MITTHEILUN GEN DES K. K. OESTERREICH. MUSEUMS KUNST UND INDUSTRIE. Monatschriü für Kunstgewerbe. Herausgegeben und redigirt durch die Direction des k. k. Oesterr. Museums. im Commissionsverlag von Cnrl Geroltfs Sohn in Wien. Abonnementspreis per Jahr H. 4.- Nr. 52. (295.) WIEN, April 1890. N. F. V. Jahrg. Iulult: S. Bernwatdus von Hildesheim in seiner Zeit. Von Prof. Dr. W. A. Neumunn. - Die Gobelius- Ausstellung im Oeuterr. Museum. Von Alois Riegl. (SchlussJ - Angelegenheiten des Oeuerr. Museums und der mit demselben verbundenen Institute. - Litteralurbericht. - Bibliogrnphie des Kuustgewerben. S. Bernwardus von Hildesheim in seiner Zeitt"). Von Prof. Dr. W. A. Neumann. Eine der lieblichsten Gestalten, welche die neuere deutsche Litteratur geschaffen hat, ist die Praxedis im Romane Ekkehard von J. Victor Scheffel. Praxedis vertritt am Hofe der schwäbischen Herzogin Adelheid das byzantinische Element, das ja während des g. und IO. Jahrhunderts unleugbar in Deutschland eine veredelnde Rolle spielte. Uns interessirt die Scene, wie Praxedis dern rathlosen Ekkehard zu Modell steht, w-Macht die Augen auf, seht Euch das Leben an", so hat sie dem Mönche gesagt. Ja, wenn sie diese Worte in ihrer Heimat Byzanz irgend einem Künstler gesagt hätte, er hätte sie ebenso schwer verstanden, als es auf dem Hohentwiel dem deutschen Künstler schwer fiel, aus dem orakel- haften Spruche klar zu werden. In Byzanz hatte sich seit dem 6. Jahr- hundert der Schatz der Typen festgesetzt, wohl hatte sich die Naivetät der Antike noch erhalten, aber es handelte sich, da einmal die Dar- stellungs- und Auffassungsweise der heiligen Gegenstände, ja selbst der kaiserlichen Ceremonienbilder - Scenen aus dem Hofleben - für immer fixirt war, doch nicht mehr urn ein freies, phantasievulles Schaffen und Darstellen der verschiedenen Thatsachen der heiligen und profanen Ge- schichte, sondern zu allertneist nur um Ausschmückung der inhaltlich ') Vortrlg, gehalten im k. k. Oeslerr. Museum am I0. Februar 1890. Jahrg. 1890. 7