122" zeichnung, ganz abgesehen von der technischen Mangelhaftigkeit dieser Erzeugnisse im Vergleiche zu den ihnen vorhergegangenen. Ich habe, so lange von der Renaissance die Rede war, bisher blos italienischer und französischer Bucheinbände erwähnt; aber diese stehen auch oben an und lassen Alles, selbst das Beste, was Deutschland ge- leistet, hinter sich. Vor Allem muss bei den deutschen Erzeugnissen auffallen, dass selbst die hervorragendsten unter ihnen in der Regel keine reinen Hand- vergoldungen sind, sondern mittelst Stanzen hergestellte Eck- und Mittel- theile aufweisen. Es lässt sich aber kein größerer Contrast denken, als diese beiden Techniken so unmittelbar und naiv nebeneinander gestellt! Die künstlerische Einheit mangelt deshalb einer solchen Decke vollständig. Auch hinsichtlich der Detailbildung, insbesondere in Bezug auf den ornamental-richtigen Stempelansatz an den Bogendruck, erreichen die deutschen Arbeiten keineswegs ihre französischen Vorbilder. Dagegen muss eine fast durchaus gute ornamentale Flächentheilung und correcte technische Behandlung den meisten deutschen Einbänden zuerkannt werden. Für Deutschland bedeutet der 3ojährige Krieg den Verfall auch in der Buchbinderei, deren Blüthezeit, da sie erst mit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ihren Anfang nimmt, in Deutschland kürzer währt als in Frankreich. Zwar machen sich Anzeichen einer neuen naturalistischen Richtung noch später bemerkbar, aber dieser deutsche Realismus ist von bäuerlich-roher Ausgestaltung und steht weit hinter dem eines Eve zurück. Von einem wirklichen Neuaufschwunge kann erst nach langer trost- loser Unterbrechung in unserer Zeit die Rede sein. Aber auch diesmal eilt dem Deutschen Reiche Frankreich (neben ihm wohl auch England) voran, in welchen Ländern seltsamerweise deutsche Meister, wie Purgold und Trautz in Paris, Zähnsdorf in London, der Buchbinderei zu den schönsten Erfolgen verhelfen, lange bevor Leipzig seine bekannte gegen- wärtige Führerrolle in Deutschland angetreten hat. In Wien fällt der Anfang einer höchst beachtenswerthen, ja in unserenTagen hervorragend gewordenen Entwickelung derßuchbindereiund Lederwaarenfabrication in die Fünfziger Jahre, somit in jene Zeit, welche für den gesammten kunstgewerblichen Aufschwung in Oesterreich be- stimmend war. Da ist vor Allem Ch. Girardet zu nennen, dessen Be- ziehungen mit Paris deshalb von dem größten Einflusse wurden, weil er bei seinen Arbeiten die vortreElichen französischen Stempel zur Verwen- dung brachte. Für Girardet zeichnen Künstler wie Van der Nüll, J. Storck, Hieser senior. Nach Girardet sind, der Zeitfolge nach, zunächst sein Schüler Habenicht (T), welcher durch die Anwendung der Handver- goldung auf die Meerschaumwaare eine ebenso originelle als stilfeine Neuerung bringt, dann F. Rollinger, dessen Firma noch heute des- selben Rufes sich erfreut wie in jener Zeit, Wunder und Kölbel