Die Terracottabüsten im österreichischen Museum.
Erst in neuerer Zeit wird der Thonplastik als Kunstzweig wieder
erhöhte Aufmerksamkeit zugewendet. Die Verwendung des Thones für
plastische Ausführungen ornamentaler oder iiguraler Art ist wohl schon
seit mehreren Jahrzehnten in allen Grossstädten Europafs im Schwunge,
aber die fast ausschliesslich fabriksmässigeArt der Behandlung desThones
ist der Thonplastik als Kunst eher hinderlich als förderlich gewesen. Von
ernsthaften Geistern wurde sie daher höchstem als Ersstzmittel in An-
wendung gebracht, und man hat, sobald man konnte, die fabriksmässig
erzeugten Thonornamente und Thonfiguren aufgegeben und ist zur Stein-
plastik als solcher zurückgekehrt. Nur in jenen Fällen, wo die Thonplastik
in wirklich künstlerischem Geiste geübt wird, hat sich dieselbe in jenen
Kreisen behauptet, welche die Plastik als Kunst und nicht als Geschäft
oder Unternehmung geübt wissen wollen. In Wien speciell hat man alle
Ursache, auf die künstlerische Entwicklung der Thonplastik ein grosses
Gewicht zu legen, da. das Material dieses Kunstzweiges in der Umgebung
von Wien in guter Qualität und sehr reichem Masse vorhanden ist, und
bisher grösstentheils nur im Sinne von Geschäftsunternehmungen ausge-
beutet wurde.
Im Auslands, insbesondere in Frankreich und England, hat man seit
Jahrzehnten den Werth des Thones für rein künstlerische Verwendung
in weit höherem Grade gewürdigt, als es in Oesterreich der Fall ist.
Die Zahl der Kunsthandwcrker und Künstler, welche sich in Frankreich
und England der Fayence-Technik zuwenden, einer Technik, welche den
rein commerziellen Standpunkt ausschliesst und den künstlerischen in den
Vordergrund stellt, nimmt in den genannten Ländern von Jahr zu Jahr
zu, und Jeder, der auf der Ausstellung der Union centrale des beauxe
arls npjoliquäa ä l'Industrie im Jahre 1865 die Entwicklung der Hgura-
lischen Thonplastik in Frankreich beobachtet hat, war über die Fortschritte
erstaunt, die Frankreich in den letzten zehn Jahren auf diesem Felde
gemacht hat. Insbesondere haben die Terracottabüsten des Herrn Albert
Carrier-Belleuse durch ihre geistvolle Auffassung und durch die
künstlerische Behandlung des Thones die Aufmerksamkeit aller Kunst-
freunde auf sich gezogen. Da. erinnerte man sich ganz unwillkürlich,
dass schon die Alten die Thonplastik als die mater staluaviae sculpturae
er. caelaturae bezeichnet haben, und. dass es nicht allein die Marmor-
technik war, worin die Griechen ihren Ruhm gesucht haben. Bemalte
und unbemalte, auch vergoldete Thcntiguren sind bei den Alten in hohem
Ansehen gestanden, und die Kunstfreunde der damaligen Zeit haben,
wie das Beispiel des Arkesilaus, des Freundes des Lucullus, zeigt,
den hohen Werth von Terracotta-Figuren aus der Hand bedeutender
Künstler anerkannt.