234 der Luft, ihre Ausführung sei unabwendbar, und wenn Frankreich nicht darangeht, eine solche Ausstellung in's Leben zu rufen, so wird es Deutschland oder England thun. Die Beziehungen der orientalischen Teppichfabri- cation zu dem europäischen Abendlande. Von Alois Riegl. (Schluss) Wir unterscheiden bekanntlich zwei Hauptgattungen von orientali- schen Teppichen: gewirkte und geknüpfte. Die gewirkten stehen in Bezug auf ihre Herstellung so ziemlich auf der untersten Anfangsstufeder tex- tilen Kunst. In eine ausgespannte Kette werden die Einschlagfäden un- mittelbar durch die menschliche Hand eingeflochten. Es ist dies die Technik der Wirkerei, mittelst welcher noch heute die größten textilen Luxuswerke, die Pariser Gobelins, hergestellt werden: im Wesentlichen reine Handarbeit. Der Unterschied zwischen solchen gewirkten Teppichen aus dem Orient, den sogenannten Kilim, und den Gobelins liegt bloß in der Verschiedenheit der beiderseits dargestellten Inhalte. An den orien- talischen Kilim ist dieser Inhalt ein rein ornamentaler, häufig auf bunte Streifen beschränkt, darüber hinaus aber hauptsächlich aus geometrischen Configurationen zusammengesetzt, wogegen die Gobelins förmlicheWand- gernälde mit historischen, biblischen, Genrescenen u. dgl. zur Darstellung bringen. In Bezug auf die praktische Verwendung stimmen Kilim und G0- belins darin liberein,dass sie beide wenigstens ursprünglich nicht zum Boden- belag, also nicht als Fußteppiche benützt werden sollten. Doch dient das Kilim dem Minderbemittelten auch als Unterlage zur Schlafstätte. Die Go- belins sind im Wesentlichen bloße Wandbehänge, oder wenn in kleineren Dimensionen gehalten, Rticklaken für Sitzmöbel. Dagegen ist die Verwen- dung des Kilim als Decke eine weit ausgedehntere. Zurn Bodenbelag erscheint es in der Regel nur dann benützt, wenn die Einschlagfäden nicht continuirlich fortlaufen, sondern häufig unterbrochen sind und ihre Enden mehrere Centimeter lang auf der Rückseite herabhängen lassen. Durch diese herabhängenden Fadenenden wird nämlich das Wollgewebe soweit verdickt, dass es auch als Fußteppich dienen kann. Heutzutage wird das orientalische Kilim bei uns mit Vorliebe für Portieren benützt, und zur Deckung des großen Bedarfes massenhaft durch den Handel ein- geführt. Da müssen wir nun gleich fragen, warum man das Kilim bei uns nicht im Lande erzeugt hat, nachdem ia doch seine Technik, wie die Gobelins beweisen, mindestens vom späteren Mittelalter an, in ganz West- und Mitteleuropa wohlbekannt war. Von technischen Schwierig- keiten kann dabei gar keine Rede sein, da doch die Gobelingemälde den einfachen Kilim gegenüber wahre Kunstwerke bedeuten. Die Antwort