238 zusammenfasse, deren Motiv nicht den Formen eines individuellen lebend gedachten Wesens entnommen ist) tritt uns als wohlhekannt der Mäander entgegen. Der Gebrauch dieser Verzierung ist in China jedenfalls uralt; könnte man chinesischen Schriftstellern vollen Glauben schenken, so würde er aus der Epoche der Schang-Dynastie, also lange vor den Zeiten des trojanischeu Krieges, datiren. Doch wenn wir auch diese Angaben als zweifelhah bei Seite liegen lassen, so bleibt immerhin ein so hohes Alter der Anwendung des Mäander übrig, dass dessen Heriibernehmen aus der alten Kunst Europas mehr als unwahrscheinlich erscheint. Zudem kommt noch, dass sein Gebrauch und decorativer Zweck ein von dem in den Ländern des Westens grossentheils verschiedener ist. In der elas- sischen Kunst spielt er stets die Rolle einer Einfassung, eines Bandes, - nicht so in China, hier begegnen wir ihm als einem Flächen- ornament, wobei er in seine einzelnen Formenelemente aufgelöst wird. Diese ohne Zusammenhang unter einander oder höchstens paarweise ver- einigt, bedecken oit in ziemlich umfangreichen Parüen in seichtem Reliei die Aussenseiten der ältesten Bronzevasen. Dieses Ornament heisst Lny- wan, d. i. „die seidenen Fäden des Donners", also wohl als Symbol des Blitzes aufzuhssen. Ferner werden die beschriebenen Mäander-Fragmente mit der Darstellung phantastisch stylisirter Wolken verbunden (Ornament Yun-Luy, Wolken und Donner), und bezeichnen die Vasen, die bestimmt sind, den Opferwein (gewürzten Reishranntwein) aufzunehmen. Dem Po- ku-tu (siehe oben) zufolge sollen die Vasen mit "Wolken und Donner" ursprünglich Ehrenvasen für Verdienste um die Landwirthschait gewesen sein. Auf den Emailvasen findet sich das Ornament "Wolken und Donner" sehr häufig, freilich ist das Luy-wan 0B blos zu einer zwei- bis dreimal rechtwinklig gebrochenen Linie zusammeugeschrumpü. Der Mäander als Bandornament ist ebenfalls an chinesischen Kunstobjecten aller Gattungen eine häufige Erscheinung; von seinem griechischen Bruder unterscheidet er sich dadurch, dass bei dem letztem die Idee einer einzigen, nur viel- fach gebogenen Linie stets völlig klar hervortritt, während der erstere in den meisten Fällen aus einer streifenförmigen Aneinanderreihung jener schon erwähnten mäanderartigen Formelemente besteht. Dies macht, wie ich meine, den chinesischen Mäander (wenn man ihn überhaupt mit Recht so nennen kann) zu einem von dem griechischen Mäander total verschie- denen Dinge "). ') Allerdings ist zuweilen, namentlich auf Gegenständen jspanssischar Fnbricaüon, der Mäander so angeordnet, dass er auf den ersten Anblick dem antiken vollkommen zu gleichen scheint, bei genauer Beobachtung wird sich jedoch in den meisten Fällen zeigen, dass diese Uabereinstimmung nur eine scheinbare, durch die anfällige Stellung der Mäanderfragmente hervorgerufene ist und dass dem Zeichner der Gedanke, eins conti- nuirlicho Linie zu bilden, hierbei nicht vorgeschweht hat. Bezeichnend ist auch, dass in China mäanderartige Formen in plastischer Ausbildung als constructives Motiv,