kirchliche Zwecke bestimmt waren, deutlich zu bemerken. Allerdings muss man sagen, dass gut behandelte polychrome Figuren überhaupt eine Seltenheit sind, und dass es in ganz Europa jetzt wenige Künstler gibt, welche die Farbe bei Holzfiguren richtig anzuwenden wissen. Hervor- ragende Bildhauer, die sich mit der Holztechnik beschäftigen, gibt es nur wenige, und bei der geringen Verwendung von Holzfiguren in der kirch- lichen und Civil-Architektur ist es begreiflich, dass eine geringe Neigung vorhanden ist, sich dieser Technik zu widmen. Helfen wir, dass in nicht ferner Zeit die allgemeine Zeichen- und Modellirschule in Innsbruck so erweitert wird, dass sie den verschiedenen Zweigen der heimischen Kunst- technik, besonders den Baugewerben, ausgiebige Hilfe zu geben in der Lage sein wird. So wie das Steinmaterial für Architektur und Plastik in Tirol nicht genügend ausgebeutet wird, ebenso verhält es sich mit dem Holzmateriale. Die Zirbelkiefer, welche in den Hochregionen Tirols so vortrefflich ge- deiht und zu Schnitzarbeiten aller Art mit besonderem Vortheil verwendet werden kann, verdient von Seite der Waldcultur eine viel grössere Be- achtung, als sie in der That erfährt. So ist es gekommen, dass im ganzen Grödener Thale das Zirbelholz bereits aufgebraucht wurde, und die Be- wohner dieses Thales darüber klagen, dass sie nunmehr gezwungen sind, das Rohmaterial zu ihren Schnitzarbeiten von weither zu beziehen. Bei dem angeborenen Talente, welches die Bewohner Tirols für jedwede Kunstbildung haben, ist es begreiflich, dass die Zahl jener, welche Malerei und Bildhauerei betreiben, dort eine viel grössere ist, als in irgend einem anderen Lande. Diese Ueberproduction an Künstlern bringt Erscheinungen eigenthümlicher Art zu Tage. In München und Wien lebt eine ganze Colonie von Tiroler Künstlern; auch an anderen Orten, in Rom, Paris u. s. f. findet man solche, insbesondere Bildhauer, welche in den verschiedensten Ateliers beschäftigt sind. Die hervorragend- sten Tiroler Künstler leben gegenwärtig ausserhalb des Landes. Unter jenen, welche in der Kunstgeschichte einen hervorragenden Platz ein- nehmen, waren es vor Allen Deutschtiroler, die eine bedeutende Rolle spielten, wie die Maler Donner, Angelika Kaufmann, Koch, Blaas, die Bildhauer Zauner, Klieber, Medailleur Pichler. Für die Wälschtirnler hat immer Venedig eine ganz besondere Anziehungskraft gehabt; von Ales- sandro Vittoria bis Strudel begegnet man ihnen hier, während sie im ver- Hossenen Jahrhundert auch in Wien, Prag, Salzburg u. s. f. zahlreich zu finden waren. Wie die ganze kunstbegeisterte Jugend Tirols nach auswärts und aufwärts strebt, theilweise ohne sich über die Zielpunkte des Kunst- berufes klar zu sein, ohne selbst einen Beruf für höhere Kunstleistungen zu besitzen, so nennt sich auch in Tirol jeder, der ein Bischen schnitzen kann, Bildhauer, der aquarelliren kann, mit Vorliebe Maler, auch uKunstmalet-u, welche Neigung zum Künstlerthum zwar ihre Lichtseiten, noch mehr aber Schattenseiten hat.