47 Vorlesungen im Museum. t Reg-Rath Prof. Dr. F. X. v. Neumann-Spallart behandelte an zwei auf ein- ander folgenden Abenden (30. Novbr. und 7. Decbr.) den wEinfluss der Krisis des Jahres 1873 auf lndustrie und Kunstindustrieu. lm ersten Theile der Vor- trage wurde die Ausbreitung dieser grossen wirthschaftlichen Krankheit ttber alle Theile der Welt geschildert. Wie die meisten ihrer Vorgängerinnen ist auch die Krisis des Jahres 1873 aus einer Störung des Gleichgewichts zwischen Erzeugung und Verbrauch hervorgegangen; aus einer Ueherproduction und Ueberspeculation, welche in solchem Um- fange eintraten, dass die Krisis den Charakter einer chronischen und allgemeinen Erkran- kung des ganzen Wirthschaftslebens angenommen hat. Von der Wiener Borse beginnend nahm dieselbe ihren Lauf um die ganze Welt; nicht blos Oesterreich-Ungarn, sondern auch die Börsenplätze in Italien, Russland, hierauf in chronologischer Folge New-York, Berlin, London wurden davon ergriffen und von den Börsen erfolgte die Ausbreitung mehr oder weniger in allen Geschäflskreisen der betroffenen Gebiete bis in die La Plata- Staaten, nach Peru, Chili und Australien. Der Vortragende zeigt nun an der Hand ebenso zahlreicher als interessanter statistischer Daten, dass die Ursachen und Wirkungen der Krisis im Welthandel und in der Weltindustrie auf das Deutlichste zu verfolgen und mit pathologischer Sicherheit nachzuweisen sind. Er schildert die unhaltbare Uebertreibung der Umsätze des gesamrnten Aussenhandels vom Jahre 1870 bis 1873 und macht dasselbe in einem grossen Curventableau ersichtlich, welches das steile Aufsteigen der Linien des Welthandels irn Vergleiche zu der normalen sanften Hebung in früheren Jahren (1860 bis 18701 darstellt. Er führt die ungeheuere Ausdehnung des Credit- und Umlaufswesens, die Ueberstürzung im Eisenbahn- und Schiffbau als Vorboten der Krise an und bespricht in allen diesen Beziehungen den seit 1873 erfolgten raschen Niedergang und die Stagnation der Jahre nach der Krisis. Hierauf wendet er sich den analogen Erscheinungen in der Eisenindustrie und in der Kohlenproduction zu, welche wieder durch graphische Darstel- lungen dem Publicum illustrirt werden; dann einer Schilderung der Lage der Textil- industrien, welche verhaltnissmassig weniger ergriffen wurden, und einiger Nebenindustrien. Für diese sei namentlich das Sinken der Marktpreise seit t873 nach einer ungeheuren Hausse, wie es in Betreff des Londoner und Hamburger Marktes vom Vortragenden in grossen Diagrammen für die Zuhörer ersichtlich gemacht ist, die eigentliche Gefahr und die Ursache von Klagen. lm zweiten Theile wendet sich Prof. Neumann-Spallart den Wirkungen der Krisis in Oesterreich, speciell dem Einßusse derselben auf das Kunstgewerbe zu. Er schildert die Symptome des Ausbruches und die eigentliche Wurzel desselben: das Grundungswesen und die Spielsucht des ganzen Volkes. Leider sei die Krisis nicht auf jene Kreise beschränkt geblieben, welche sie verschuldeten, sondern sie griff rasch um sich und erfasste das ganze gewerbliche und sociale Leben. Er erlautert die Ursachen dieses Eindringens in die scheinbar solidesten Gebiete des Unternehmens, verweilt aus- führlich bei den nindustriellen- Gründungen der Jahre 1871-1873 und wendet sich den einzelnen besonders betroffenen Zweigen zu: der Eisenindustrie, Kohlengewinnung, ein- zelnen Textilindustrien. Dies führt ihn auf die im Bekleidungswesen angewendeten und die anderen Arten des Kunstgewerbes. Die Abnahme der Erzeugung von Seidenstoffen, Bandern, Modewaaren, künstlichen Blumen, Bobbinets. Entoilagen u. s. w. wirft ein ebenso düsteres Licht auf das Sinken der allgemeinen Kaufkraft. wie der vollständige Stillstand auf dem Gebiete der Gold-, Silber- und Juwelenarbeit. Der Vortragende scl1il- dert, anknüpfend daran die bedauerliche Situation der übrigen Kunstgewerbe, besonders der Bronze- und Metallwaaren-Technik, der Ledcrgalanterie-, Drechsler- und Schnitzerei- Arbeiten, welchen insgesammt der innere Markt fehlt und deren Absatz nach aussen eben- falls durch die allgemeinen Zeitverhaltnisse sehr beschränkt worden ist. Nur ganz allmalig und mit dem Eintritte eines friedlichen Aufschwunges in ganz Europa sei auch für Oenter- reich eine bessere Zeit zu hoffen. Reg-Rath v. Falke eroßinete am 18. Januar einen Cyclus von Vorträgen über die vIDBhOIDCÖQHJSChC Kunst in lndiem, welcher am 25. Januar und 1. Februar fort- gesetzt wurde. Er knüpfte an seine vorjahrigen Vortrage über die arabische Kunst in Spanien an und wies auf die merkwürdige Erscheinung hin, dass die Kunst des Islam, wahrend sie im aussersten europäischen Westen verfiel und uuterging, im fernen asiati- schen Osten - in Indien - zu neuem Aufschwung und neuer Bluthe gedieh. Bevor er aber auf die Kunstwerke einging, die unter mahoinedanischer Herrschaft in lndiein ent- standen sind, besprach Reg-Rath v. Falke in seinem einleitenden Vortrage die einhei- mische altindische Kunst und die grossartigen, merkwürdigen Denkmale derselben, welche einerseits in der tausendjährigen Epoche des Buddhaismus und andererseits nach der Wiederherstellung des Brahmaismus von der mächtigen Philosophensecte der Jainas - der nZauberbaumeister-i _ errichtet worden sind. Der Vortrag eröffnete den Zuhdrern