Was den Inhalt betriEt, so sind die Quellen außerordentlich vielseitig herangezogen und mit bekannter Zuverlässigkeit benützt worden. Sie bringen für den Culturbistoriker sehr viel Neues, was er mühsam hatte zusammensuchen müssen; er ist also dem Ver- fasser sehr zu Dank verpflichtet. Das Gleiche gilt von den überaus zahlreichen Abbil- dungen, die viel Neues bringen, insbesondere aus schwer oder nicht für Jedermann zu- glnglichen Miniaturmanuscripten. Eines ist uns aber dabei aufgefallen. Das Buch soll das deutsche Leben im 14. und 1;. Jahrhundert darstellen, zahlreiche Bilder aber ge- hören schon dem 16. Jahrhundert an. Nun kann es ja in vielen Fallen richtig sein, dass die Sitte sich aus dem 15. in das 16. Jahrhundert hinübergezogen hat, wie z. B. eine Küche an dem Ende des einen Jahrhunderts nicht viel anders ausgesehen haben wird, als im Anfange des nachsten. ln anderen Fällen aber ist ein entschiedener Gegensatz vorhanden. Dies gilt von der Kunst, vom Gerath und ganz insbesondere vom Costüm. Es ist daher auffallend, Wenn der Umschlagtitel, der vom 14. und 15. Jahrhundert spricht, sich mit einer weiblichen Figur aus dem 16. Jahrhundert verziert, deren Costüm zu dem des 15. Jahrhunderts in einem totalen Gegensatze steht. Diese Ausgabe kündet sich auf dem Titel als die ngroffe Ausgabe-i an. Es soll ihr eine andere kleinere folgen oder vielmehr zur Seite gehen, eine Volksausgabe, welche von vielen Dingen gereinigt ist, welche nicht für Jedermanns Auge und Ohr sind, denn unser Werk enthüllt unbarmherzig in Wort wie in Bild alle moralischen Schwachen dieser wilden, zerfahrenen und ausgelassenen Zeit des spateren Mittelalters. Wenn diese kleinere Ausgabe noch nicht im Druck ist, möchten wir doch rathen, bei ihr die Capitel- eintheilung einzuführen, welche die große Ausgabe vermissen lässt. Auch ein Volksbuch kann sie brauchen. J. v. F. I Albrecht Dürer. Von Anton Springer. Mit Tafeln und Illustrationen im Texte. Berlin, G. Grote'sche Verlagsbuchhandl. 1892. 8". 184. S. M. 10. Aus meinem Leben. Von Anton Springer. (Grote'sche Sammlung von w Werken zeitgenössischer Schriftsteller, 59. Bd.) Berlin, G. Grote'sche Verlagsbuchhandl. 1892. 8". X, 387 S. M. 6. Es war bekannt, dass sich Springer seit Jahrzehnten mit dem Gedanken trage, dem größten deutschen Künstler eine Monographie zu widmen, wie er es bei dem Doppelgestirne am italienischen Kunsthimmel, bei Michelangelo und Raifael gethan hat. Die Vorliebe, mit welcher er während seiner letzten Lebensjahre Lionardostudien betrieb, hatte uns wahrscheinlich auch eine Lionardobiographie beschert, wenn ihm eine längere Arbeitsdauer vergönnt gewesen Ware. Denn Leben hieß bei ihm arbeiten und als eine Lebensarbeit dürfen wir auch das erstgenannte Buch über Dürer auffassen, von dessen früherer Verbientlichung der Verfasser durch die Rücksicht auf das Dürerbuch von Thausing abgehalten wurde. Bei der Verehrung, mit welcher wir Alle in Springer unseren Lehrmeister der Kunstgeschichte anerkannten, wurde begreiflicherweise seinem Dürerwerke mit größter Spannung entgegengesehen und dessen endliches Erscheinen mit Freude begrüßt. Hingegen muß der Wahrheit gemäll eingestanden werden, dass wir einigermaßen enttäuscht wurden, freilich aber liegt die Schuld hievon nur auf unserer Seite. Wir hatten gar zu viel erwartet und müssen uns jetzt mit einem Torso begnügen, weil der Tod dem unermüdlichen Autor die Feder aus der Hand nahm; das ist die einfache Erklärung der Mangel, welche dem neuen Buche anheften. Was zunachst auffällt, ist der Verlust jener hinreißenden Warme, mit welcher Thausing's iugendfrisch geschriebenes Werk sich auch in weiteren Kreisen grofle Anerkennung erwarb. Dagegen schrieb Springer sein Werk als hoch in den Sechzigern stehender Mann, dessen schweres Leiden begeisterten Schwung der Sprache Iahmte, dessen gereiftes Urtheil von der Warte des Lebens und der Wissenschaft ihn dafür auch vor den Fehlern bewahrte, welche Thausings fröhlicher Wagesinn in manchen Punkten seiner Darstellung verschuldet hat. So erhalten wir also von Springer eine durchaus auf solidestem wissenschaftlichen Grunde aufge- baute Zusammenfassung des heutigen Standes der Dürerforschung, eine Schilderung, deren ruhiges Vorscbreiten kaum einen Zweifel an ihrer Richtigkeit wird aufkommen lassen. Auch dort, wo uns wegen des Torsocharakters des Buches die schlagenden litterarischen und artistischen Belege vorenthalten sind, folgen wir vertrauensvoll der Führung Springefs, der uns die Entwicklung der Werke des Meisters von den ersten Keimen, von den Skizzen zu Zeichnungen angefangen und die Abspiegelung von der Natur des Künstlers in seinen Werken liefert. Wenn Thausing in manchem seiner Capitel einen gllnzenden Rahmen um die Persönlichkeit Dürcrs legt, so verzichtet dessen neuer Biograph auf weitere rulturgesehichtliche Schilderungen und concentrirt