100 Ins Einheildiche herauszulössn und in einem Grundbilde- zu iixiren. Ihre Aufgaben waren Formeln, die entweder gestützt auf llittelzahlen berechnet oder nur empirisch testend gleich als Constructionsschemsn entworfen wurden. Dabei sind Zwecks der Naturfor- schung und Aufgaben der Kunst nicht immer gehörig geschieden worden; - der „mittlere Mensch" sollte zugleich Urbild der Schönheit, - die Formel zugleich Regel und Canon fiir den Künstler sein. Nur einige wenige Forscher geben ihren Untersuchungen die entgegengesetzte Rich- tung; statt das Individuelle durch egalisirende Formeln zu tilgen, richteten sie vielmehr gleich von vorn herein ihre Aufmerksamkeit auf alle die Verschiedenheiten der Gestalt, welche Natur und Kunst darbieten. Diesen letzteren Standpunkt bezeichnet der Vortrgrende als den seiuigen; in dieser Richtung wolle er vorgehen, um, so weit die ihm zu Gebote stehenden Mittel reichen, das Tbatslichliche zu ermitteln. Seiner Ansicht nach ist dies auch gegenüber dem künst- lerischen Bedürfnisse die wichtigste Aufgabe der Naturforschung; sie sei auch berufen, die organische Bedeutung aller dieser Verschiedenheiten zu erörtern. den ästhetischen und pbysiognomischen Wcrth derselben aber zu deiiniren, sei Aufgabe der Kunst. Sollen die Resultate auf gutem Grund beruhen, müsse auch die Methode der Unter- suchung geregelt sein. Vor allem aber sollte in Betretf der Messnngemethode ein Ueberein- kommen getroffen werden; denn nur dann sei ein Vergleich der Angaben verschiedener Forscher und über verschiedene Objeete möglich, wenn die Zahlenwerthe sich auf die gleichen Leibesabschnitte beziehen lassen. Bis jetzt aber sind für die einzelnen Mnasse zu verschiedene Ausgangspnncte benützt worden, als dass man die sonst ganz sorgfältig ernir- ten Zahlen gleich und ohne gewagte Reductionen in Verhliltniss zu einander bringen könnte. Der Vortrag gliederte sich daher in drei Abschnitte. Im ersten wurde eine auf ana- tomische Verhältnisse gegründete Messungsmethode in Vorschlag gebracht; im zweiten suchte der Vortragende, gestützt auf die Darlegungen anerkannter künstlerischer Autori- täten, Zweck und Aufgabe der Proportionslehre zu deänireu; dem dritten Abschnitt endlich waren die Angaben über Manssverhältnisse vorbehalten. welche an Natur- und Kunstwerken beobachtet werden sind. Aus demVergleichc dieserVerhältnisse untereinander wurden einige für die Kunstgeschichte vielleicht nicht uninteressante Folgesiitze abgeleitet. Da die Abmessung einer Figur otfenbsr in nichts anderem bestehen kann, als in der Ermittlung der Grösse linearer Abstände, so handelt es sich hierbei vor Allem um den Entwurf eines Linearscbemas, welches man sich in den Körper eines jeden zu mes- senden Objectes hineingelegt denken muss. Dieses Schema soll alle Eigenschaften eines architektonischen Schemas haben. Es soll nicht nur eine Uebersicht geben über die Gestaltung des Leibes und daher alle wesentlichen Dimensionen in sich begreifen, sondern auch Einsicht gestatten in die organische Gliederung der Figur und in den hiednrch be- dingten Gestaltenwechsel. Die Abschnitte des Schemas sollen dis natürlichen Segmente des Leibes. andeuten und sich durch identische Puncte begrenzen. Denn nur dann, wenn die Mansslinien zu Puncten gehen, welche unabhängig sind von den individuellen Abwei- ehnngen und bei einem und demselben Individuum unabhängig sind von der Attitude, also untereinander bei allen Stellungen der Glieder in denselben Abständen von einander ver- bleiben, nur dann wird es möglich sein. die Zahlen, welche man an verschiedenen indivi- dnen oder Bildwerken gefunden hat, auf dieselben Glieder zu beziehen und unmittelbar mit einander zu vergleichen. Dass diese Puncts im Skelet gesucht werden müssen, ist ohne vveiters einsichtlich, weil nur das Skelet jener Bestandtheil des Leibes ist, welcher wesentlich die Gestalt be- stimmt, zugleich aber auch durch seine gelenkigen Verbindungen den Bewegnngsmecha- nismus herstellt. Die identischen Pnncte liegen aber nicht schon in den Berührungsflächen der Kno- chen, weil diese heim Wechsel der Attitüde nicht immer in denselben Abständen zu ein- ander verbleiben; es sind dies nur die Drehnngspuncte der Kugelgelenks und die Mittelpuncte der Axen der Charniere. Weil diese Punctc aber nicht zngängs lich sind und deshalb nicht unmittelbar als Ausgangspuncte der Maasslinien benützt werden können. so müssen dafür an der Oberiiiiche des Körpers andere Puncte ausgemittelt wer- den, welche ihnen entsprechen oder doch ihre Horizonte richtig anzeigen. Ein nach diesen Grundsätzen EllhTOYfEYIeS Schema besteht in der Front-Sil- houette aus folgenden, zwar wenigen, aber charakteristischen Linien. Aus der verticnlen Medianlinie des Leibes, welche vom Horizont des Scheitels bis zum oberen Bande der Schaamfuge herabreicht und durch Marken, entsprechend dem inneren Nuenstachel (Niveau des Hinterhanptgelenkes), dem Kinn, dem Einschnitt der Brnstbeinhandhabe, der Mitte des Schwertfortsatzes und dem Nabel nnterabgetlleilt ist; dann aus zwei horizontalen, von welchen die obere den Abstand der Drehuugqznnctc beider Schultergelenke (Schulterbreite), die untere den Abstand der Drchungspnncw beider iiüftgclcrukedliiitbreite) anzeigt; endlich aus zwei