[20 Es lässt sich also der geschichtliche Gang der Buchbinderei im Osten wie im Westen so ziemlich übersichtlich verfolgen. Für die neueren Zeiten seit der Erfindung der Buchdruckerei sind auch die Länder geschieden, und es lassen sich die charakteristischen Merkmale der italienischen, deut- schen, französischen Einbände sehr wohl wahrnehmen und studiren. Selbst Spanien und England fehlen nicht. Dazu kommen nun noch zwei 'beson- dere Zweige der Buchbinderei. Den einen bilden die mit Silber, Gold, Email, Filigran geschmückten Einbände, zu welchen die Ambraser Sammlung_ jedenfalls das Beste gestellt hat. Aber auch das Museum hat bereits einen kleinen Vorrath in dieser Art gesammelt, und nicht minder sind von anderen Sammlungen oder Privaten schöne Beispiele zugeflossen. Mit dem anderen Zweige sind die orientalischen Einbände gemeint, verschiedene Korane, Dichterwerke in goldgepresstem und zum Theile gefärbtem Leder oder die bekannten persischen und indischen, mit Blumen und Figuren in Lackmalerei geschmückten Buchdecken. Das Beste zu diesen Zweigen haben die kaiserliche Familien-Fideicommiss-Bibliothek, die fürsterzbischöf- liche Bibliothek zu Kremsier und Baron Nathaniel von Rothschild gestellt. Das ungefähr ist die ältere Abtheilung, welche den ganzen vorderen Saal einnimmt. Es schien aber lehrreich und nothwendig, neben dem Alten auch das moderne Gewerbe, wie es ist, eben so gut vertreten zu haben. Es schien nothwendig, nicht bloß um zu sehen, wie heute gear- beitet wird, welche Richtungen und Wege der modernste Geschmack ein- schlägt, sondern weil erst aus der Zusammenstellung und Vergleichung mit voller Klarheit sich ergibt, was an sich gut und schlecht ist und wie das Alte oder was von ihm zu moderner Verwendung fruchtbar gemacht werden kann. Es lag vollkommen in der Absicht (die hoffentlich Niemand verstimmt), das bücherfreundliche Publicum darüber aufzuklären und zu unterrichten, wie man heute arbeitet und wie in alten Zeiten gearbeitet worden. Aus diesem Grunde ist von der modernen Fabrication auch das- ienige nicht ausgeschlossen worden, was wir für verfehlt erachten müssen, vorausgesetzt, dass es in seiner Art bedeutend oder charakteristisch und lehrreich genug ist, um uns auch die verkehrten Wege kennen zu lehren. Da es nun leider Wien nicht ist (die oben erwähnten Prachteinbände ausgenommen), welches in der modernen Buchbinderei den Ton angibt, so musste man sich vor Allem Beiträge zur Ausstellung von jenen Orten zu verschaffen suchen, welche als die Führer, sei es nun auf guten oder schlechten Wegen, zu betrachten sind, das ist London, Paris und Leipzig. Was bis jetzt vorhanden ist, und mehr noch wird erwartet, das ist ganz gut geeignet, eine Uebersicht über die gegenwärtige Leistung in künst- lerischer wie technischer Beziehung zu geben. Die modernste französische Buchbinderei ist recht gut vertreten, allerdings noch nicht direct von den französischen Buchbindem selber, wohl aber durch die Vermittlung der Kunstfreunde und Buchhandlungen, so durch den Fürsten R. Metternich und durch Gerold ä Comp. und Lechner, desgleichen durch das Oesterr.