Fassen wir zunächst die gegenwärtigen thatsächlichen Zustände dieses für die Industrie, für die sittliche, ästhetische wie religiöse Bildung des Volkes hochwichtigen Gebietes in's Auge, so werden wir bald eine gleich unhistorische wie unnatürliche Erscheinung unserer Tage constatireni Beltlagenswerther als je hat eine breite Kluft zwischen der Künstlerwelt und der Kirche sich aufgethan. Nicht länger darf es verschwiegen werden, dass diesen beiden Großmächten des Idealismus nur zu häufig, gerade aufihrem speciüsch gemeinsamen Gebiete das segensreiche Band wechsel- seitigen Verständnisses fehle und dass dankenswerthe Ausnahmen auch hier leider die Regel nur bestätigen. Wenn die materiell ungünstige Lage unserer Künstler wie die in ihrer Dürftigkeit oft abschreckende Gestalt des kirchlichen Geräthes darüber noch einen Zweifel ließe, würde ein Hinweis auf die vatikanische Jubiläumsausstellung in Rom denselben lösen. An Ort und Stelle konnte dort gerade der österreichischen Abtheilung im bequemen Vergleich mit allen anderen Ländern des Erdkreises die nöthige Aufmerksamkeit geschenkt werden'); vergleichende Studien, die um so lehrreicher waren, als man bis zum Jahre 1888 nie die kirchlichen Cultus- und Kunstgegenstände der ganzen Welt so zahlreich vereinigt fand wie dort. Besonders stark vertreten waren Stickerei, Goldschmiede- kunst und Sculptur. In keinem Lande war man aber darauf ausgegangen, eine eigentliche officielle Kunstausstellung zu beschicken, sondern in frei- williger Begeisterung schenkte man, was für das Beste und Tauglichste galt, und dabei gab man sich selbst, wie man eben war. Naiv und unver- hüllt zeigten sich darum Vorzüge und Fehler, die auf streng censurirten Eliteausstellungen nicht zu Tage treten, wohl aber vorhanden sind. Darum waren es geradezu symptomatische Momentaufnahmen des thatsächlichen Zustandes unserer kirchlichen Kunst. Nur ein halber Trost aber ist es, dass die österreichisch-ungarische Abtheilung sich im Vergleich mit anderen Ländern, besonders Belgien und Spanien, beiWeitem nicht als die schlimmste präsentirte. Es zeigten sich gute Ansätze und mit den Geschenken der Souveräne sogar Arbeiten ersten Ranges; aber ebenso deutlich, ja drin- gende Abhilfe heischend war die große Zerfahrenheit und Zersplitterung köstlicher Kräfte und berufener Factoren, wodurch das gleichmäßige Erstarken des Guten und Schönen gehemmt wird. Könnten denn nicht, so wurde damals die Frage aufgeworfen, die kirchlichen Kunstvereine Oesterreichs mit den tüchtigen Akademien und Staatsmuseen zusammen arbeiten? Kirche und Staat seien gleich dabei interessirt und die Commis voyageurs seien am wenigsten dazu berufen, die Apostel kirchlicher Kunst zu sein! Eine womöglich noch entschiedenere Sprache hörten wir bald nach dieser Ausstellung durch die Kunstsection am letzten Wiener Katho- likentage führen. Man hat jener Resolution, die sich praktisch mit kirch- licher Kunst beschäftigte, wohl zu wenig Beachtung geschenkt. Mit aller nur ') Cf. Swnboda, Ein Weltbild kirchlicher Kunst. Puderborn, F. Schöningh, 1879. z x