ZUÖ In Folge dessen hört man heutzutage vielfach, namentlich bei den Cultur- Völkern germanischer Rasse, Rembrandt als den größten Künstler nennen, den das Menschengeschlecht bis jetzt überhaupt hervorgebracht hat. Wir haben nun zu untersuchen, wie sich eine Kunst, die durch einen solchen Meister vertreten ist, zur decorativen Seite des KunstschaEens gestellt hat. Eines erscheint da von Vorneherein geeignet, unsere Erwartungen auf das Höchste zu spannen. Wenn die Flarnänder i-nit Rubens halbe Italiener gewesen sind, wenn selbst die Spanier durch ihre romanische Abkunft und durch ihre Kirchenmalerei der, idealistischen Richtung der Italiener bis zu einem gewissen Grade nahegebracht worden sind, so hat die echte national-holländische Malerei wenigstens in den zwei ersten Dritteln des 17. Jahrhunderts jedwede Verbindung mit Italien aufgegeben. Ich sage: die echte national-holländische Malerei, denn neben dieser gab es zur gleichen Zeir in Holland auch eine italienisirende Malerei, die haupt- sächlich im katholischen Utrecht ihren Sitz gehabt hat, und deren Bedeu- tung schon deshalb nicht. unterschätzt werden darf, weil sie später, gegen Ausgang des r7. Jahrhunderts, die ganze holländische Malerei erobert, jene national-holländische Malerei völlig aus dem Felde geschlagen hat. Aber in der "ersten und zweiten Generation der holländischen Maler des I7. Jahr- hunderts herrschte weitaus unter der Mehrzahl derselben ein Geist, der von italienischen Vorbildern und italienischer Formenauffassung nichts wissen wollte. Dieser Selbständigkeitstrieb wurde noch in der entschie- densten Weise gestärkt und gefördert durch den Umstand, dass im pro- testantischen Holland die Kirchenmalerei fast vollständig in Wegfall ge- kommen ist. Damit entfiel von selbst eine gefährliche Verlockung, die, wie wir gesehen haben, selbst die von Haus aus naturalistischen Spanier bis zu einem gewissen Grade wieder} dem ltalianismus entgegengeführt hatte. Von dem Meister, der die erste Generation der holländischen Maler des 17. Jahrhunderts als ihr vornehmster Vertreter repräsentirt, von Franz Hals, haben wir gar keine religiösen Bilder, sondern nur Porträte und Genrebilder. Der Hauptmeister der zweiten Generation, Rembrandt, ver- dankt zwar gerade seinen biblischen Compositionen einen guten Theil seines Ruhmes und Erfolges; aber er wusste hierbei die Fallen des ltalianismus vollständig zu vermeiden. Wenn bei Murillo die heil. Maria nur in seinen frühesten Bildern die einfache Zimmermannsfrau von Sevilla ist, um später immer mehr zu einer vornehmen, fein gestalteten Dame zu werden, so ist sie bei Rembrandt bis in seine späteste Zeit hinein immer die schlichte Holzhackersgattin geblieben; es fehlt ihr zwar darum auch bei Rembrandt nicht an der gebührenden überirdischen Verklärung, aber der Meister hat dieselbe nicht in der äußeren Form, sondern im Ausdruck, der inneren Beseelung und namentlich in coloristischen Mitteln gesucht. Dagegen hat die ganze unabsehbare, idealistische Bilderwelr, die die Italiener von {Giotto bis auf Guido Reni für die biblische Malerei erfunden hatten, für Rembrandt's Kunstschalfen so gut wie gar nicht