481 hervorgeht, welchen hohen Werth auf diese Gefässe man im Alterthume gelegt hat, andererseits sich aber auch deutlich zeigt, dass an dem Orte, wo die Copie gemacht wurde, die hohe Kunstfertigkeit nicht zu finden war, wie an jenem Orte, wo man die Originale schuf. Dass die moderne Kunstindustrie sich dieser Objecte bemächtigt, ist vollständig begreiflich. Vorbilder aus guter Zeit gibt es nicht viele, und auch die, welche wir besitzen, werden nicht so zugänglich gemacht, um sie für die Privat-Industrie nutzbar zu machen. Die rein antiquarischen Museen" verschliessen ihre Sammlungen, und würde nicht Herr Kiiszhardt in Hildesheim sogleich Gypsabgiisse gemacht haben, wir zweifeln sehr, dass das Berliner Antiquarinm sich beeilt haben würde, solche Gyps- abgüsse anfertigen zu lassen; denn sowol im Berliner Antiquarium, noch mehr aber in der Berliner Kunstkemmer befindet sich eine grosse Anzahl ganz ausgezeichneter Stücke, die längst verdient hätten, durch Gyps- abgüsse oder galvanoplastische Reproductionen weiteren Kreisen zugänglich gemacht zu werden, die aber noch heute Hir die Kunst-Industrie wie ein mit sieben Siegeln verschlossenes Buch zu betrachten sind. Die Hildesheimer Gefasse werden anregend und ich möchte auch sagen reinigend auf die moderne Gefässtechnik wirken und vielleicht Anlass geben, dass man in den massgebeuden Kreisen der Gefässtechnik einen höheren Werth beilegt, als dies bisher der Fall war, dass man dabei nicht blos an Massenproduction, sondern auch an Einzelprodnction denkt und dass man Künstlern und Kunstteehnikern die Musse gönnt und die Mittel bietet, um solche Einzelwerke, an denen sich allein Künstler und Kunsthendwerker bilden können, mit vollendeter Technik und zu voller Befriedigung der Kunstanforderungen zu Ende führen zu können. Kein Zweig der modernen Kunst-Industrie ist ja so verfallen, als jener der Silber- undfiroldarbeiter. Ein groseer Theil derselben arbeitet möglichst wohlfeil und möglichst schlecht; von dem künstlerischen Berufe des Silberarbeiters haben nur Wenige eine Ahnung. Der Silberfund in Hildesheim tritt wie der Geist Hamlets aus der Vergangenheit mahnend an sie heran, dem Speculationsgeiste nicht aus- schliesslich Gehör zu schenken, sondern auch den Anforderungen des besseren Geschmackes Rechnung zu tragen, die gegenwärtig immer mächtiger hervortreten. Urnsomehr hat es uns gefreut, dass wir in den Ateliers der Silberarbeiter Sy ä Wagner und Vollgold in Berlin einige Silber-arbeiten in Arbeit fanden, bei denen mit künstlerischen Intentionen vorgegangen, an der künstlerischen Durchbildung des Modells und an Durchführung der Ciselirung nicht gespart wird. Auch das kleine Atelier für Bronze- und Email-Technik von Sussmann und Ravene strebt mit Bewusstsein höheren künstlerischen Zielen zu.