25 natürlichen Ordnung sei; was unnatürlich, seelenlos ist, kann daher nie christlich sein und wird niemals den Forderungen der Kirche Christi entsprechen. Das wahrhaft Christliche ist auch das Leben gebende und nicht Carikirende und gerade die Kirche stellt die höchsten Anforderungen an die wahre Kunst. Es ist darum ein Hohn auf die vorgeschützte christ- liche Auffassung, was man, an missverstandenen Zeichen einer äußerlichen Frömmigkeitsform hängend, sowohl in unseren reich assortirten nchristlichen Kunstlädenu wie leider auch schon in den Kirchen so sehr zu sehen gewöhnt ist. Ja nicht erst einmal wurde eine wirklich künstlerische, indi- viduell aufgefasste Darstellung, weil sie dem vermeintlichen Typus nicht entsprach - für nicht religiös und unkirchlich gehalten! Dieser zur heil- samen Charakteristik nöthige Vorwurf der Geschmacksverbildung auf der einen Seite wird freilich, wenigstens für die Zukunft, durch die That- sache gemildert, dass kaum irgendwo so viel für die kirchliche Kunst und die Kenntniss ihrer Formen geschieht wie bei uns. Ebensowenig darf aber auch eine andere, für dieses Gebiet verhängniss- volle Beobachtung an unserer Künstlerwelt verschwiegen werden. Gleich unbestreitbar als kaum verständlich bleibt es, dass sich ein für kirch- {iche Zwecke arbeitender Künstler um die Bedürfnisse, Vorschriften oder Traditionen der Kirche theoretisch wie praktisch nicht kümmert. In Wien haben wir eine Kirche, welche für den Gottesdienst am Altar wie für die Predigt so gut wie unbrauchbar ist. Es mag überraschend klingen, das diejenigen Kirchenbesucher, welche dem Hochaltar im Hauptschilie am nächsten sitzen von demselben am wenigsten sehen, ist aber ebenso richtig wie dass in demselben Gotteshause die Schallwellen des Predigers ein derartiges Interesse für die reichverzierte Kuppel und die genial geglie- derten Umgangsgewölbe haben, dass man die Predigt eigentlich nur sehen, nicht aber hören kann. In der jüngten Zeit wurde ein Altarbau dem öffent- lichen Zwecke - ich sage absichtlich nicht Gebrauche- übergeben, dessen abstoßende, schleuderhafte Ausführung und Eintheilung alle kirchlichen berechtigten Anforderungen einfach ignorirt. Es braucht nicht erst be- wiesen zu werden, dass durch ein solches Vorgehen das Vertrauen zwischen Clerus und Künstler nicht wächst, wohl aber die für beide Theile traurigen praktischen Folgerungen der Entfremdung sich steigern. Es mag freilich auch der inneren Abkehr der Geister von den Idealen einer übernatürlichen Ordnung überhaupt zuzuschreiben sein, dass auch außer- halb der Kirchenmauern angeblich religiöse Werke des Meißels oder Pinsels die gähnende Kluft nur deutlicher machen. Doch nicht von dieser übel- verstandenen und noch weniger von der materialistischen oder antireli- giösen Tendenzkunst haben wir zu sprechen. Die der Kunst eingeborenen innersten Gesetze werden von selbst die consequente Erreichung dessen, was der Naturalismus anstrebt, unmöglich machen. Nicht von dieser inner- lichen Freiheit und zugleich Gebundenheit der Kunst an sich (so sehr auch die besondere Gottähnlichkeit künstlerischen Schaffens anziehen mag),