404 Kunstindustrie. Das österreichische Museum hat auf seinen Wanderaus- stelluugen in Brünn und Pilsen, in Leitmeritz und Linz, in Prag und Reichenberg erfahren, wie es mit der Kunstpflege nach dieser Richtung hin steht. Darüber kann man sich keiner Täuschung hingeben. In Graz speciell war es ausserordentlich schwer, einen Ueberblick über die kunstindustriellen Gesammtleistungen Steiermarks zu erhalten. Die Ausstellung war nach dieser Richtung hin nicht geordnet, noch orga- nisch vorbereitet. Man erhielt kein Gesammtbild der steirischen Kunst- industrie. Die Aufstellung erfolgte nicht nach Gruppen, sondern nach malerischen Gesichtspunkten; man war wohl genöthigt, nach diesen Prin. cipien vorzugehen, da für einzelne Gruppen das Materials nicht hinreichte. Es war ausserdem Grazer Ausstellern gestattet, Gegenstände, die von ihnen nicht angefertigt, sondern in aller Herren Linder angekauft waren, zur Ausstellung zu bringen. Tapezierer, die Möbel ausstellten, nannten weder Zeichner noch Tischler. Die Beschaffenheit des „Katalogs der Grazer Ausstellung", von welchem noch die Rede sein wird, gibt Auf- schlüsse über Mängel in der Organisation auf literarischem Gebiete. Trotzdem sind einzelne sehr bemerkenswerthe Erscheinungen auf dem Gebiete der steirischen Kunstindustrie zu Tage getreten, die, wie fast alle Kunstindustrie der nicht italienischen Länder der österreichischen Monarchie, Frucht der Intelligenz und der Arbeitskraft der deutsch-öster- reichischen Volksstämme ist. Wir erwähnen die gut gefassten Ringe des Goldarbeiters J. Haine, den Kasten des Tischlermeister J. Zugh, den Prunkschrank (in technischer Beziehung) des Consortiums der Grazer Tisehler-Genossenschaß (die Toilette hingegen ist ein in der Zeichnung ganz verfebltes Object), die Tapeziererarheiten der Firma Sehmitt -- eine innere Einrichtung eines Damenschreibzimmers - und des L. Kriewitz, die Tischplatten in Holzmosaik des Tischlers J. Wolf in Marburg, einige Arbeiten der ersten steiermärkischeu Möbelfahrik der Gebrüder Trieb und Eysn, einige Steinmetzarbeiten in vorwiegend technischer Beziehung u. A. m. So achtenswerth aber solche Leistungen sind, so bedeutend auch der Fortschritt ist, den Steiermark auf diesen Gebieten gemacht hat, so sind dieselben doch nur als Ansätze zu einem besseren Streben zu betrachten, wenn man den Reichthum an Materials betrachtet, welches Steiermark zur Verwerthung für Kunstindustrie durch die Natur geboten ist. Nicht, was es leistet, sondern, was es bei richtiger Piiege zu leisten im Stande wäre, muss in Steiermark in das Auge gefasst werden. Die Kunstindustrie Steiermarks zu heben, ist die nächste Aufgabe der Generation, die in Steiermark lebt. Wie diese Aufgabe zu erreichen ist, darüber kann ein Zweifel nicht obwalten. Die hervorragendsten Vertreter der Wiener Kunstindustrie, die wir, wie heuer in Graz, so auf allen Ausstellungen der Kronländer finden, erfüllen eine Pdicht des Patriotismus, die wir nicht dankbar genug aner-