412 heute nur mehr an Teppichen kaukasischer Herkunft wiederfinden. Die conservative Beibehaltung kufischer Schriftzüge müsste aber befremden in einem Lande, in welchem der Mohammedanismus und das arabische Element niemals eine so bedeutsame Rolle gespielt hat, wie in den übrigen Ländern des Orients. Ich bin daher geneigt, in den angeblichen Schriftzügen kaukasischer Teppichbordüren, die meines Wissens Niemand bisher gelesen und gedeutet hat, verschlungene Bandmotive zu erkennen, deren Vorbilder wir in den Bordürenornamenten georgischer und arme- nischerArchitekturdenkmäler aus dem Mittelalter zu erblicken haben dürften. Besondere Verbreitung im Abendlande scheinen seinerzeit die kleinen Teppiche mit gebrochenen gelben Ranken auf rothem Grunde gefunden zu haben, deren Bordüre von der Art der eben beschriebenen sie der kaukasischen Gruppe zuweist. Graf A. Enzenberg hat allein ihrer ein halbes Dutzend zur Ausstellung gebracht, das nachweislich seit 1770 sich im Besitze dieses gräflichen Hauses befindet. Die Mehrzahl der modernen persischen Teppiche weist das Herati- Muster auf, das zwar insbesondere den Ferahan- und Kurdistan-Teppichen eigen ist, aber auch über diese Landschaften hinaus einerseits nach Kho- rassan, anderseits nach dem Kaukasus Verbreitung gefunden hat. Dieses Muster stammt zweifellos aus der typischen persischen Rankenornamentik mit den großen Palmetten und Rosetten, die man als Schah-Abbas-Muster zu bezeichnen pflegt. In klar disponirter Rankenform ohne die verwirrenden Fllllsel zwischen den durch immer dieselben Glieder gebildeten Diagonal- bändern begegnen wir ihm auf älteren Fliesen. In der kleinblumigen, vielfach eckig stilisirten Form, in der es an den modernen Teppichen entgegentritt, ist es auf älteren Beispielen nicht nachzuweisen; es scheint dieses daher eine neuere Phase der persischen Teppichornamentik zu bezeichnen, wofür auf der Ausstellung ein datirtes und signirtes Stück (mit der Jahrzahl 1832 und dem Namen eines Kaschkai-Khans) eine wenn auch gewiss nicht absolute Grenze nach rückwärts andeutet. Die Lanzettblätter mit den vorguckenden Rosetten in den Diagonal- bändern des modernen Herati-Musters sind Lessing und Kumsch geneigt als pickende Vögel aufzufassen, und Kumsch macht sich sogar anheischig, zum Beweise hiefür einen älteren orientalischen Seidenstoff in der Dres- dener Sammlung beizubringen, an welchem der Vogel nicht zu verkennen wäre. Aber nach den alten Fliesen zu schließen, an denen das Lanzettblatt des Herati-Musters in keinem mir bisher bekannt gewordenen Falle mit einem Vogel verwechselt werden kann (verschiedene Beispiele bei Prisse d'Avennes), liegt es näher, das von Kurnsch erwähnte Beispiel als bisher ganz vereinzelt etwa auf Rechnung einer zufälligen Uebertragung zu setzen, und als das Typische, dem Motiv zu Grunde Liegende das Lanzett- blatt anzunehmen, dessen Ursprung übrigens nicht auf persischem, son- dern auf chinesischem Gebiete zu suchen sein dürfte: wenigstens lassen sich Lanzettblätrer mit vorguckenden Rosetten auf modernen chinesischen