Langsam fortschreitend werden die Robbianischen Fruchtkränze immer reicher und üppiger. Auf dem Höhepunkte ihrer Entwickelung sehen wir sie bereits an dem berühmten Lavatojo in S. Maria Novella vom Jahre 1497, wo neben dem Kranz im Halbrund noch freistehende Putten üppige Gehänge tragen. ln den ersten Decennien des 16. Jahr- hunderts findet diese Gattung an den Medaillons am Spedale del Ceppo in Pistoia ihre Fortsetzung. Diese farbenprächtigen Umrahmungen bieten eine solche Fülle unmittelbar der Natur entnommener Details, dass sie den Kunsthistoriker förmlich auffordern, mit dem Botaniker über die Namen der Blätter, Blüthen und Früchte, die da vorkommen, zu Rathe zu gehen. Professor Josef Bayer hat in dieser Zeitschrift ') interessante Einzelheiten über die Pflanzenarten in jenen Frucbtkränzen mitgetheilt. Diesen zufolge sind außer den bereits erwähnten Pflanzen noch der Hibiscus, die gefüllte sowie die l-Ieckenrose, die Mohnblume, die Granat- blüthe und Primel deutlich zu erkennen. Das viele Grün bestreiten Pinie, Fächerpalme, Weinlaub, das Blatt der Erdbeere u. s. w. Von Früchten findet sich eine reiche Auslese: die Traube, die Citrone, der Granatapfel, der Mohn, die Gurke und andere bereits früher erwähnte Arten. Wir wären aber nicht berechtigt, die Naturliebe der Renaissance als wesentlichen Factor in der Entwickelung des Ornamentes zu bezeichnen, wenn sich dieselbe blos auf die angeführten Monumente beschränken würde. In ihnen gipfelt zwar diese Naturliebe, aber sie erschöpft sich nicht in diesen wenigen Arbeiten. Die Verwendung des natura- listisch nachgebildeten Pflanzenwuchses erstreckt sich vielmehr, an- geregt durch die decorativen Compositionen Ghiberti's und der Della Robbia, fortan auf die gesammte Decorationskunst. Wenige unter den reicher geschmückten Obiecten der italienischen Renaissance sind von nun an zu finden, an welchen nicht auch solche Zier in geringerem oder reicherem Maße Verwendung fände. Dadurch ergaben sich aber wichtige Consequenzen für das gesammte Decorationswesen. Dasselbe musste sich vor Allem, um mit den naturalistischen Bildungen nicht widerwärtig zu contrastiren, ebenfalls mit frischer Lebenskraft durchdringen. Auch hier musste der vegetabilische Charakter des Urbildes schärfer betont werden, auch hier musste der Künstler sich an die lebende Pflanze halten, und die Formen bei aller Stilisirung in gewissem Sinne zur Natur zurück- führen, von der sie einst ausgegangen waren. Da rin also liegt die wesentliche Bedeutung des Naturalismus für die decorative Kunst, dass sein Auftreten gleichsam eine neue Redaction der gesammten Ornamentik der Antike veranlasste, und aus dieser Umdeutung und Umbildung jener Schatz an idealen Pflanzen- formen hervorging, der die Decoration des r5. Jahrhunderts zur Höhe classischer Bedeutung erhob. ') Vergl; nMinheil. des k. k. Oeuerr. Museums-n 1888, Nr. 29 Hi.