Nach der Natur. Momentbilder von Dr. A. Vianna de Lima. Berlin, Artistische Union: E. K. Müller St Co. Mappe I. M. 36. Die Originalaufnnhmen, nach denen diese fünfzehn Blltter in Lichtdruck (I8 zu 241 Centimeter Plattengrbße) von J. Schober in Karlsruhe vortrelflich ausgeführt sind, haben in den Kreisen der Fachmänner einhellige Bewunderung erregt. Gewiegre Photo- graphen erklären es in ihren Versammlungen und Zeitschriften für v-unbegreillichr, wie Dr. Vianna Bilder von solcher Größe in einem Minimum von Zeit (je nachdem '[, bis l], Secunde) mit einer solchen Wahrheit und Feinheit in den Halbtönen bei größter Scharfe der hohen Lichter und der Schatten herzustellen vermag. Liegt demnach hier eine außerordentliche technische Leistung vor, so interessirt uns mehr der neue Beweis, dass der Photograph Künstler sein muss und in welchem Grade er dies sein kann. Jedes Blatt verdient nämlich die Bezeichnung Bild ebenso sehr wie irgend ein Gemälde. Die Vorwürfe sind mit Ausnahme des nirischen Madchensu von der Nordseeküste Dane- marks und Schleswig-Holsteins hergennmmen; einige Blätter zeigen uns charakteristische Kopfe in mehr als halber Lebensgroße, eines sSonnenuntergang in der Marscht, eine Landschaft mit urenig Stalfage, die Mehrzahl aber Gruppenbilder, wie sie eben nur ein Künstlerauge componiren konnte. Da kehrt eine Familie vom Marltte zurück, da ziehen Fischer ein Boot auf den Strand, da lugen zwei Weiber, deren Kleider und Kopi- tücher im Winde Hattern, nach den heimkehrenden Booten aus, da patschen Buben in der noch niedrigen Flut herum und suchen Muscheln, da träumt ein im dürren Strand- hafer gelagertes nHaidekindm ln allen diesen Bildern ist köstliche Stimmung. Als ganz besonders gelungen aber sind die folgenden zu nennen. Der schon erwähnte Sonnenunter- gang über dem ruhigen Wasserspiegel und den Halligen am Horizont hat vollig farbige Wirkung. Zwei Matrosen arn Bord eines Kahnes: der altere weist mit entschiedener Bewegung auf einen Punkt am Horizont als das Land, der jüngere strengt sich an, in dem Dunst eine Form, zu entdecken, beide so sprechend in Haltung und Gesichtsaus- druck, dass das Bild keiner Erklärung bedarf. Eine Frau sitzt am Spinnrade, die Commode aus dem vorigen Jahrhundert. die Katfeeschalen, sicherlich englisches Stein- gut, die Blumentöpfe vor dem kleinen Fenster, der Bilderschmuck, das Wochenblatt- chen, und vor allem Typus und Kleidung der Spinnenden sagen uns, dass wir in die Wohnung eines Schillers blicken, der ohne Zweifel wieder auf hoher See ist. Ein Gegen- stück: ein Alter, mit wetterhartern, kummervollem Gesichte, neben ihm die Frau, die Stirn in die Hand gestützt, sitzen in der Dorfkirche, man erkennt die graue Tünche des Holzwerkes so deutlich wie die Kleiderstolfe der Beiden und errath, dass eine Trost- predigt gehalten wird, und dass der Sohn dieses Alten, der Gatte der Frau, von einer Fahrt nicht heimgekehrt ist. Dann die Dorfschule, mit einem Dutzend lesender Buben, ein Meisterstüclt wegen der Beleuchtung durch das Fenster im Rücken der Gruppe. Endlich das allerliebste vAm Scheidewegeu, ein sandiger Fahrweg, vom Meere landein- wärts führend, theilt sich im Vordergrunde, links eine Kieferngruppe, rechts zerstreute strobgedcckte Häuschen, im Hintergrunde eine Bucht unter leicht umflortem Sommer- himmel; den Mittelpunkt bildet eine Rothkäppchenügur, ein baarfnßiges Mädchen, das, die Augen mit der Linken beschattend, die Schrift an dem hohen Wegweiser zu ent- ziffern bemüht ist.- Diese Blätter lehren, dass die reine, volle Natur in Freiluft wieder- gegeben werden kann, ohne dass der Gegenstand uninteressant oder abstoßend zu sein braucht. B. i- Die Burgunder Tapeten irn historischen Museum zu Bern. Vnn Jacob Stammler, röm.-kathol. Pfarrer in Bern. Mit Abbild. Bern, Huber St Comp., 1889. 105 S. 8". M. 2. ln Bern hat sich die Localtradition festgesetzt, dass einige der wichtigsten Stücke des stldtischen Museums aus der Beute stammen, welche die Schweizer im Jahre 1476 zz. Juni in der Schlacht bei Murten den Burgundern abgenommen haben. In Bezug auf den kostbaren sogenannten Feldaltar Karl's des Kühnen hat Stammler im Jahre 1888 die Unrichtigkeit der Localtradition nachgewiesen. Wir haben diese Studie im Jahrgang 1888 S. x94 der nMittheilungenu gewürdigt. Nun ist der fleißige und emsig nachfor- schende Mann an einen andern Schatz desselben Museums herangetreten, an den sich dieselbe Tradition geheftet hat. Er gibt eine auch in technischer Beziehung genügende Beschreibung desselben, stellt eine interessante Erklärung der Darstellungen auf und sagt hinsichtlich der Provenienz, dass die Localtradition nur in Bezug auf die blos mit Wappenhildern dessinirten Teppiche theilweise Recht habe: sie stammen wohl aus der Burgunderbeute, aber nicht vom Kampfe bei Murten, sondern bei Granclsnn (z. März); die übrigen Teppiche aber sind keine Schlachtbeute, sondern 1337 allesammt aus dem Dome von Lausanne nach Bern übertragen worden. Was Stammler über die Trajans-