dennoch sein eigenes Verdienst noch ein ganz bedeutendes bliebe, denn Alberti war nicht mehr im Stande seine eigene Erkenntniss noch weiter auszubilden, noch weiter zu steigern, sondern versank von der Höhe seiner Theorie, welche mit einem Male das Wesen aller Zeichenkunst von diesem technischen Standpunkt aus klar delinirte, "als die auf einer Fläche mittelst Linien und Farben zu Stande gebrachte künstliche Dar- stellung eines Querschnittes der Sehpyramideu ') wieder herab zu seinem Ausgangspunkte, nämlich zu einer Proportions- und Sehwinkellehre wie bei Euclid und seinen Nachfolgern. Noch einen Schritt weiter zu thun und den richtig in's Auge gefassten Querschnitt nun auch als Schnitt geo- metrisch zu construiren, gelang Alberti nicht mehr. Dies wird zuerst von P. d. Franceschi geleistet. Auch diese Methode findet sich bei Dürer wieder bei den Perspec- tivlehren bis Ende des vorigen Jahrhunderts fasst ausschliesslich und als leichtere Methode zur Einführung in das Verständniss der Sache bis auf den heutigen Tag. Eine bestimmte Annahme der Distanz, des Hori- zontes u. s. w. ist dieser Methode gleichfalls schon eigen. Die Summe der nach dieser Methode von P. d. Franc eschi im dritten Theile seines Buches dargestellten Objecte ist höchst merkwürdig. Auf die einfache Construction von zwei Grundrissquadraten folgt die Construction eines Ringes mit Hilfe von 96 Punkten in 12 Querschnitten, hierauf die Zeichnung eines schief auf eine Spitze gestellten Würfels; die Perspective einer attischen Säulenbasis, eines korinthischen Kapitäles, zahl- reicher menschlicher Köpfe in den verschiedensten Stellungen und Ver- kürzungen und zuletzt eine Serie von Rotationskörpern in Perspective. Als erstes Beispiel dieser letzten Gruppe erscheint nichts Geringeres ge- wählt als eine Innenansicht der Pantheonkuppel sammt Cassetten; hier- auf die richtige Perspective der Kugel und zweier Gefässe. Die Aufzählung des blossen Inhaltes genügt wohl schon, die unge- meine Bedeutung dieses Buches zu zeigen; die Erklärungen sind jedoch so naiv, so gemeinverständlich, wie dies bei einem Erstlingswerk, das die ganze Mühe des Erfxndens und Klarrnachens der schwierigen Probleme noch in sich trägt, beinahe selbstverständlich, so dass das Buch in einfacher Uebersetzung noch heute eines der besten und brauchbarsten Lehrwerke darstellen würde. Dasselbe würde vielleicht von Künstlern sogar mehr gelesen als unsere modernen Lehrwerke, die vom Leser schon eine gewisse mathematische Disciplinirung des Denkens voraussetzen und daher zum Schaden der Kunst nicht so vielfach studirt werden, als es geschehen sollte. Was nun noch die Stellung des Werkes in der Entwicklungs- geschichte der Perspective betrifft, so ist diese auch zufolge der zwei an- geführten Methoden des Construirens interessant. Die Perspective hat sich nämlich thatsächlich auf zwei Wegen getrennt entwickelt, auf dem Wege ') Sieh: Quellenschriften zur Kunstgeschichte XI.