nicht malen oder meiBeln können, wird die ganze Wissenschaft oft als
etwas völlig Ueberflüssiges betrachtet. Ein ausgezeichneter Maler hielt ein-
mal eine lange Standrede über dieses Thema. "Wenn lhr uns sagen
könntet, wie die Alten gemalt haben, dann könnte Eure Wissenschaft
wenigstens etwas nützenlu rief er triumphireud aus. Doch als ihm bea
merkt worden war, dass die Wissenschaft doch nicht die Vernachlässigung
der alten Malweisen verschuldet, wohl aber Alles, was sich von alten
Aufzeichnungen und Anweisungen und Recepten erhalten hat, gesammelt
und in den Hauptcultursprachen veröffentlicht hat: da kam an's Licht,
dass der Maler von einer solchen Litteratur nicht das Mindeste wusste,
und z. B. den Namen Theophilus nie gehört hatte. Natürlich schnappen
die Schüler nichts begieriger auf, als dass alles Wissen Dunst sei, und
dass sie sich von keinem Menschen dreinreden zu lassen brauchen. Das
ist aber doppelt bedenklich, wo es sich nicht allein um die Erscheinung
einer Arbeit, sondern vor Allem um deren Zweckmäßigkeit handelt, wie
das einst einem berühmten Wiener Architekten begreiflich gemacht wurde.
Er fertigte eine tadelnde Bemerkung über einen Sessel mit den Worten
ab: "Wie ein Sessel componirt werden muss, das verstehe ichll und
erhielt zur Antwort: nAber wie man darauf sitzt, das verstehe ich, und
Sie selbst würden sich dafür bedanken, diesen hier zu benützen". Und
bei diesem Anlass: mag nicht unberührt bleiben, dass eine gefährliche
Strömung der Zeit auch auf unserem Gebiete Unheil anrichtet. Als ob
wir noch vor fünfzig Jahren lebten, nimmt wieder der Aberglaube über-
hand, dass nur der sich wirklich ein Künstler nennen könne, der viel
Leinwand bemalt, große Figuren modellirt oder wenigstens in Kupfer
radirt. Vergebens hält man den jungen Leuten die großen Künstler der
Vergangenheit vor, die es nicht unter ihrer Würde fanden, auch in Werken
der Kleinkünste ihre Größe zu beweisen, und die Zeitgenossen, vielleicht
die eigenen Lehrer, die ebenso mit gutem Beispiel vorangehen; vergebens
verweist man auf die Ueberfluthung des Marktes mit Gemälden. Vergebens,
denn Gemälde haben doch eher Aussicht, in eine Kunstausstellung auf-
genommen und von den verhassten Kunstschreibern in den Zeitungen
erwähnt zu werden; damit empfängt man das Diplom als Künstler und
kann sich ein wAteliern einrichten, anstatt - proh dolor! - in eine
wWerkstatta gehen zu müssen, nArbeiten zu werden. Das Atelier ist
zwar nichts Anderes als eine Werkstatt, doch klingt das Wort viel vor-
nehmer. Der Besuch einer Schule lässt sich leider nicht umgehen, aber
dem Worte Schüler scheint eine kränkende Bedeutung anzuhaften, da
es wo möglich durch Frequentant oder Studirender oder gar nHöreru
(Hörer des Zeichnens!) ersetzt wird. nStudirenden-x kann natürlich nicht
zugemuthet werden, sich später noch zu erinnern, für welches kunst-
gewerbliche Fach sie ihr Stipendium erhalten haben. Man nenne der-
gleichen nicht verzeihliche Eitelkeit oder harmlose Spielerei. Es könnten
vielmehr recht betrübende Thatsachen von den Wirkungen des Dünkels