössere Anzahl von kölnischem und Limosiner Grubenschmelz, von denen die mit Nr. 63, G4, 65 bezeichneten kleineren Ornamentstücke unzweifelhaft kölnischen Ursprungs sind, während Nr. 67, die sogenannte Hrosnata-Schüssel von Stift Tepl in Böhmen, eine Arbeit von Limoges sein dürfte. Zu jener Zeit übten auch die arabischen Künstler in Spanien, Sicilien und im Orient die Emailtechnik; ihre Weise war aber ganz der byzantinische Zellenschmelz; in späteren Zeiten sind sie wie die Chi- nesen auf das gemalte Email übergegangen, aber nur in ornamentaler Verwendungj Eine gänzliche Umwandlung der Emailtechnik ging aller Wahrschein- lichkeit nach von Italien aus, wo im I4. Jahrhundert die neue Art ent- standen zu sein scheint. Die bisher beschriebenen Arten hatten das Gemein- same, dass die Schmelzmasse in Vertiefungen eingelassen war, daher man Grubenschmelz und Zellenschmelz auch gemeinsam als incrustirtes Email bezeichnet. Das neue Email üherzog dagegen vielmehr ein Relief, wesshalb man es auch Reliefemail nennt. Diese Reliefs aber, ciselirte und gravirte Silber- und Goldplatten, zeigen nur eine so geringe, kaum sichtbare Erhabenheit, dass die darüber gegossene Schmelzmasse das Relief vollständig zu einer ebenen Fläche ausgleieht. Die zweite und noch wich- tigere Eigenschaft dieses Emails ist, dass es völlig durchsichtig sein muss, denn die darunter befindliche Gravirung des Metalls muss die Zeichnung ergeben. Man hat daher auch mit Recht diese Art Email trarwlucirle ge- nannt. Man kann sie vortrefflich an einem der erwähnten Marcianischen Bucheinbände (Kat. Nr. 196) studiren, in welchen eine Restauration des 14. Jahrhunderts vier solche Eckstücke mit den vier Evangelisten ein- gesetzt hat. Ausserdem befindet sich an einem Kelch des Deutschordens- schatzes- eine" Anzahl solcher sehr vorzüglicher Silberplätwhen.