454 Tage gegeben, in seinem nicht minder vortrefflichen Werke „die Kunst-Industrie der Gegen- wart" Bericht über den heutigen Stand derselben erstattet und mit scharfer, aber gerechter Kritik nachgewiesen, wo und von viem Mustergiltiges und der allgemeinen Anerkennung Werthes geleistet worden ist. Aber diese mehr oder weniger gelehrten Werke sind dem Fabrikanten und dem Handwerker im Allgemeinen nicht zugänglich. Fabrikanten und Handwerker wollen Vorbilder, an welchen sie unmittelbar lernen können, wie das praktisch Brauchbare mit der schönen Form zu vereinigen ist und in welcher Weise auf die Natur des verwendeten Materials in passender Weise Rücksicht genommen werden muss. Diese Vorbilder, theils - wo das Material besonders wichtig - im Original, theils in getreuen Nachbildungen müssen die Erzeugnisse jedes Gewerbes in historischen Folgen von der ältesten Zeit bis auf unsere Tage herab in ihren am Meisten charakteristischen Formen zur Anschauung bringen, müssen klar darlegen, in welch' verschiedenen Formen der be- stimmte Zweck in den verschiedenen Zeiten zur Anwendung gebracht worden ist, müssen den Fabrikanten auf den richtigen Weg führen, ihm die Motive an die Hand geben, und zu neuen Erfindungen innerhalb des als berechtigt anerkannten Kreises anregen. In der angegebenen Richtung müsste man, meiner Ansicht nach, eine miiglichste Vollständigkeit anstreben, also Sammlungen, welche z. B. die Geschichte der Goldschmiede- kunst, der Eisenschmiedeknnst, der Gefässbildnerei, der Weberei, der Flechterei, der Oefen, des Glases etc. in gut ausgewählten Beispielen darstellen. Es kommt nicht darauf an, viel zu haben, aber man muss die am meisten charakteristischen Beispiele haben. In dieser Beziehung kann das germanische Museum eine wichtige Ergänzung zu den Samm- lungen des künftigen Gewerbe-Museums bilden. Was das germanische Museum, das ja bekanntlich mit grösster Liberalität für Jedermann zugänglich ist, besitzt, - also Kunst- gewerbe des deutschen Mittelalters - könnte das Gewerbe-Museum vorläufig entbehren, müsste dagegen seine Krähe darauf concentriren, alles das anzuschalfen, was jenes nicht in seinen Kreis zieht, also z. B. alle Gegenstände des Alterthums, alle orientalischen Pro- ducte und die ganze nicht deutsche Industrie des Mittelalters und der Neuzeit. Es kommt also vor allem darauf an, ältere Gegenstände der Kunstindnstrie, die ja Eir die meisten Zweige (Tischlerei, Töpferei, Weberei etc.) mit Recht noch immer als Muster gelten, zu erwerben. Neue, namentlich französische Gegenstände sollten nur ausnahmsweise gekauft werden. Dagegen ist es gewiss sehr vortheilhaft, die Sammlung durch mustergiltige Er- zeugnisse der neuesten Zeit aus Baiern selbst immer zu vergriissern. Die Fabrikanten hätten dann bequeme Gelegenheit, das Gute, welches sie erzeugt, zur ödentlicheu Kenntniss zu bringen, hätten an der Zusammenstellung mit Eltern guten Sachen einen Massstab für unbefangene Beurtheilung ihrer eigenen Erzeugnisse (während ohne diesen Massetab der Verfertiger leicht zu dem Glauben kommt, seine Erzeugnisse seien in jeder Beziehung vorzüglich, bedürfen keiner Verbesserung, und daher keine Fortschritte macht, also der Welt gegenüber zurückbleiht), und das Publicum hat die beste Gelegenheit, diejenigen Quellen aufzufinden, aus welchen es das Beste beziehen kann. Dieser Gesichtspunkt der Kunstgewerbe ist, meiner Ansicht nach, in dem vorliegenden Programm nicht genügend betont, dagegen wohl zu viel Gewicht auf die Ausstellung von Rohprodncten gelegt. Diese sollten billiger Weise nnr einem untergeordneten Zweck als Ergänzung und zur Erklärung der Erzeugnisse der Gewerbe dienen. Gold in rohem Zu- stande kennen wir alle, nicht aber jene herrlichen Arbeiten aus Gold, welche die alten Römer gefertigt. Das Anschauen verschiedener Glassorten hift uns wenig, aber die vor- trefflichen alten venetianischen Gläser sind dem Glasfabrikanten von höchster Wichtigkeit. Aehnliches gilt von dem Thou für Oefen, dann Eisen Fir Schlosserarbeiten. Das Holz allein bedürfen wir hier nicht, wohl aber gute alte Tiscblerarbeiten, worin besonders das siebenzehnte Jahrhundert Mustergiltiges geliefert hat. Sei es mir nun gestattet, mit Rücksicht auf den oben ausgesprochenen Hauptgrund- satz der Beschränkung vorzugsweise auf die Kunst-Industrie noch einige Bemerkungen an einzelne Paragraphe der Statuten der vorliegenden Denkschrift zu knüpfen: S. l. Als Hauptzweck müsste die Absicht hingestellt werden, unter den Fabrikanten und Gewerbe- treibenden Sinn und Interesse für Erzeugung solcher Gegenstände zu erwecken, welche den besten aller Zeiten würdig sich an die Seite stellen lassen, d. h. also kurz: Ver- breitung eines geläuterten Geschmacks. 5. 2. Dieser Zweck wird erreicht: l) Durch eine ständige Sammlung von Erzeugnissen der Kunst-Industrie aller Völker und aller Zeiten in chronologischer Reihenfolge, theils in Original, theils in solchen guten Copien, aus denen das Charakteristische des betreffenden Gegenstandes deutlich zu erkennen ist. Roh- stoie, Werkzeuge etc. zur Erläuterung der Gegenstände sind willkommen; 2) daran schliesst sich eine wechselnde Ausstellung mustergiltiger Erzeugnisse der neuesten Industrie Baisrns; 3) eine temporäre Ausstellung solcher charakteristischen oder mustergiltigen Gegenstände der Kunst-Industrie, welche in festem Besitz sind und dieser Anstalt nur leihweise für gewisse Zeit überlassen werden; 4) Wunder-Ausstellungen einzelner Theile des Museums