U1 Die Gobelins-Ausstellung im Oesterr. Museum. Von Alois Riegl. (Schluss) Die Wirren, die der Abfall der Niederlande im Gefolge hatte, brachten die Entfaltung der Brüsseler Teppichwirkerei, wie wir sie in der ersten Hälfte des Jahrhunderts in stetig aufsteigender Linie beob- achten konnten, vorläufig zum Stillstande. Eine zweite nicht minder glänzende Periode brach an, als die Neuconsolidirung der bei der spa- nischen Herrschaft endgiltig verbliebenen südlichen Provinzen unter einem einsichtsvollen und kunstliebenden Statthalter jenen erneuten Aufschwung der künstlerischen Thätigkeit hervorgerufen hatte, in dessen Mittelpunkte Peter Paul Rubens steht. So wie der Antwerpener Meister von der ersten Hälfte des 17. Jahrhs. ab mitsseiner Eigenart den Kupferstich beherrscht, so tritt uns derselbe auch an den Werken der großen Brüs- seler Wirkereifirmen bis weit in die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts übetmächtig entgegen. Angesichts der wuchtigen Darstellungsweise dieses Meisters war für die subtile Art der früheren Wirkerei mit ihren Gold- lichtern kein Raum mehr: das vorher so reichlich angewendete Gold tritt in Folge dessen fast vollständig zurück. Auch diese zweite Glanzperiode der Brüsseler Teppichindustrie hat auf der Ausstellung mehrfache Vertretung gefunden. Unmittelbar nach Cartons von Rubens sind die Teppiche aus dem Cyklus des Decius Mus gearbeitet. Derselbe wurde öfter wiederholt und Exemplare davon finden sich in den meisten Gobelinsammlungen Europas Auf der Ausstellung sind zwei Serien vertreten: eine aus fürstl. Schwarzenbergkchem Besitze, gearbeitet von der Compagnie Jan van Leefdael-Gerard van der Streken (1647-1677), von denen auch die gemeinsame Ausführung eines Marcus-Antonius-Cyklus bezeugt ist, und eine andere (Fürst Liechtenstein), die sich von der vorhergehenden nur durch die geänderte Bordüre unter- scheidet. Es ist überhaupt ein Kennzeichen der entwickelten, auf Markt- vorrath arbeitenden Brüsseler Fabriksthätigkeit vom 17. Jahrh. ab, dass dieselben Cartons immer wieder von Neuem ausgeführt wurden, wobei bezeichnender Weise nur die Bordüre entsprechend dem wechselnden Modegeschmack eine Veränderung erfährt, während in den figürlichen Darstellungen selbst die Wandlung des Stils nur sehr allmälig zum Aus- druck kommt. Nach dem Ausgang: der Rubens-Schule hatte die niederländische Historienmalerei den Brüsseler Wirkern nichts Rechtes mehr zu bieten. Diese letzteren wandten sich hierauf folgerichtig an die im Reiche Luclwig's XIV. neu erblühte Malerschule, und in Folge dessen tritt die Brüsseler Wirkerei von nun an in zunehmendem Maße in das Verhältniss der Abhängigkeit von Frankreich. Auch wenn einheimische Maler den Carton besorgten, so verrathen ihre Werke deutlich die Anlehnung an