Für die Praxis nun können wir drei allgemeine Grundsätze fest- stellen: r. Wo keine traditionelle oder officiel kirchliche Bestimmung nachgewiesen werden kann, ist der Künstler "freie. z. Erscheint eine solche Vorschrift unsicher oder irgend ein Zweifel berechtigt, gilt das inquirendum est, d. h. es ist in den oben angeführten Werken und den Zusammenstellungen solcher Entscheidungen nachzuforschen oder es soll bei der entsprechenden kirchlichen Autorität angefragt werden; bleibt der Zweifel, so ist der Künstler frei - erkennt man aber, dass nicht förmliche Gesetze, sondern nur der Geist anderer, verwandter Vorschriften, Dies oder Jenes wünschenswertb erscheinen lassen, dürfte es der Künstler- natur wohl nicht schwer fallen, dem Geiste sich zu fügen. 3. Besteht aber irgend wofür eine autoritative Norm, sei es nun aus geschriebenen oder ungeschriebenen Quellen, so ist diese im richtigen, liturgischen und historischen Versländniss genau zu beachten. Nur zwingende Gründe können auch hier, wenn in der Entscheidung nicht ausdrücklich das Gegentheil gesagt ist, eine Ausnahme gestatten, wie z. B. von der tradi- tionellen Orientirung eines Kirchenbaues mit dem Altare nach Sonnen- aufgang, Abstand genommen wird, wenn der dafür vorhandene Bauplatz es verlangt. ' (Schluss folgt.) Ueber den Einfluss der Naturliebe auf die Entwicke- lung des Florentiner Reliefornamentes im 15. Jahrh. Von los. Folnesics. (Fortsetzung und Schluss.) ln den Umrahmungen von Lunetten und Medaillons mit Madonnen- darstellungen ist die Lilie als Symbol der Jungfräulichkeit ein beliebtes Decorationsmotiv; mit Rosen abwechselnd umkränzt sie das Tympanon Luca's ober der Kirchenpforte von San Pierino, und ganz besonders wirksam ist sie verwerthet in dem prächtigen Halbkranz, der die Ma- donnenlunette in der Via dell'Agnolo umgibt. Hier wie dort zeigt sich noch das Streben, in der Anordnung eine gewisse Symmetrie einzuhalten und blos im Detail volle Freiheit walten zu lassen. Dagegen bemerken wir an Luca's Medaillon mit dem Wappen des Königs" Rene im South Kensington-Museum, das vermuthlich vom Jahre 1453 stammt, bereits ein Hinneigen zu üppiger Fülle und malerischer Unregelmäßigkeit in der Anordnung des Kranzes, wie es von nun an Regel wurde. Luca's Neffe, Andrea, hält im Allgemeinen an den Traditionen seines Lehrers fest. Die symmetrische Anordnung der Früchte und Blumen hatte schon Luca in seinen späteren Arbeiten aufgegeben; Andrea lässt nun auch gelegentlich die feste architektonische Umrahmung des Kranzes bei Seite und legt denselben ohne sichtbares Gerüst um sein Relief. Merkwürdig genug finden wir in solchen Fällen, gleichsam als Rudera einstiger Architektur, akroterienartig angebrachte Palmetten, die ganz unvermittelt auf dem naturalistischen Kranze aufsitzen.