Aber nicht minder deutlich als die religiösen Ueberzeugungeu unserer Zeit kennzeichnet der Obelisk unser Verhältniss zur Kunst. Wenn wir die Straßen des Friedhofes abgehen und nach Hunderten von kostbaren Obelisken kaum ein Grabmal zählen, das eine Anleihe an die Kunst macht, ist dieses statistische Verhältniss eine geradezu niederschmetternde Stichprobe für die Werthschätzung, welche unsere Kunst genießt, ein monumentaler Beweis, dass sie nicht Herzenssache unserer Zeit ist. Man umgibt sich rnit ihren Werken, weil sie den Lebensluxus erhöhen, man beschäftigt sich -- wenn wir absehen von jenen gewöhnlichen Fällen, wo das Interesse für sie nur eine grobe Bildungslüge ist - mit ihrer Geschichte in dem ehrlichen Streben, die Gesetze des Werdens und Ent- stehens auch auf diesem Gebiete zu erforschen. Aber flüchtet man zur Kunst als einer Trösteriu in den Zeiten des Schmerzes und des Un- glückes? Gerade von jener Stelle, wo sie ihre versöhnende Kraft aus- üben sollte, verbannt man sie und eben derselbe Mensch, der sich im Leben sein Heim mit ihren Schöpfungen vollgefüllt hat, wählt für sein letztes Heim als einzigen Schmuck die Kunstlosigkeit, weil er fürchtet, dass an jener ernsten Stelle, die Aufrichtigkeit und Wahrheit abzwingt, die Kunst nichts anderes sagen könnte, als eine Phrase in Stein. in directem Gegensatze zum Obelisken steht eine Gattung von Grab- mälern, die in ihren gothisirenden Formen ein gemeinsames Kennzeichen trägt und als Typus des Grabmales der Frommgläubigen gelten darf. Sowie die Kirche in unserem Jahrhundert mit Vorliebe für ihre Bauten auf einen Stil zurückgreift, der mit antiken Elementen noch nichts zu thun hat, dem modernen Geistesleben, das mit dem Auftreten der Re- naissance seinen Anfang nimmt, also fremd gegenüber steht, so versetzt sich der fromme Sinn auch außerhalb der Kirche noch gerne in die Formenwelt der imponirenden Kathedralen des 13. und 14. Jahrhunderts zurück und entnimmt ihnen, meist ohne jedes tiefere Verständniss, die künstlerischen Motive. Diese Denkmäler ergehen sich in allen Formen gothischer Steinmetzarbeit vom einfachen abgeschrägten und abgekanteten Pfeiler, der in flacher Nische den Gekreuzigten, ein Marienbild oder eine andere religiöse Darstellung trägt, bis zum filigrangezierten thurmartigen Aufbau und zur vollständigen gothischen Kapelle. Hier wie dort bildet die Architektur die Hauptsache, Sculptur oder Malerei wird mehr noch wie jene handwerksmäßig durchgeführt. Auch in dieser Art von modernen Grabmälern spricht sich der Charakter des Verstorbenen deutlich aus. Ihm gilt die Kunst mehr als dem Verehrer des Obelisken, aber der zeitge- nössischen Kunst steht er so ferne wie den leitenden Ideen der Gegen- wart oder er glaubt, dass ihr der Ernst zur Lösung der von ihm gestellten Aufgabe fehlt. Er sucht auch nicht die Kunst an sich und empfindet keine wahre Liebe für sie, sie ist ihm nur die dienstfertige Sclavin seiner religiösen Anschauung. (Fortsetzung folgt.)