356 den Gebiete Fachmann sein oder nicht - bei einer solchen Organisation des Gewerbelebens versteht es sich natürlicherweise von selbst, dass die Lebenskraft der Werkstatt keine grosse ist. Nicht wenige unserer heutigen Handwerker sind Unternehmer, Speculanten, die mit ihrem Gelde mani- puliren, die aber selbst ein Gewerbe zu betreiben nicht im Stande sind. Mit der soliden bürgerlichen Werkstätte ist eine Schulorganisation aller- dings nicht vereinbar, welche den Jungen zwingt bis zum vollendeten 14. Lebensjahre auf der Schulbank zu bleiben. Diese Schulgesetzgebung stimmt vollständig zusammen mit jener Organisation im Gewerbeleben, wornach Jeder ein Gewerbe betreiben kann, ohne etwas davon zu ver- stehen. Beide Zustände beschleunigen nur den Niedergang des Gewerbes. Wird hingegen eine Organisation des Gewerbestandes angebahnt, wodurch es möglich ist, die Werkstatt wieder neu zu beleben, so wird von selbst das Schulgesetz eine veränderte Physiognomie annehmen müssen, und bei einer solchen Organisation wird auch in einem gewissen Kreise von Schulen die Lehrwerkstätte ihren rechten Platz Enden. Kein Staat der Welt wurde die Geldmittel auftreiben können, um die Werkstattlehre durch Lehrwerkstätten zu verdrängen, denn das ist nach meiner unmess- geblichen Meinung absolut unmöglich. Wohl kann eine grosse Anzahl von Schulen, speciell Gewerbeschulen, gut organisirte Lehrwerkstätten haben und zugleich die Werkstattlehre ergänzen. Diese Frage der Lehr- werkstätten und der Werkstattlehre führt aber auf ein ausserordentlich weites Gebiet, das zu vertreten ich weder die Bestimmung habe, noch hinreichend Fachmann bin, um hier in Details urtheilen zu können. Ich wende mich daher jenen Fragen zu, welche das Kunstgewerbe und das lnteresse der kunstgewerblichen Schulen berühren. (Fortsetzung folgt.) Literaturhericht. Venetianische Musterblälter aus dem XVI. Jahrhundert für Passementerie- Arbeiten und verwandte Techniken. Nach dem Original-Musterbuche im Besitze der Bibliothek des k. k. Oesterr. Museums, von demselben herausg. Wien r879. Commissionsverlag von F. Patermfs Nachfolger. Dieses neuestens von dem k. k. Oesterr. Museum herausgegebene Musterbuch bringt auf 29 Tafeln Vorbilder für Passernenteriearbeiten und für jene Techniken, in welchen Schnürchen, Borten oder Bändchen in fortlaufender Linie zur Anwendung kommen. Des- gleichen enthalten dieselben reiche Motive für Schnur- und Litzenbenähung, für Point- lace-Arbeit und Klöppelspitzen, welche von Musterzeichnern mit Nutzen verwendet wer- den konnen. Der von der k. k. Hof- und Staatsdruckerei bestens besorgten photo-litho- graphischen Nachbildung liegt die in der Bibliothek des Museums befindliche Original- ausgabe des zweitcn Theiles des Musterbuches i-Le Pompe-r, Venedig 1562, zu Grunde. Repertorium für Kunstwissenschaft. Redigirt von Dr. Hub. Janitschek und Dr. Alfred Woltmann. II. Band. z. Heft. Stuttgart, W. Spemann, 1879. Nach längerer Unterbrechung erschien soeben das z. Heft von Band ll des rnRe- pertoriums für Kunstwissenschsft-i, das erste seit dem Personenwechsel in der Redaetion desselben. Das Heft enthält nebst dem Literaturbericht und einer sorgfältig gearbeiteten