Von der Wiener- Congress- Ausstellung. vEin großer Erfolge - dieser Ausdruck ist in den letzten Wochen so vielfältig mündlich und schriftlich auf die Congress-Ausstellung an- gewendet werden, dass wir ihn, ohne Gefahr der Ueberhebung geliehen zu werden, einfach registriren dürfen. Schon die Ziffern sprechen: 47.500 Besucher und 4000 verkaufte Kataloge in acht Wochen. Dazu stimmt der wiederholte Ausdruck voller Befriedigung in allen inlän- dischen und zahlreichen ausländischen Zeitungen und Zeitschriften; ein Pariser Blatt ging so weit, seinen Lesern eine eigene Reise nach Wien zur Ausstellung zu empfehlen. Ohne Zweifel hätte guter Wille auch schwache Stellen entdecken können, aber der günstige Eindruck äußerte sich so unmittelbar und mächtig, dass etwa vorhandene Missgunst in der freudigen Gesammtstimmung nicht zu Worte kommen konnte. Wenn wir uns über die Ursachen dieses ngfOßElJ Erfolges" Rechen- schaft ablegen wollen, muss vor Allem in Betracht gezogen werden. dass die Ausstellung, unbeschadet ihres internationalen Charakters, ein Wienerisches Erinnerungsbild genannt werden muss. Jeder österreichische Patriot nimmt herzlichen Antheil an der Schaustellung, die ihm die Reichshauptstadt in einer ihrer glänzendsten Periode vergegenwärtigt; das alte Wien, noch unberührt von den theils unvermeidlichen, theils recht unnöthigen Umgestaltungen, die wir erlebt haben und noch erleben, mit dem unvergleichlichen Spaziergange auf den Basteien, der hier den Blick in die winkelige, trauliche Innere Stadt, dort über den breiten Glacisgürtel und die noch von zahllosen Gartengründen durchsetzten Vorstädte hinweg auf die Berge gewährte; das alte Wien, erfüllt von ungezwungenem, fröhlichem Treiben der Einheimischen und dem Prunk und den Festlichkeiten, zu denen die Anwesenheit fast aller europäischen Potentaten und ihrer berühmten Staatsmänner den Anlass bot. Wir können uns die reich ausgestatteten Carrossen besetzt vorstellen mit stolzen Herren und schönen Damen; wir sehen in Augenblicksbildern alle Stände in altväterischen Trachten, längst verschwundene Volkstypen, schwerfällige Beförderungsmittel, manches seltsam, doch alles anheimelnd. Es herrscht die Atmosphäre der nGemüthlichkeitu, die so oft von Wienern und Fremden gepriesen und besungen worden ist. Und weit über den Bannkreis der heimischen Tradition und des Localpatriotismus hinaus wirkt der Reiz des Culturgeschichtlichen, dem wir heutzutage große Empfänglichkeit entgegenbringen. Für kunst- gewerbliche Museen ist es nicht leicht, dieser Neigung zu genügen, weil sie sämmtlich nach dem Vorbilde von South Kensington angelegt worden sind, in dem die Gliederung der Sammlung in Gruppen und Unterabtheilungen von dem verarbeiteten StotTe abhängig gemacht ist. Die Schwierigkeiten, die sich durch solche Sonderung ergaben, haben viele Sammlungen schon längst veranlasst, jenes System zu durchbrechen.