117 Die Eietoire du Travail auf der Pariser Ausstellung '). Von Friedr. Lippmann. IL Portugal. In eigenthiimlichsr abgeschlossener Lage im iiussersten Südwesten Europe's scheint die Entwickelung der Kunst und der damit im Zusammenhangs stehenden Kunstgewerbe in Portugal eine viele neue und interessante Gesichtspunkte bietende, freilich bis beute noch wenig erforschte gewesen zu sein. Bei der verhiiltnissmässigen Entlegenheit des Landes, die das Aufsuchen der Kunstobjecte an ihrem gewöhnlichen Aufbewehrungsorte nur äusserst Wenigen gestattet - wie denn beispielsweise die kunstgeschichtlich so wich- tigen Malereien in Viseu im Innern des Landes seit Raczynskfs Besuch im Jahre 1845 erst in neuester Zeit wieder von einem Kunstverständigen (Robinson) untersucht wurden - bei dieser schweren Zugänglichkeit erregte das zur Schau Gebrachte doppeltes Interesse. Neben einer über 1500 Nummern zählenden Münzsnmmlung, die, wie ich vernehme, in numismaüscher Beziehung von höchster Wichtigkeit gewesen sein, und der Miinzkunde bisher beinahe unbekannte Gebiete erschlossen haben soll, zählt der (nach Schluss der Ausstellung erschienene) Katalog noch etwa 200 Objecte auf, unter denen, wie schon un- längst erwähnt, Goldschmiedesrbeiten das hervorragendem Interesse in Anspruch nahmen. Von nntik römischen, auf portugiesischen Boden zurückgebliebenen Resten wäre ein silberner Vasenhenkel mit dem Genius des Ueberdusses in gutem Relief und mit der Be- zeichnung C. C. Pi (Cajus Calpurnius Piso?) und eine kugelförmige Flasche von hellem Glase mit aufgeschmolzenen figürlichen und ornamentalen Darstellungen und Buchstaben der Seltenheit des Vorkommens und der vorzüglichen Erhaltung halber bemerkenswerth. Die Epoche des eigentlichen Mittelalters war durch eine Reibe von Werken bezeichnet, die, obwohl sie im Ganzen wenig specifisch Charakteristisches boten, doch an und fir sich in bedeutendem ltisnsse henchtenswerth waren. Der herrschende Kunststyl etwa vom 9. bis ins beginnende 15. Jnhrhundert scheint wenigstens, noch den zur Scheu gebrachten Stücken zu schliesscn, auch in Portugal dieselben Merkmale hervorgebracht zu haben, die wir an den in Deutschland oder Frankreich entstandenen Erzeugnissen der Kleinkunst beobachten. Nur im Allgemeinen zeigen die portugiesischen Arbeiten etwas schwerere Verhältnisse und selbst plumpe Formen, die aber kaum als Styleigenthümlicbkeit, sondern wohl nur als Folge der geringeren Uebung und Geschicklichkeit ihrer Verfertiger anzu- sehen sind, erst im 15., mehr aber noch im 16. Jahrhunderte begegnen wir der deutlichen Ausprägung einer national portugiesischen Geschmacksrichtung, die in einer eigenthiim- lichen AuEassung, Umwandlung und selbst Verwilderung gothischer, und in ähnlicher Weise später renaissancelicher Elemente besteht. Von den der ersteren Epoche angehörenden Werken sind vor allem einige Vortrage- kreuae bemerkenswerth. .Das eine. Eigenthum des Marquis Susa Holstein, gehört zu den ältesten und interessantesten Stücken dieser Art. Das Material ist ursprünglich vere goldet gewesenes Kupfer, es ist mit Ornamenten geziert, die sowie die Zeichnung des im Belief dargestellten Christus, dessen Haupt mit einer niedrigen kegelförmigen Krone bedeckt ist, gut mit der Annahme stimmen, die es iu die Zeit der Gründung der portugiesischen Monarchie durch Heinrich von Burgund (1093-1114) versetzt. An dem oberen Ende des Kreuzstnmmes und an den Enden der beiden Seitenarme befinden sich die Zeichen der Evangelisten, oben der Adler, links und rechts Löwe und Ochs, die so wie die Ornamente in breiten Strichen eingrav-irt sind. der Engel des Matthäus fehlt jedoch und war, da an dem Kreuze selbst keine Spur einer Beschädigung oder Restauriruxxg sichtbar ist, oGenbar nie daran vorhanden - ein seltsames Vorhornmniss, das ein gewiegter Kenner des Mittel- alters, Charles de Linus, dadurch zu erklären versucht, dass beim Gebrauche des Kreuzes bei Proeessionen der Träger des Kreuzes selbst das Zeichen des vierten Evangelisten, den Engel darzustellen bestimmt gewesen sein soll, eine Ansicht, die ich hier, sowie die ganze Suche überhaupt, des iconogrnphisehen Interesses halber erwähne. Noch einige andere Vortrsgekreuze mit in ähnlicher Weise eingrnvirten Darstellungen trugen cin charakteristi- sches Gepräge portugiesischer Herkunft. Von Bedeutung waren auch ein silberner vergoldeter Kelch von nicht gewöhnlicher Grösse, an dem Leibe und Fusse mit granulirter iiligranartiger Arbeit und halbgeschlii- fenen Edelsteinen bedeckt. der einer im Innern des Geßisses angebrachten Inschrift zu- folge ein Geschenk der Königin Dulcia an das Kloster Alcobnca ist. und bestimmt war, an dem Hauptaltare der Kirche des genannten Klosters zu dienen. Die Königin Dulcre. war eine Gemahlin Don Saneho 1., der von 1195 bis 1211 regierte. Einen andern, dem eben erwähnten in der Form ziemlich ähnlichen Kelch, doch von geringeren Dimensionen, der inschriftlich ebenfalls für das Kloster Alcobsca verfertigt wurde, möchte ich trotz seine alterthümlichen Aussehens doch erst fir eine Arbeit des 14. Jahrhunderts halten. ß) Fortsetzung aus Nr. 29.