463 rumänischen, norwegischen, deutschen, ungarischen und orientalischen Stickereien und Gewebe. Die Frage ist culturgeschichtlich so wichtig, dass sie geeignet ist das Interesse auch weiterer Kreise zu erwecken. Von der altclassischen Textilkunst war bis vor zwei Jahren äußerst wenig bekannt; kaum etwa zehn Stück Lappen, die in den Museen zu Nürnberg, Kopenhagen, St. Petersburg und in einer Kirche der Schweiz aufbewahrt wurden, waren der gesammte factische Ueberrest der Gewebe aus dem Alterthum'). Aus der byzantinischen Epoche hatte sich mehr erhalten, und zwar vollkommen wohlerhaltene Fragmente, allein dies waren Ueberreste königlicher und priesterlicher Gewänder"); - von der unabsehbaren Masse von Geweben, welche so vielen Generationen zum täglichen Gebrauche dienten, und von deren Schmuck war keine Spur übrig geblieben. Was an Letzterem auf den Mosaikbildern von Rom, Ravenna, Constantinupel und Tessalonichi sich bis zu uns herüber rettete, sind wieder nur Motive aus den höchsten Kreisen der damaligen Gesell- schaft; von bürgerlichen oder bäuerlichen Gewändern, Teppichen, Sticke- reien blieb uns keine Kunde, geschweige denn ein Fragment, aus welchem wir auf die Textur des Gewebes oder die Ornamentation desselben schließen könnten. ' Wir alle, die wir uns für naiv-originelle Kunsterzeugnisse inter- essiren, begrüssten mit großer Freude die schönen nationalen Ornamente, als die Handarbeiten unserer Bäuerinnen entdeckt wurden, und nahmen es gerne gläubig hin, dass deren Schönheiten unser ausschließliches Eigenthuru seien. Theils angeregt durch unsere diesbezüglichen Publi- cationen, theils aus eigener Initiative begannen später auch andere Nationen ihre heimischen Erzeugnisse zu sammeln und die Producte ihres Haus- gewerbes in Museen aufzubewahren. Wir traten mit diesen fremden Museen zu Tauschzwecken in Verbindung und stellten in unserem Kunst- industriemuseum eine kleine Sammlung kroatischer, norwegischer, unga- rischer und siebenbürgischer, wie auch rumänischer Textilerzeugnisse zusammen. Diese Collectionen zeigen nun, wie wir bereits erwähnt, in Vielem eine vollkommene Identität der künstlerischen Motive und Technik. Schon seinerzeit, als uns lediglich nur die Publication und die hausindustriellen Sammlungen des Oesterr. Museums bekannt waren, vermutheten wir, dass die Theorien einiger russischer Schriftsteller zu weit gingen, welche die Verwandtschaft der künstlerischen Motive aus der Gemeinsamkeit der indoeuropäischen Völketschaften in ihrer ursprüng- lichen Heimat herleiteten. Was uns durch die Entdeckungen Dr. Schlie- mann's aus sehr alter Zeitperiode bekannt geworden, beweist uns, dass wir die Originale der vollendeteren Formen der Hausindustrie nicht in I) Vergl. Semper, Die textile Kunst, Q. 145 u. (f. Frankfurt 1860. ") Publicirt von F. Boclt. _