310 griechischen Mustern ebenso die egyptisehen und assyrischen nachgeahmt werden, so dass sich gleich zu dem Schönen die barocke Seite hinzu- gesellt und diese Richtung wiederum fast nur wie eine Mode erscheint. Doch hat sie auch so ihr Gutes, denn die antiken Muster sind nicht hlos in der Form von höchstem Geschmack, sondern auch von der grössten Reinheit und Vollendung der Arbeit, so dass ihr Studium und ihre Nach- bildung nothwendig den Arbeiter heben muss. Freilich sind es meist nur die in Rom selbst, insbesondere bei Castellani, entstehenden Nach- bildungen, welche den alten Originalen an Geschmack und Vollendung an die Seite zu stellen sind. Was man jetzt dergleichen aller Orten in Europa entstehen sieht, entbehrt insbesondere jenes überaus leichten und zierlichen Filigrane der Alten und entlehnt ihren Mustern nur die Hauptforrn, ohne diese durch hinzugefügtes feineres Ornament zum vollendeten Kunstwerk zu machen. Immerhin lernt die Goldschmiedekunst auch hiedurch eine reizende Fas- sung der Edelsteine, der geschnittenen Steine, der Miniaturporträts und der Mosaikbildchen. Was wir aber vor allem noch vermissen, das ist das Studium oder die Nachahmung der Goldschmiedearbeiten der Renaissance mit der Schönheit ihrer Formen, der Mannigfaltigkeit ihrer Technik und dem Rcichthum und der Eleganz ihrer Ornamente. Französische Arbeiten erinnern zwar oft daran, aber es waltet die naturalistisch-pbantastische Willkür der Franzosen dabei vor. Nur hier in Wien haben wir einen Goldschmied, der mit feinem Gefühl und wahrer Künstlerlust auf die rei- zende Hinterlassenschaft der Goldschmiedekunst des 16. Jahrhunderts eingeht und sich keine Mühe und Sorgfalt verdriessen lässt, bis die zier- liebste Fassung gelungen ist, bis die Miniaturiigürchen und die Relief- bilder die möglichste Vollendung erlangt, bis das Email, sei es trans- parent oder opak, sein schönstes Feuer zeigt. Aber Ratzersdorfer, der Künstler den wir meinen, welcher in England, Russland und Frankreich besser gekannt ist als in seinem Vati-r- lande, steht noch allein und muss auch für jene Länder, will er anders geschäftlich reussiren, seinen Kunstwerken zur Schönheit noch den täu- schenden Schein des Alterthums hinzuiiigen; wahrlich eine traurige Sach- lage, die zeigt, wie weit auch das reichere Publicum noch vom Verständ- niss des wahrhaft Schönen fern ist. Indessen ist der Anfang gemacht. Hoden wir, dass Andere dem gegebenen Beispiel folgen und den ausserordentlich reichen Schatz an den herrlichsten Goldschmiedarbeiten, der in Wien vorhanden ist und der ihnen nach und nach durch das österreichische Museum erschlossen wird, zu benützen wissen; hoffen wir aber auch, dass ein gebildetes und in Sachen der Schönheit und des Geschmackes aufgeklärtes Publicum