Diese beiden, ungefähr in der Mitte des Stuhles befindlichen Quer- hölzer sind das Einzige an dem ganzen Gerälhe, das in seiner Bedeutung nicht gleich auf den ersten Blick klar erscheint. Man erinnert sich dabei sofort an die entsprechenden zwei Querhölzer am Webstuhl der Penelope auf der von Conze in den Annali 1872 besprochenen und in den Monu- menti IX, Taf. 42, publicirten chiusinischen Vase (Fig. 5). Hinsichtlich der Deutung derselben hat man sich bis heute noch nicht geeinigt, und doch steckt dahinter das ganze Geheimnis des technischen Vorganges in der antiken Weberei. Dagegen bedürfen die kugelähnlichen Gebilde, die unten in zwei Reihen unterhalb der Enden der Kettfäden sichtbar sind, keiner neuerlichen Erklärung, da dieselben längst als Gewichte (Zettelstrecker) erkannt worden sind, die dazu bestimmt waren, die Kettfäden stralT in ihrer verticalen Lage zu erhalten. Gerade die Einfachheit des in Rede stehenden Webstuhles, in dessen Zeichnung keinerlei störendes Beiwerk, wie an dem penelopeischen Web- stuhle jenes chiusinischen Vasengemäldes hineinschneidet, macht es zu einer verlockenden Aufgabe, die Frage nach der Art und Weise, wie die Hellenen ihre Gewänder gewebt haben, wiederum aufzugreifen. Diese Frage kann nicht mehr dem Aussehen des Webstuhles im Allgemeinen gelten; soweit sind ja die Ansichten schon geklärt, dass der antike Webstuhl, wie er uns im vaticanischen Virgil und auf jener Vase von Chiusi vorliegt, ein aufrechter gewesen ist'), auf welchem sich das fertige Zeug oben, die Vorrichtung zur Spannung der Kettfäden (d. i. die Zettelstrecker) unten befand"). Was bisher zweifelhaft und unentschieden geblieben ist, das ist, wie schon angedeutet wurde, die Frage, in welcher Weise, mittels welcher mechanischer Hilfsmittel und welcher Handgrilfe die Hellenen ihre Gewebe als Producte einer Kreuzung von Kette und Schuss herge- stellt baben. Diese Frage wollen wir im Nachstehenden auf Grund des bekannt gewordenen und Eingangs reproducirten Webstuhles zur Lösung zu bringen trachten. Die Untersuchung, die zu dieser Lösung führen soll, wird ausschließlich auf technologischern Material gebaut sein. lnwiefern die Stellen in der Litteratur der Alten, die sich auf Webstühle beziehen, und die zuletzt von O. Schröder (Zu den Webstlihlen der Alten, in der Archäol. Zeit. 1884, 16g ff.) behandelt worden sind, durch die Ergeb- nisse dieser Untersuchung eine Aufklärung finden: dies festzustellen, muss ich, weil außerhalb meiner Berufssphäre liegend, der philologischen Forschung überlassen. Soweit mir diese Stellen, die bisher so verschieden- artige Deutungen erfahren haben, bekannt geworden sind, vermag ich ') Dies braucht den Gebrauch wagrechter Webstuhl: bei den Hellenen noch nicht auszuschließen, wie dies auch J. Heierli in seinem vortrefflichen und höchst lichtvollen Aufsatz über IDie Anilnge der Weberei: (im Anzeiger für schweizer. Alterthumsk. 1887, S. 4:3 E.) auf Gnxnd einer theoretischen Untersuchung wahrscheinlich gemacht hat. ") Von der zweiten Art aufrechter Websmhle, bei denen das fertige Zeug unten aufgerollt wird, soll im Weiteren noch die Rede sein.