Mittheilunuen des k. k. üeslerreiuh. Museums
KUNST UND INDUSTRIE.
Monatschrift für Kunst und Kunstgewerbe.
Am 1. eines jeden Monats erscheint eine Nummer. Abonnementspreis per Jahr H. 4.-
Redacteur Eduard Ohmolarz. Expedition von C. Gerold" Sohn.
Man abonnirt im Museum, bei Gerold Cornp., durch die Posxanstalten, sowie durch
alle Buch- und Kunsthundlungen.
Inhalt Die lzliederösmrreichische Gewerbe-Ausstellung 1880. Ein neues Gebiet für künstlerische
Reformen. Von Dr. Karl R. v. Enderes. Die gewerbliche Fschschllle für G0ld-, Silbcr- und
Juwelicrarbeiler und für Graveurc in WienJ Von R. v. E. Technolugisches Gewerbzmuseum
in Wien. Section für Holzindustrie. Die Restauration der Kanzel des St. Stefans-Domes.
Von Karl XYeiß. Literaxurbcricln. Kleinere Mixtheilungen.
Die Niederösterreichische Gewerbe-Ausstellung IBBO.
Die Rotunde im Prater, welche in den verflossenen sechs Jahren gar
mancherlei Zwecken diente, hat heuer wieder eine, ihrer ursprünglichen
entsprechende Bestimmung erhalten. Das weitläufige Gebäude wurde einst
errichtet, um die Industrie des ganzen Erdbodens aufzunehmen; von dem
allein übrig gebliebenen Mittelbau hat nun die Industrie eines einzelnen
österreichischen Kronlandes Besitz ergriffen. Aber in diesem einen Kron-
lande, dessen Hauptort zugleich Hauptstadt der Monarchie ist, laufen
naturgemäß auch die Fäden gewerblicher Thätigkeit des ganzen Reiches
derart zusammen, dass es gleichzeitig eine industrielle Individualität und
ein Mikrokosmos genannt werden darf. Mittelbar oder unmittelbar stehen
die zahllosen Fabriken und Werkstätten, welche über dieses weite Reich
ausgesäet sind, unter der geistigen Leitung Wiens; das Netz von Schienen-
wegen, Wasserstraßen undTelegraphen, welches den Güterverkehr zwischen
Centrum und Peripherie vermittelt, würde Vertausendfacht noch nicht ein
Bild jenes Systems von Bahnen, Canälen und Leitungen, des Nerven-
und AderngeHechtes geben, durch welches die Arbeit der Provinzen in
ununterbrochenem Rapport mit Wien erhalten wird. Bis zu einem gewissen
Grade wird daher eine niederösterreichischc Ausstellung immer eine öster-
reichische überhaupt sein.
Vielleicht stärker als sonst irgendwo treten diese Beziehungen im
Kunstgewerbe hervor. Naturproducte, Neigung und Geschick der Bewuhner
lassen in bestimmten Gegenden bestimmte Industriezweige sich entwickeln,
Vvm. au. ISSO.
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welche in der Hauptstadt nicht ihre Lebensbedingungen vorrinden würden;
künstlerische Eigenart gibt den Erzeugnissen irgendeines Ortes ein origi-
nelles Gepräge aber auch wenn eine Industrie sich isoliren wollte, würde
sie es nicht vermögen. Um nicht zurlickzubleiben und zu verkümmern,
muss sie die innigsteBerührung mit dem geistigen und geschäftlichen
Mittelpunkte suchen.
So ist denn auch manches Stück dieser Ausstellung ziemlich weit
von Wien gemacht worden. Aber wenn die Brennöfen, die Glashütten, die
Hammerwerke und die Holländer in Böhmen, Mähren, Oberösterreich etc.
stehen, so sind die Erzeugnisse so gut Erzeugnisse der niederösterreichi-
schen Industrie, wie die Wiener Möbel aus amerikanischem Holze; denn
von hier aus sind die Hände und die Maschinen in Bewegung gesetzt
worden, der Sitz der künstlerischen, finanziellen, kaufmännischen Geschäfts-
leitung der Etablissements ist Wien.
Wenn wir aber speciell des Antheils gedenken, welchen die Central-
regierung durch Gründung oder Subventionirung von Schulen an dem
Aufschwunge der Kunstindustrie in ganz Oesterreich hat und auch mit
Befriedigung den Einfluss der Thätigkeit des Oesterr. Museums und der
Kunstgewerbeschule constatiren, so sind wir in der angenehmen Lage nur
zu wiederholen, was in den letzten Wochen von allen Seiten ausgesprochen
worden ist. Es wird sich noch Gelegenheit ergeben, auf die directe Be-
theiligung derjenigen Künstler hinzuweisen, welche an der Kunstgewerbe-
schule lehren und der Industrie geschulte Kräfte liefern, aber gleichzeitig
dieser ihr schöpferisches Talent zur Verfügung stellen.
Das Oesterr. Museum sah sein Verhalten zu dem Unternehmen von
vornherein durch die Aufgabe vorgezeichnet, welche der Anstalt über-
haupt gegeben ist. Zur Jubiläumsfeier des Niederösterreichischen Gewerbe-
vereins ins Werk gesetzt, begegnete die Ausstellung zu Anfang manchem
Widersptuche. Bei der Discussion über die Frage der Opportunität durfte
das Museum neutral bleiben; aber als die Gewerbetreibenden selbst sich
mit großer Mehrheit für das Unternehmen erklärten und der Gewerbe-
verein den Wunsch aussprach, das Museum in der Commission vertreten
zu sehen, betrachtete dieses die Förderung der Ausstellung innerhalb
seines Kreises als Pflicht. S0 ist es denn auch uns gestattet, die Genug-
rhuung an dem sagen wir es offen über Erwarten gelungenen
Werke zu theilen.
Se. Majestät der Kaiser, welcher die Gnade hatte, die Niederöster-
reichische Gewerbe-Ausstellung am 17. Juli in Person zu eröffnen, hat
in huldvollster Weise den Leitern des Unternehmens und zahlreichen
Ausstellern Anerkennung ausgesprochen. In der Tagespresse Endet dieses
Urtheil freudigen Widerhall. Die Beweise liegen vor Aller Augen, dass
die Ungunst der Zeiten den Muth und den Fleiß unseres Gewerbestandes
nicht gelähmt hat. Die Weberei, Stickerei und Spitzenfabrication, die
Metalltechnik in edlen und nichtedlen Metallen, die Möbeltischlerei und
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Wohnungseinrichtung, die Glasfabrication und Glasmalerei, die Keramik,
die Ledertechnik, die graphischen Künste und manche andere Zweige
legen in der Ausstellung Zeugnisse des rühmlichsten Vorwärtsstrebens vor,
und zwar sind es beinah in allen Gruppen nicht mehr Vereinzelte, die mit
Solidität der Arbeit die stilvolle Forrn und Decoration zu vereinigen wissen.
Hoffen wir, dass das Publicurn nicht bloß um eine Schau zu halten
sich, wie es vom ersten Tage an gethan, in die Ausstellung drängen,
sondern dass Arbeit und Opfer der Aussteller auch den verdienten Lohn
finden mögen! B.
Ein neues Gebiet für künstlerische Reformen.
Von Dr. Karl R. v. Enderes.
S0 groß die Anzahl der Gewerbe oder der Gruppen von Gewerben,
welchen die Kunst rathend, helfend und fördernd zur Seite steht, auch
sein mag, so ist damit die Zahl jener Gewerbe, die der Kunst ein mehr
oder weniger weites und noch uncultivirtes Feld erfolgreicher Einfluss-
nahme bieten, die sogar des vereclelnden künstlerischen Momentes drin-
gend bedürfen, noch lange nicht erschöpft. Luxus- und Gebrauchsgegen-
stände der verschiedensten Art und Bestimmung, wie sie von der TextiL,
Leder- und Papierindustrie, den graphischen Künsten, den mannigfaltigen
Holz-, Metall-, Bronze- und Eisenindustrien, der Keramik, Glasindustrie,
Glas- und Lackmalerei, der Steinschneiderei und Schleiferei, der Juwelier-
und Goldschmiedekunst hervorgebracht werden, haben von dem Momente
an und insolange bei ihrer Hervorbringung künstlerische Grundsätze ein-
gehalten wurden und künstlerischer Geschmack maßgebend war, im Leben,
Verkehre und Handel ganzer Länder und einzelner Städte eine Bedeutung
gewonnen und behauptet, welche vorher selbst von den zunächst Bethei-
ligten nicht geahnt worden war. Es liegt aber kein Grund vor anzu-
nehmen, dass nicht auch andere von Künstlern und Kunstverstiindigen
bisher noch niemals oder höchstens in einzelnen Ausnahmsfällen in Be-
tracht gezogene Gewerbe, bei welchen die Schönheit des Productes
eine grosse Rolle spielt, eben solcher Veredlung und damit zugleich
materieller Hebung fähig sein sollten, wie die eben angeführten. Dies
wird gewiss um so leichter möglich sein, wenn die wichtige Grundlage
hoher technischer Entwicklung und Vollkommenheit schon vorhanden ist,
und noch überdies die Industrie, um die es sichhandelt, vorzugsweise
dem Luxus also den Bedürfnissen und Wünschen reicher Leute zu
dienen hat.
Die industrielle Gruppe, zu deren Gunsten ich die Hilfe und Mit-
wirkung der Kunst anrufen möchte, ist diejenige, welche die zahlreichen
und sehr verschiedenartigen Gewerbe umfasst, deren gemeinsame Erzeug-
nisse die Luxus-Wägen, -Pferdegeschirre und -Reitzeuge sind
8.
Ein flüchtiger Blick auf die ganze Reihe von Gewerben, die bis zur
vollkommenen Fertigstellung eines eleganten Wagens, Pferdegeschirres
oder Reitzeuges in Action treten müssen, scheint mir nicht überflüssig zu
sein. Der Hauptantheil der Arbeit am Wagen fällt dem Wagner, hie
und da auch vStellmacherw genannt, zu; er stellt den ganzen Körper,
die selten vorkommenden eisernen Wägen ausgenommen, her, und besorgt
so wie der Maurer den Rohbau des Hauses, den Rohbau des Wagens.
Der Schmied verfertigt die stärkeren und gröberen Eiscnbestandtheile
oder verbindet sie mit verschiedenen Holztheilen. Hieher gehören allerlei
Beschläge, Klammern, Bänder, die Radreife, Federn, Achsen, Schmier-
büchsen, Brems- oder Schleifvorrichtungen u. s. w. Feinere Eisen- und son-
stige Metalltheile werden von Stahlarbeitern, Feinzeugschmieden,
Sparern, Gürtlern, Bronzearbeitern und Giessern, Plattirern
und Spänglern angefertigt; sie liefern allerlei kleinere Beschläge und
Zierrathen, Schnallen, die Thürklinken, Laternen, Deichselspitzen sammt
Bügeln, Steigbügel, Gebisse, Kinn- und andere Ketten und dergleichen
Dinge; Gold- und Silberarbeiter, Drechsler und Bildhauer ver-
fertigen Griffe und Knäufe von Reitpeitschen und Stöcken. Die Textil-
industrie ist in höchst mannigfaltigerWeise betheiligt; den verschie-
denen Zweigen der Weberei obliegt die Herstellung der Sitzüber-
züge, zu welchen verschiedene Seidenstoffe, Sammt, Plüsch, Tuch und
verwandte Gewebe übrigens auch oft Leder verwendet werden, dann
der Teppiche, Decken und Kotzen, mannigfacher Bänder und Borten.
Fransen, Quasten, Rosetten Schnüre werden vom
Stickereien, wie Wappen, Embleme, Monogramme und dergleichen auf
Satteldecken und Schabraken in Seide, Gold und Silber, vom Kunst-
sticker angefertigt. Der Sattler überzieht gewisse Theile des Wagens
mit Leder, wie das Dach und den oberen Theil der Seitenwände bei allen
nicht stabil geschlossenen oder otfenen Wägen, und die Kothflügel; er
verfertigt die Spritzleder, Peitschenhalfter oder Schuhe. Sättel und Reit-
zeuge werden meist von eigenen, den venglischenu Sattlern, Pferde-
geschirre von Riemern, Peitschen, Reitpeitschen und Reitstöcke von
eigenen Peitschenmachern fabricirt, doch vermischen oder vereinigen
sich alle diese Gewerbe oft in den Händen eines Unternehmers. Am
stärksten fällt die Arbeit des Lackirers in die Augen. Wappenmaler,
Kürschner mit Pelzdecken und Pelzverbrämungen ja gelegentlich
er bei Schlittengeschirren finden ebenfalls Be-
schäftigung,
Die Production aller dieser zusammenwirkenden Gewerbe an Wägen
und Geschirren ist in Oesterreich, beziehungsweise in Wien und einigen
Städten Mährens, noch heute eine sehr namhafte, wenn gleich der Export
merklich weniger schwungvoll betrieben wird, als vor einigen Decen-
nien. Die "Wiener Wägenu haben heute in fremden Ländern, nament-
lich im Oriente, dessen Markt sie ehemals ausschließlich besaßen, nicht
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mehr den exclusiven Anwerth wie früher; die Concurrenz anderer Fabri-
cationen macht sich höchst fühlbar. Der Grund hievon möchte schwerlich
in einer großen Preisdifferenz zu Ungunsten unserer Producte zu suchen
sein, wohl auch nicht darin, dass etwa unsere Wagenindustrie zurück-
geschritten wäre, was keineswegs der Fall ist, weit eher aber darin, dass
sie nicht genug rasch und energisch vorgeschritten ist, dass sie sich zwar
nicht hinsichtlich der Solidität, wohl aber hinsichtlich der Eleganz, und
was vielleicht noch wichtiger, hinsichtlich der wahren Schönheit über-
üügeln ließ. Ich nehme hier den Begriü nelegantu als ziemlich identisch
mit vmodernu an, wovon ich ßschöni- sehr scharf unterschieden wissen
möchte. Immerhin genießt aber die Wiener Wagenindustrie noch zur
Stunde einen so hervorragenden Ruf, dass es wohl nicht allzuschwer
fallen kann, ihn wieder auf seine alte, ganz eminente Höhe zu bringen.
Und dazu könnte, wie ich fest überzeugt bin, die edlere Schwester der
prosaischen Industrie, die Kunst, hilfreiche Hand bieten, ganz abgesehen
davon, dass es auch ohne solche materielle oder wirthschaftliche Rück-
sichten, für Kunst und Künstler eine würdige Aufgabe ist, eine ganz
neue Gattung von Producten des Gewerbeileißes zu sich emporzuziehen,
dieselben gleichsam zu idealisiren.
Die Wiener Wagen sind meist solid gearbeitet, bequem, für ihre
speciellen Zwecke wohl geeignet und auch nicht übertrieben theuer; sie
sind auch eleganter oder moderner Facon, aber einem nur einigermaßen
besseren Geschmacke vermögen weder die gerade am meisten üblichen
Formen, noch die Zierrathen, fast niemals die Ueberzüge der Sitze, und
am allerwenigsten die Farben zu genügen. Leider bin ich weder aus-
übender Künstler noch Kunsttheoretiker, und daher durchaus nicht im
Stande auch nur annähernd ein Programm aufzustellen, wie vorgegangen
werden müsste, um ein künstlerisches Moment in die Wagenfabrication
zu tragen, allein immerhin will ich versuchen anzudeuten, inwieferne
dieses meiner Anschauung nach geschehen könnte und sollte.
Ich bin überzeugt, dass Jeder, der nur einigen Schönheitssinn und
einige Phantasie besitzt, wenn er einen der landläuiigen eleganten Wagen
aufmerksam betrachtet, sich denselben schöner geformt, reicher und besser
verziert, geschmackvoller austapezirt, und in hübscheren Farben vorzustellen
vermag. Nehmen wir als Beispiel einen bestimmten, allbekannten, überdies
besonders hässlichen Typus, den sogenannten englischen Kutschirphaäton;
er gilt unter den ganz leichten, offenen, zum Selbstkutschiren, bestimmten
Wägen fast allein für uelegant-i; und doch kann man sich schwerlich
etwas Hässlicheres denken, als den steifen, länglich viereckigen Kasten mit
den zwei flachen Sitzen und deren winzig niedrigen, aus lackirten oder
mit schwarzem Lackleder überzogenen Stäben, bestehenden Lehnen. Muss
denn ein Wagen, welcher dem Luxus, dem Vergnügen des Spazieren-
fahrens und Lenkens feuriger Rosse dient, in der Zeichnung seines Kastens
aus lauter horizontalen und verticalen geraden Linien mit scharfen Ecken
und Kanten dazwischen bestehen? Gewiss nicht, er würde seinen Zweck
ganz eben so gut erfüllen und dabei einen weit schöneren Anblick ge-
währen, wenn er in geschwungenen Linien gezeichnet wäre. Ebenso ist
es durchaus nicht nothwendig, dass die Speichen aus gänzlich kahlen,
glatten Stäben bestehen; man glaubt, indem man die Speichen und übrigen
Theile des Rades so schwach im wFleischeu oder Körper macht, als mit
der nothwendigen Festigkeit nur immer vereinbar ist, dem Wagen das
Ansehen größter Leichtigkeit zu verleihen; wenn aber dort, wo die
Speichen in die Felgen den Kranz des Rades und in die Nabe den
inneren, das Ende der Achse einschließenden Körper eingelassen sind,
leichte, graziöse, plastische Ornamente, z. B. Laub- oder Blattwerk an-
gebracht wären, so würde das Rad und mit ihm der ganze Wagen des-
halb noch keineswegs schwerfälliger aussehen müssen, und wäre dies der
Fall, so wäre damit nur bewiesen, dass die Ornamente unpassende oder
ungeschickt angebrachte seien. Dasselbe gilt von der ganzen Nabe, ins-
besondere auch von dem verticalen Verschlusse derselben nach Außen,
der immer und immer wieder aus einer möglichst blank polirten Metall-
platte besteht.- Um ein Weniges bessere Formen zeigen die sogenannten
Damenphaötons und die ihnen nahe verwandten Damen-Kutschirphaätons,
letztere ohne Dach und Kutschbock. Die Damenphaätons sind jene der-
zeit mit Recht sehr beliebten leichten, mit halbem umlegbaren Dache
versehenen innen zweisitzigen Wägen ohne Seitenthüren und mit abgerun-
detem Boden, wie sie im Sommer auch vielfach bei den Wiener Fiakern
unter der ganz unrichtigen Bezeichnung nNeutitscheinerw- im Gebrauche
stehen. Die Grundform dieser Wägen involvirt an sich schon meist ge-
schwungene Linien, doch hat man auch da nicht ermangelt, höchst über-
flüssige und unschöne eckige Formen einzuschmuggeln. Unter den eigent-
lichen Kaleschen, die ja nach Form und Bestimmung mit den verschie-
densten Namen bezeichnet werden, besitzen manche eine leidliche Zeich-
nung, andere aber unglaublich steife oder plumpe Formen. Namentlich
die sogenannten Landauer ehemals verstand man hierunter gewisse ganz
geschlossene Wägen, viersitzige mit zwei ober der'Mitte des Wagens
zusammenschließbaren Halbdächern versehene Wägen, die so lang und
breit sein sollen, dass vier Personen sehr bequem, zur Noth auch fünf
oder gar sechs darin Platz finden, zeigen nicht selten eine Schwerfällig-
keit, namentlich unnöthige Tiefe des Kastens, die weit weniger auf wirk-
liche Bequemlichkeit der Fahrenden, als darauf berechnet scheint, dass ein
solcher Wagen auf das Auge der Passanten nur ja den Eindruck größter
Opulenz und Vornehmheit machen solle. Solche Wägen machen mir
immer den Eindruck von ambulanten Badewannen, in welchen vier Per-
sonen bis über die halbe Brust eingetaucht sitzen. Und ganz ähnliches
ließe sich über die zahllosen Formen geschlossener Wägen sagen, würde
aber hier allzuweit führen. Nur bezüglich einer Art von eigentlich ge-
schlossenen, aber als ganz offene dienenden Wägen möchte ich noch einige
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Bemerkungen machen, weil dieselbe, wenn gleich sehr langsam, doch auch
bei uns niodern izu werden anfängt. Es sind dies die wStage-coachesß,
nichts anderes als die schon halb vergessen gewesenen vierspännigen Reise-
wagen, jedoch mit einer besonderen aus England stammenden Eigenthüm-
lichkeit, nämlich der, dass diese Wägen auf dem Kutschbocke, hinter
demselben, auf dem Dache, und ganz rückwärts, für acht bis zwölf Per-
sonen, innen jedoch, imigeschlossenen Kasten, nur für vier Personen Sitz-
plätze darbieten. Die Engländer erinnern sich nämlich trotz aller Vor-
theile der Eisenbahnen noch immer mit Behagen an das ehemals übliche,
heitere und vergnügliche Reisen auf der Outside einer Stage-coach, und
haben die letzteren für Vergnügungsfahrten reicher größerer Familien oder
Gesellschaften von Freunden, über Land, zu Wettrennen u. dergl. bei-
behalten, wobei die wenigstens im Sommer unangenehmen Innenplätze
lediglich der Dienerschaft zugewiesen werden. So blieben die Stage-
coaches bis heute en vogue, und der hochvornehme Londoner Four-in-
hands-Club Club der Vierspännigfahrenden bedient sich ihrer fast aus-
schließlich. Nichtsdestoweniger sind diese Wägen lediglich modern, keines-
wegs aber sehr schön oder sehr zweckmäßig, wie eine Vergleichung der-
selben mit den, ähnlichen Zwecken dienenden, weit leichteren und hüb-
scheren französischen Char-ä-bancs unwiderleglich darthut; letztere sind
bei uns freilich kaum mehr anderswo zu sehen, als in Frohsdurf.
Zur Anbringung plastischer Zierrath en und Ornamente
bieten nicht blos der Kasten des Wagens, sondern auch des letzteren
mannigfache Nebenbestandtheile und nicht rninder die Pferdegeschirre die
vielfältigste Gelegenheit. Es gibt da so vielerlei leere Flächen, Leisten,
Kanten, Vorsprünge, Nägel- und Schraubenköpfe, an den Sitzlehnen, Ge-
ländern, Kolhüügeln, Laternen, Scheuledern, Riemen, Gurten und Ge-
bissen der Geschirre, an den Sätteln und Steigbügeln, dass es einem nur
einigermaßen dazu begabten Künstler nicht schwer fallen kann, phantasie-
volle, stilgerechte und einheitliche plastische Verzierungen in Fülle anzu-
bringen. Thatsächlich versucht man dies hie und da schon jetzt, allein
die zumeist plattirten oder messingenen-Knäufe, Buckeln, Beschläge,
Ringe, Kronen, Monogramme und Wappen, welche Verwendung-finden,
erheben sich ebensowenig über das Niveau der handwerksmäßigen Scha-
blone, als die Quasten, Schnüre, Fransen, Behänge, Schleifen u. s. w.,
welche ebenfalls vielfach angebracht werden.
Die Sitzüberzüge, Fußteppiche und Decken zum Einhüllen
der Beine, werden zwar oft von sehr theueren Stoßen, aber nur selten
von wahrhaft schönen, hergestellt; noch seltener aber ist Harmonie
zwischen diesen Gegenständen zu finden. Ob die Kissen des Wagens mit
silbergrauem gemustertem Seidendamast, oder mit glattem blauen Tuche,
oder mit braunem Leder überzogen seien, der Fußteppich zeigt meist
grell bunte Dessins, am häufigsten grobe plumpe Blumen von undehnir-
barer Species, aber dafür recht grell rother Farbe. Von Zusammenpassen
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und Abtönen der Farben, von Einheit der Dessins ist selten eine Spur
zu finden.
Das Schlimmste ist aber die Färbung, die man unseren Wägen zu
geben pHegt; dieselben sind zwar gut lackirt, aber fast ohne Aus-
nahme haben sie recht unschöne Farbentöne und lusammenstellungen
aufzuweisen. Es gibt fast nur zwei Kategorien von Anstrichen, ganz
dunkle, und sogenannte naturholzfarbige. Die ersteren sind entweder ganz
schwarz, schwarzbraun oder schwarzblau mit gleichen nur ganz schmal
heller vbeschnittenenw gestreiften Rädern, oder diese letzteren sind, was
jetzt am modernsten, mit schmutzigbräunlich bordeauxrothen, etwas brei-
teren Linien versehen oder gar ganz von eben diesem Roth. Um wievicl
freundlicher und heiterer präsentirten sich die Luxuswagen von ehemals,
da man ihnen noch helle frische Farben gab. Ich vermag nicht einzusehen,
wozu Wägen, die größtentheils zum Spazirenfahren, also zum Vergnügen
dienen, die Farbe von Todten- und Trauerwägen tragen müssen! Die
zweite Kategorie von Anstrichen, diejenigen, welche entweder blos aus
Firniss bestehend, die Naturfarbe des Holzes durchscheinen lassen, oder
mittelst hineingeklexten Fladers oder gar Flechtwerkes imitiren, ist, wenn
auch nicht so moros und düster als die erste, doch kaum minder ge-
schmacklos. Die Hölzer, die zum Baue der Wagenkasten verwendet werden,
besitzen eben keinen schönen Flader, und der imitirte ist in der Regel
einfach hässlich, stets aber unnatürlich. Wohlthuende Abwechslung bringen
in diese allgemeine Farbenmonotonie fast nur die kaiserlichen Equipagcn
mit ihrem hübschen Grün und Gold.
Wenn sich nun wirklich einer oder der andere unserer hervor-
ragenden Künstler mit der Sache eingehender befassen will, so werden
ihm die vorstehenden kurzen Bemerkungen gewiss als hinreichende An-
regung dienen, und mehr bezwecken sie nicht. Allein über einen Punkt
möchte ich doch noch einige Worte sagen über die Schwierigkeiten,
welche sich der Einbeziehung des Wagenbaues in den Kreis der Kunst-
gewerbe entgegenstellen. Gewiss, solche Schwierigkeiten sind vorhanden,
und sie sind auch nicht ganz geringfügige, allein sicherlich sind sie nicht
unüberwindlich. Den Widerstand, welchen vielleicht einzelne Fabrikanten
leisten möchten, trotzdem die von mir angedeuteten Reformen in deren
eigenem Interesse lägen, will ich weiter nicht in Betracht ziehen, er würde
bald von selbst verschwinden. Weit misslicher ist aber der Umstand, dass
sich kaum irgend einer unserer Künstler mit Wägen und dem Wagen-
baue eingehender befasst haben dürfte; derjenige aber der geneigt wäre
dies künftighin zu thun, müsste damit beginnen, sich volles Verständniss
der Technik des Wagenbaues zu erwerben, er müsste in einer nicht ganz
mühelosen Schule mancherlei lernen, was ihm bis jetzt ganz abseits lag
und fremd blieb. Allein dies verhält sich mit den meisten anderen Tech-
niken, denen sich Künstler zuwenden, keineswegs anders; wer eine aus-
führbare Zeichnung zu irgend einer Metall-, Textil-, oder keramischen
Arbeit anfertigen will, muss genau wissen, in welcher speciellen Technik
das seinem geistigen Auge vorschwebende Object ausgeführt werden könne
und solle, was er von jeder einzelnen Technik erwarten und verlangen,
mit welcher Technik er den gewünschten und vorausberechneten Elfect
erzielen könne; er muss also vorher die in Mitwirkung kommenden Tech-
niken genau kennen lernen, was nicht allzuschwierig ist, und ebenso wird
es sich für den Künstler bezüglich des Wagenbaues, der Sattlerei und
Riernerei verhalten,
ln der Sache selbst liegt jedoch eine, vielleicht noch größere
Schwierigkeit. Einem Tische kann der Künstler einen oder auch vier
FüBe geben, er kann dieselben massiver und gewichtiger, oder leichter
und zierlicher halten, er kann sie in tausenderlei Formen schweifen, er
kann die Platte rund, oval, viereckig formen; beim Wagen sind aber
der Phantasie des Künstlers weit engere Grenzen gezogen, es kann von
gewissen Grundformen und Bestandtheilen nicht abgegangen werden.
Der Wagen muss vier eventuell seltener zwei Räder besitzen, die
äußerste Peripherie dieser Räder muss eine vollkommen glatt kreisrunde
sein, deren Linie nur an der inneren, dem Centrum zugekehrten Seite
gebrochen werden kann, niemals aber an der äußeren. Zwischen und
über den Rädern muss sich der Wagenkasten befinden, welcher in seinem
Inneren für eine bestimmte Anzahl von Personen mehr oder weniger be-
queme Sitze zu bieten, an seiner Außenseite vielleicht einen Kutschbock
und rückwärts einen Dienersitz zu tragen hat. Die an sich absolut un-
schöne Deichselstange ist vollkommen unentbehrlich, wenngleich durch
die Pferde maskirt, und an ihre Spitze zur Anbringung hübscher Ver-
zierungen gut geeignet. Die Länge des Wagens bewegt sich mit Rück-
sicht auf seine besondere Bestimmung und leichte YVendbarkeit innerhalb
ziemlich enger Grenzen, wobei noch insbesondere darauf Bedacht ge-
nommen werden muss, dass die Vorderräder in der Regel weit unter den
Kasten hineindrehbar sein sollen. Die Breite des Wagens zwischen den
beiden Rädern je eines Räderpaares ist bis auf die sehr kleine Differenz
zwischen dem "Stadt-u und dem etwas breiteren nLandu-Geleise beinahe
Ex gegeben und muss überdies bei beiden Räderpaaren die gleiche sein.
Die Höhe des Wagens und jene der Pferde müssen in richtigem Verhält-
nisse zu einander stehen, so dass ein Wagen für Ponies nicht zu hoch,
dagegen ein solcher für achtzehn Faust hohe Carrossiers nicht zu niedrig
sein darf. Die Strangwagve, oder beziehungsweise die sogenannten "Dritteln,
an welchen die Zugstränge befestigt sind, müssen in bestimmter Höhe
angebracht sein, weil sich sonst die Zugkraft der Pferde nur schlecht aus-
nützen ließe. Doch liegt in allen diesen Punkten gewiss kein Hinder-
niss der künstlerischen Gestaltung des Wagens, sondern höchstens bieten
sie Schwierigkeiten, die aber ohne Zweifel überwunden werden
können. Von anderen kleinen Rücksichten, die genommen werden müssen,
wie yz. B., dass der Wagen leicht zu besteigen sein muss, dass in einem
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zu FrühlingsCorsofahrten für Damen bestimmten Wagen deren elegante,
duftige Toiletten zur Geltung kommen müssen u. dergl. m., will ich
hier nicht weiter reden. Auch bei Pferdegeschirren, Sätteln und Reit-
zeugen sind theils durch deren Zweck, theils durch den Körperbau des
Pferde; bestimmte Grundformen gegeben, die aber immerhin die Basis
für reiche plastische Ornamentation und geschmackvolle Farbenvertheilung
darbieten.
Eines wird allerdings auch der Fall sein künstlerisch ausgestattete
und verzierte Wägen werden noch etwas höher kommen als die jetzt ge-
bräuchlichen, allein an sich ist dies gewiss kein Unglück, und dass die
reichen Leute ebensogut theuere Wägen kaufen werden, als sie andere
kunstgewerbliche Producte kaufen, die ebenfalls viel theuerer sind, als
die vorher üblichen einfacheren Geräthe der gleichen Bestimmung, dessen
kann man wohl sicher sein. Freilich müsste der Geschmack der Wagen-
besitzer sich von den jetzt so tief eingewohnten üblichen Formen eman-
cipiren, und dies wird dann nicht ausbleiben, wenn die reichen Leute
nur erst einmal Wägen sehen werden, die schöner sind als die ihrigen.
Einzelne Angehörige der vornehmsten und reichsten Kreise der Residenz
würden sich gewiss bald finden lassen. welche geneigt wären, mit ihrem
Ansehen, Gelde und Einfluss auf die Mode, die hier angeregten Bestre-
bungen zu fördern und zu unterstützen.
Noch muss ich die Entschuldigung sachverständiger Leser erbitten,
falls ich in den vorstehenden Zeilen gegen die technische Terminologie
gesündigt haben sollte, allein theils ist sie mir selbst nicht geläufig, theils
wollte ich sie der Allgemeinverständlichkeit wegen vermeiden.
Die gewerbliche Fachschule für Gold-, Silher- und Iuwelierarheiter
und für Graveure in Wien.
Uns liegt der zweite Jahresbericht dieser Schule vor, deren Locale
sich in der Westbahnstraße 25 befinden. Wir entnehmen diesem Berichte
einige Daten, welche von dem erfreulichen Fortgange dieser Schule Zeugniss
abgeben, und können nur wünschen, dass auch andere Fachschulen einen
so klar abgefassten Bericht veröffentlichen möchten, als es hier der Fall
ist. Die Zielpunkte dieser Schule sind ausschließlich auf künstlerische Aus-
bildung von Gehilfen und Lehrlingen der genannten Industriezweige be-
schränkt. Höhere Aufgaben liegen ihr ferne und diese weise Selbst-
beschränkung sichert ihre Erfolge. Es kommt in dieser Schule nicht vor,
dass Angehörige anderer Industrien aufgenommen werden, wie es leider
bei anderen Fachschulen der Fall ist, wodurch die letzteren an manchen
Orten mehr den Charakter von allgemeinen Kunstgewerbeschulen, als von
eigentlichen Fachschulen erhalten. lm abgelaufenen Jahre wurden 105
Gehilfen und Lehrlinge von Goldarbeitern, Silberarbeitern, Juwelieren und
Graveuren aufgenommen.
Das Programm der Schule beschränkt sich consequenterweise auch
nur auf jene Unterrichtsgegenstände, welche mit dem Fache, zu dessen
Hebung die Schule zu wirken berufen ist, in Verbindung stehen Frei-
handzeichnen, Constructionszeichnen, Modelliren, Graviren und Ciseliren.
Der Lehrkörper besteht aus den Herren Josef Zapf für das Graviren
als Leiter, Stefan Schwartz, Lehrer an der Kunstgewerbeschule des
Museums, iiir das Modelliren und Ciseliren, und W. Schulmeister,
ehem. Zögling der Kunstgewerbeschule des Museums, für Freihand- und
Projecrionszeichnen.
Der Schulausschuss besteht aus Herrn Bach er als Obmann und den
Herren Blach, Jaschke, Schwerdtner, Breithut und Wasch-
mann. Bis gegen Schluss der Schule wurden 3395 H. verausgabt
2767 H. für Gehalte; hiezu hat "das Handelsministerium 1190 fl. bei-
gesteuert, der Rest wurde durch die freiwilligen Beiträge der Genossen-
schaftsmitglieder gedeckt. Die Schule hat eine Auswahl von Schüler-
arbeiten in der heurigen Österreich. Gewerbeausstellung in der Rotunde
ausgestellt. Wir zweifeln nicht, dass diese wohlgeleitete und gut ein-
gerichtete Schule dazu beitragen wird, dieses für die Kunstindustrie in
Wien so bedeutsame Gewerbe wesentlich zu fördern.
Im Juli 1880. R. v. E.
Technologische Gewerbamuseum in Wien.
Seotion für Holzindustrie.
Dem vor Kurzem ausgegebenen Programme dieser Anstalt zufolge
werden im Winter-Semester r88of8l an den Wochentags-Abenden von
bis Uhr und an Sonntagen von bis 12 und von bis Uhr
in der Zeit vom I. October bis 22. December fachliche Lehrcurse
subventionirt vorn k. k. Minist. für Cultus und Unterricht abgehalten
werden, zu welchen den Mitgliedern und Theilnehmern des Gewerbe-
museums und außerdem Jedermann gegen Lösung einer Jahreskarte um
den Preis von H. österr. Währ. der Zutritt gestattet ist. Der Unter-
richt wird in gemeinfasslichster Form, nur die an der Volksschule zu
erwerbenden Kenntnisse voraussetzend, ertheilt werden. Bei demselben
werden die im Technologischen Museum befindlichen Werkzeuge, Ma-
schinen, Apparate, Rohstoffe und Erzeugnisse als Demonstrations-Objecte
benützt. Bei denjenigen Lehrcursen, wo sich dies durchführen lässt, werden
mit den Vorträgen praktischeUebungen der Schüler parallel laufen, bei
welchen ihnen Gelegenheit geboten wird, unter Anleitung selbst zu ver
suchen, zu erproben und einzuüben, was in den Vorträgen nur gezeigt
werden kann.
Die Stunden-Eintheilung, welche beim Beginn der Curse veröffent-
licht werden wird, ist so eingerichtet, dass sie Jedermann ermöglicht, an
sämmtlichen Lehrcursen theilzunehmen. Es ist jedoch dern Ermessen
eines jeden Eintritts-Berechtigten anheimgestellt, nur einige Lehrcurse
oder auch nur einen derselben nach seiner Wahl zu frequentiren.
Lohrnuroe l. Bau der wichtigsten Holzarten. zweistündige Vortrage mit Uebungen
an Sonntagen. Herr Dr. J. Moeller. Il. Vorkommen und Gewinnung des Werk- und
Nutzholzes in Oesterreich. zweistünd. Vorträge an Sonntagen. Herr Gustav Henschel.
lll. Eigenschaften der Hölzer mit Beziehung auf ihre gewerbliche Verwendung. zwei-
stündige Vorträge. Herr Ernst Pliwa. lV. Chemische Technologie des Holzes. 4. zwei-
stündige Vortrage. Herr Dr. R. Godeffroy. V. KVerkzeuge und Maschinen zur Holz-
bearbeitung, 11 zweistündige Vortrage. Herr Dr. W". F. Exner; Assistent Herr Ingenieur
Georg Laubock. Vl. Werkstätten-Einrichtung und -Betrieb. zweistündige Vorträge.
Herr Karl Pfaff. Vll. Holzverbindungen. zweistündige Vorträge. Herr Conrad
Kretschmar. Vlll. Technologie der Hilfsartikel. zweistündige Vortrage. Herr Johann
Hauptfleisch. lX. Technische Vollendungsarbeiten. zweistündige Vorträge. Herr
Dr. R. Godeffroy. X. Die Holzindustrien. 11 zweistündige Vorträge. Herr Prof. Dr.
W. F. Exner. XI. Der Holzhandel. zweistünd. Vorträge. Herr GottliebKarplus.
Xll. Constructives Zeichnen. An Sonntagen Nachmittags 1-4 Uhr. Herr Ingenieur Georg
Laubock.
Praktische Uebungen in der Werkstätte an Sonntagen von ß-io Uhr, Herr Ernst
Pliwa; im chemischen Laboratorium IX. Bezirk, Spitalgasse 31, an Sonntagen von
9-12 Uhr, Herr Dr. R. Godeffroy; Assistent Louis Edgar Andes.
Außerdem wird auch im Wintersemester 188o81 ein Special-Lehrcurs
zur Ausbildung von Werkmeistern in der Korbtlechterei und Weidencultur,
subventionirt durch die hohe k. k. Regierung, abgehalten werden.
Der Unterricht Endet an den Werktagen von 8-12 Uhr Vormittags und 1-6 Uhr
Nachmittags statt. Er umfasst die praktische Einübung in den schwierigeren Arten der
Korbllechterei, insbesondere in dem Flechten über Modellen und die Mobelerzeugung
mit Benutzung in- und ausländischer Flechtmaterialien; ferner die Waaren- und XVerk-
zeugskunde für die Korbflechterei; das freie Zeichnen, das Geflechtezeichnen und die
Weidencultur.
ln diesen Lcbrcurs werden nur 10 Schüler aufgenommen, welche nebst der er-
füllten Volksschulpßicht den Nachweis zu liefern haben, dass sie bereits Gewandtheit im
Korbflechten besitzen. Aufnahms-Gesuche sind bis x. October 1.880, an welchem Tage der
Unterricht beginnt, an die nDirection des technologischen Gewerbemuseumsu Wien, 1.,
Eschenbachgasse 11 zu richten. Der Lehrcurs zur Ausbildung von Werkmeistern in der
Korbflechterei und Weidencultur wird unentgeltlich abgehalten.
Schließlich wurde durch die Subvention eines Stifters des Museums
auch die Abhaltung eines Fortbildungscurses für Werkmeister der Fach-
schulen des k. k. Handels-Ministeriums im September 1880 ermöglicht.
Es ist dabei allerdings die Mobeltischlerei zunächst in Aussicht genommen; der
Unterrichtsplan ist jedoch derart aufgestellt, dass auch die übrigen Richtungen der Holz-
industrie mit in Betracht gezogen sind.
Für den Cura ist die Zeit vorn 13. September bis incl. 4. October d. J. bestimmt.
Der Lehrplan für diesen Fortbildungscurs setzt eine Unterrichtszeit von taglich
Stunden, von 8712 Uhr Vormittags und 1-6 Uhr Nachmittags voraus.
Es sollen folgende Vortrage und Uebungen gehalten werden
Holzverbindungen, 16 Vortrage, Werkstätten-Ingenieur Conrad Kretschrnsr;
Chemische Technologie des Holzes und Vollendungs-Arbeiten, 24 Vortrage, Professor
Dr. Richard Godeffrny; Werkzeuge und Maschinen zur Holzbearbeitung, 18 Vor-
trage, Prof. W. F. Exner; Werkstätten-Einrichtung und -Betrieb, Vorträge, Adiunct
Ingenieur Georg Laubück; Technologie der Hilfsartikel, Vortrage, Professor
J. Hauptfleisch; die wichtigsten Holzarten, deren Vorkommen und Eigenschaften,
18 Vorträge, Prof. W. F. Exner, eventuell Forstmeister Prof. G. Henschel; Con-
structionszeichnen und zwar Holzverbindungen, Aufnahme fertiger Möbel, Entwürfe von
Constructinns-Elementen von Möbeln, Zeichnen von Werkzeugen, Maschinen und Werk-
stätten-Anlagen, 84, Stunden, Adiunct Ingenieur G. Lauböck und Architekt D. Avanzo.
Mit den Vorträgen würden verbunden sein Demonstrationen, Uebungen in der
Werkstätte und in dem chemischen Laboratorium.
Der Besuch der niederösterr. Gewerbe-Ausstellung würde am lg. und 26. Sep-
tember, 3. und 4. Oclober slatthnden und durch die Lehrkräfte des Museums und durch
hervorragende Vertreter der Wiener Möbelindustrie geleitet werden.
Die Zahl der Frequentanten dieses Curses muss, soll ein voller Erfolg erreicht
werden, auf die Zahl von Individuen limitirt sein und werden selbstverständlich nur
die vom hohen Handelsministerium bezeichneten Personen zugelassen werden.
Dlo Restauration der Kanzel des Sl. Stefans-Domes.
Ven Karl Weiß.
Unter den wenigen Werken der inneren Ausstattung des St. Stefans-Domes, welche
uns aus der Zeit ihrer Erbauung erhalten blieben, ist eines der schonsten die Kanzel im
mittleren Raume des Langhauses. Seit Jahrhunderten fesselt sie das Auge des Laien wie
des Kunstkenners durch ihren leicht und edel gestalteten Aufbau, durch ihren decorativen
Reichthum und die prächtigen decorativen Bmstbilder. Die architektonischen Formen
weisen entschieden auf die letzten Stadien der Entwicklung des gothischen Stiles hin.
Strenge und Einfachheit der Construction und des decorativen Schmuckes wird man an
dem Werke vergebens suchen, sondern die Hauptlinien des Aufbaues vertlücbtigen sich
fast unter der Fülle der Ornamente. Aber diese Behandlung des Stiles mag sie immerhin
von den Puristen mit dem Interdicte der Entartung belegt werden übt einen ganz
eigenartigen Reiz durch ihre Anwendung auf die Kanzel. Und dieser Reiz wird noch
dadurch erhöht, dass zwischen den geschwungenen und in einander verschlungenen gothi-
schen Bogen ganz unvermittelt die derb naturalistischen Brustbilder zum Vorscheiue
kommen. Es ist, als ob sich die alte mit der neuen Zeit, Feuer mit Wasser vermengen
wollten.
Die Grundform der Kanzel ist das Sechseck. Sechs zierliche und reich gegliederte
Pfeilerchen mit je drei Figurennischen umgeben den Hauptpfeiler. Um den letzteren sind
die Gestalten des h. Petrus, Andreas, Jacobus, Johannes, Matthäus und Paulus und vor
diesen in den einzelnen Nischen Lucia, Nothburga und Hedwig, Nicolaus, Leopold und
Koloman, Elisabeth, Barbara und Katharina, Stefan, Laurentius und Sebastian, Johanns,
Maria Magdalena und Salome und Othmar, Hieronymus und Johannes angebracht. Die
Brüstung der Kanzel schmucken in flachen Nischen die schon erwähnten Brustbilder der
Kirchenlehrer. Unter den Baldachinen der Trennungspfeiler stehen die Figuren der Apostel
Judas, Thaddäus, Bartholomaus, Thomas, Simon und Jacobus minor. Eine gewundene
Treppe, deren YVangen von fischblasenähnlichen Ornamenten durchbrochen und mit phan-
tastischen Thieren geschmückt sind, führt an der Rückseite des Pfcilers zum Sprechplatze
des Priesters. Ein siebeneckiger Schalldeckel, reich mit kleinen Strebepfeilern, Fialen,
Knorren und dreiundachtzig Figuren verziert, überschattet die Kanzel. Den Baldachin
tragen sieben musicirende und sieben betende Engel; an der Kreuzung der Rippen sind
sieben Seraphin-Köpfe, in der Mitte der h. Geist in Gestalt der Taube angebracht. An
dem unteren T-heile des Schalldeckels über dem Baldachine sind zehn musicirende und
betende und ein Engel mit der Geißel Tod, Krieg und Pest darstellend vertheilt, ferners
eine Pyxis für die Sterbesacramente, das Buch des Lebens mit den Gewichten und die
Himmels- und Erde-Schlüssel angebracht. An den Ecken über dem Schalldeckel stehen
sieben Engel mit den Attributen, zwischen den Strebewanden die sieben Sacramente und
an den letzteren sieben kleine pusaunende Engel. Auf den Consolen an dem Helme stellen
drei Figuren die Taufe Christi durch Johannes dar.
Die Kanzel hat ohne Schalldeckel eine Hohe von 3'65 Meter und einen Durch-
messer von r75 M., mit dem Schalldeckel eine Hohe von g'5n M. Treppe und Brüstung
sind aus Sandstein, der Deckel aus Holz hergestellt.
Wie.ein großer Theil der Baugeschichte des Domes durch den Mangel an urkund-
lichen Belegen unklar ist, eben so waren auch lange Zeit unrichtige Angaben über die
Zeit der Anfertigung und den Namen des Meisters verbreitet. Als Franz Tscbischka
im Jahre 1832 sein großes Werk über den Dom herausgab, war er der Ansicht, dass die
Kanzel sowie der Orgclfuß im nördlichen Seitenschille des Langhauses durch Meister
Hans Puchsbaum und zwar erstere im Jahre 1430, letztere ungefähr um zwanzig Jahre
später jedenfalls vor 1454, dem Todesjabre des Meisters ausgeführt wurde, und
dass beide Büsten, jene an der Kanzel und jene am OrgelfuBe, den Meister in verschie-
denen Lebensabschnitten darstellen. Er widerrief damit seine in einer älteren 1823 vori
hm herausgegebenen Beschreibung der Kirche gemachte Angabe, dass Kanzel und Orgel-
14.0
fuß von dem angeblich zwischen 1407 bis 1446 am Baue des Domes beschäftigt gewesenen
Baumeister Anton Pilgram aus Brünn herrühren, wozu er sich durch die Behauptungen
der Schriftsteller Reilfenstuel, Tilmez, Fischer, Ogesser u. s. w. verleiten ließ
Tschischka begründete sein Eintreten für H. Pucbsbaum in seiner neuen, 1'843
erschienenen Auflage der Geschichte und Beschreibung des Domes durch Auszüge aus
der im Stadtarchive aufbewahrten Kirchenrechnung vom Jahre 1430, aus welchen that-
sachlich zu entnehmen ist, dass unter Leitung des Meisters Hans von den Steinmetzen
Andreas Grabner, Conrad von Himberg, Peter von Nürnberg, Georg Achmülner, Hans
Beham und Hans von Vartzheim an einem Predigtstuhle gearbeitet und von dem
Schlosser Niclas dem Scherrübl der Kranz auf denselben geliefert wurde. Den Nachweisen
Tschischkrfs trat Josef Feil in seinen kritischen Beiträgen zur Baugeschichte von St. Stefan
Sclimidls -Oesterr. B. für Literatur und Kunst-i, J. 184.4 entgegen. Derselbe schreibt
die Herstellung der Kanzel und eines Theiles des Orgelfußes dem Meister Anton Pilgram
aus Brünn mit folgender Begründung zu In den Tafeln der Wiener Bau- und Steinmetz-
meister-Genossenschaft werde zum Jahre 1511 Anton Pilgram aus Brünn als Baumeister
bei St. Stefan aufgeführt, und auch im "Codex Austriacusa, ydoch ganz irrig, zum Jahre
1359 derselbe als Verfertiger des Predigtstuhles und des Orgelfußes bezeichnet. Im Hin-
blicke auf diese Daten könne jener Meister Anton, welcher den Baumeister Georg Oecbsel
1495 bis 1510 vom Baue des Domes verdrängte, kein Anderer als Anton Pilgram sein,
und da sich auf der Kanzel wie auf dem Orgelfuße die gleichen Meisterzeichen vorfinden,
so habe dieser auch das letztere Werk vollendet, an der Kanzel sein eigenes und auf jener
des Orgeifußes gleichsam zur Sühne für seine Handlungsweise das Brustbild des Meisters
Georg Oechsel angebracht, und Kanzel und Orgelfuß seien zwischen 1506 und 1512 von
Anton Pilgram vollendet worden. Hiefür sprechen nach Feil's Anschauung auch kunst-
historische Momente, indem der stilistische Charakter des Aufbaues und der flguralischen
Darstellungen der Werke weit mehr in .den Anfang des 16. als die erste Hälfte des
15. Jahrhs. passen. Der Anschauung des Historikers J. Feil hatten sich seither alle neueren
Schriftsteller und sicher mit vollem Rechte angeschlossen. Wenn. was Tschischka selbst
zugibt, Kanzel und Orgelfuß das Werk Eines Meisters sind, so können beide nicht vor dem
Jahre 1467 erbaut worden sein. weil ungefähr in diesem Jahre erst mit dem Aufbau des
nördlichen Thurmes begonnen wurde und daher geraume Zeit danach derOrgelfuß angebracht
werden konnte. Nicht bloß die Kanzel, sondern auch der Orgelfuß zeigen alle Merkmale
der Spitgothik, und beide Werke stimmen in der Ornamentik wie in der Proßlirung ein-
zelner Theile auffallend überein. Ja selbst das MaBwerk und die Gliederung der Fialen an
jenem Stockwerke des unausgebauten Thurmes, welches, wie die eingemeißelten Jahres-
zahlen bezeugen. in den Jahren 1502 und 1507 angefertigt wurde, zeigt die Formen an
der Kanzel. Was das gewichtigste Argument Tschischka's, nämlich die beglaubigte Er-
bauung eines Predigtstuhles, betritTt, so ist es sehr wahrscheinlich, dass im Jahre 1430
die sogenannte Capistran-Kanzel erbaut wurde, welche in Bezug auf die Einfachheit des
Aufbaues und die stylistisclie Strenge der decorativen Theile in diese Zeit vollständig
hineinpasst. Denn als Capistran seine berühmten Predigten begann, musste schon die Kanzel
bestanden haben; die Annahme ist gar nicht zulässig, dass erst seinetwegen der Bau der-
selben in Angriff genommen wurde.
ln dem Zustande, als die Kanzel noch vor zwei Jahren tvar, konnte von einer voll-
ständigen künstlerischen Wirkung des Meisterwerkes nicht die Rede sein. Von allen Kunst-
freunden wurde es beklagt. dass sich zahlreiche Spuren der Verstümmelung zeigten, dass
sie mehrerer Statuen und zahlreicher feiner Architekturtheile beraubt und mit einer grauen,
hässlichen Oelfarbe überstrichen wurde, wahrscheinlich in derselben Zeit der ersten Hälfte des
18. Jahrhunderts, als die damaligen superklugen Restauratoren sich nicht damit begnügten.
die Wände, Pfeiler und Baldachinliguren sorgfältig zu reinigen, sondern es vorzogen, die-
selben mit einem grauen Anstriche zu versehen, nachdem man schon weit früher den
größten Theil der Glasgemalde entfernt hatte, damit die Kirche günstiger beleuchtet werde.
Zu diesen Mängeln kamen aber noch bedenklichere Gebrechen. ln Folge der verschiedenen
Belastung hatte sich die Kanzel von dem Pfeiler gänzlich losgelöst und musste seit langer
Zeit gestützt werden. Es lag daher die Gefahr eines gänzlichen Verfalles dieses herrlichen
Werkes nahe, wenn nicht durch eine gründliche Restauration Abhilfe geschaffen wurde.
Die Munificenz des Staates und der Gemeinde Wien, welche bis zum Schlüsse des
Jahres 1879 die Mittel zur Restauration des Domes zur Verfügung stellten, unserem aus-
Diese Autoren beriefen sich, wie Tschischka bemerkt, auf Manuscriple bei St. Stefan,
welche Pilgram als Schöpfer der Kanzel bezeichnen. Wahrscheinlich sind was Tschischka
und Feil unbekannt war unter diesen Manuscripten die Beschreibungen der Kirchen
und Kloster Wiens von dem Domherrn Testarella aus dem Schlusse des siebzehnten
Jahrhunderts gemeint,
147
gezeichneten Meister des gothischen Styles, Friedrich Schmidt, der mit Pietät und
Gewissenhaftigkeit seine umfassenden Kenntnisse und die reichen Erfahrungen seiner
Künstlerlaufbahn an der Restauration verwerthete, haben wir es zu verdanken, dass heute
sich auch die Kanzel wieder in ihrer kaum geahnten ursprünglichen Schönheit aufbaut
und nun erst ihre volle Bedeutung für die Kunst zutage tritt. Der Umfang und die
Schwierigkeit der Restauration war aber weit grosser, als sich voraussehen lieB, und die
ganze Arbeit erforderte eine außerordentliche Umsicht und Sachkenntniss aller dabei thatig
gewesenen Kräfte, damit die Wiederherstellung des XVerkes zur Freude und zur Beruhigung
aller Kunstfreunde vollkommen gelang.
Zur Vornahme einer gründlichen Restauration wurde die Kanzel im Herbst t878
abgetragen und dieselbe vorerst durch Anwendung warmer Lauge von dem Oelanstriche
befreit. Da zeigte sich, dass der aus Eichen- und Lindenholz angefertigte Schalldeckel mit
einer Temperafarbe überzogen war, ähnlich der natürlichen Farbe des Steines an der
Kanzel selbst. Eine eigentliche Polychromirung wiesen die Fleisclttheile an den Figuren'und
das Gewölbe des Schalldeckels auf; die Haare der Engel, einige Attribute und die Flügel
der Engel zeigten Spuren der Vergoldung. Soweit es sich erkennen ließ, war eine ähnliche
Polychromirung bei der Kanzel selbst in Anwendung. Welche Schwierigkeiten die
Restauration bot, mag daraus entnommen werden, dass von dem kleinen Portale am Fuße
der Kanzelstiege sich nur Stücke des Sockels und einer Fiale vorfanden. Mit Hilfe dieser
spärlichen Anhaltspunkte wurde das Portal erneuert. Nicht geringere Schwierigkeiten ver-
ursachte die Restauration des Schalldeckels. Kurze Zeit nach seiner Anfertigung wurden
an demselben wesentliche Veränderungen vorgenommen. Thatsachlich fanden an demselben
in den Jahren t597 und x65 Restaurationen statt. Erst nach wiederholten Versuchen
gelang es, die ursprünglichen Formen mit Sicherheit herauszufinden.
Mit der Restauration der Kanzel war es unvermeidlich, in diese auch den Pfeiler,
welchem sie angebaut ist, einzubeziehen. Derselbe ist mit sechs unter Baldachinen stehenden
Figuren geschmückt, welche im mittleren Langhause oben die heilige Katharina, unten
den heiligen Urban und den heiligen Reinhold, im Seitenschiffe oben die heilige Maria
mit dem Jesukinde, unten den Heiland und den heiligen Virgilius darstellen. Der Pfeiler
wurde von seiner Kienruß-Uebertünchung befreit und erhielt die natürliche Steinfarbe.
Durch Anwendung einer sorgfältigen Reinigung gelang es, den Figuren die ursprüngliche
Bemalung zu erhalten. in kunstgeschichtlicher Beziehung ist diese Restauration von nicht
geringerem lnteressc. Die Figuren mit ihren reizend ornamentitten Gewändern zeigen, rnit
welchet Discretion die Maler mit der Anwendung der Farbe und der Musterung der
Gewänder vergingen. Vergleicht man die stylistische Behandlung mit den Sculpturen an
der Kanzel, so zeigt sich auch hier der gewaltige Unterschied in der Zeitihrer Anfertigung.
Es ist unmöglich, anzunehmen, dass sie in einer Kunstepoche entstanden seien.
Nach einer mühevollen Arbeit von anderthalb Jahren war die Kanzel in ihren
ursprünglichen Stand versetzt; am diesjährigen Frohleichnamstage wurde sie dem ferneren
Gebrauche übergeben. An der Kanzel ist das Bruslbild des ursprünglichen Meisters mit
seinem Meisterzeichen angebracht; unterhalb desselben wurde eine kleine Tafel mit der
Jahreszahl t88n und dem Meisterzeichen des gegenwärtigen Dombaumeisters eingelassen.
Es sollen aber auch die tüchtigen Männer nicht vergessen werden, welche zum Gelingen
des Werkes wesentlich mithalfen; es waren dies der Bauführer Architekt Herrman
der Steinmetzpolier Baumgartner und die Gehilfen Sederl, Kbrnerund Zdeborsky,
ferners die Bildhauer Schönthaler, Erler und Ziebland mit ihren Gehilfen Weiser
und Schlosser, Schlosserrneister A. Biro und Vergolder P. Reitner.
Eine andere Frage drängt sich aber bei Betrachtung der Restaurirung der Kanzel
und des Pfeilers heran. Soll diese vereinzelt bleiben? ist für das Auge der verwahrloste
Bestand der übrigen Theilc des Langhauses nicht geradem beleidigend? Fordert esnicht
die Pietät für den Dom, die Schönheit des plastischen Schmuckes, welcher durch die
Restauration der Kanzel und der Pfeilcrtiguren zutage tritt, dass das begonnene Werk
vollendet werde? Um den historischen Charakter der Kirche zu wahren, würden wir uns
entschieden für die Beibehaltung der Altäre aussprechen, aber eben so dringend wünschen,
dass der bauliche Theil des Langhauses in seinem ursprünglichen Bestande vollständig
hergestellt werde, damit das große Werk der Wiederherstellung des schönsten Wahr-
zeichcns unserer Stadt würdig zum Abschlusse gebracht wird. W. A. P.
Litarafurhoricht.
Andäl, Anton Anleitung zum elementaren Unterrichte im perspec-
tivischen Freihandzeichnen nach Modellen. I. Theil, mit XXI Tafeln
und mehreren Textfiguren. Graz, Selbstverlag, 1880. Fol.
Der Herausgeber des v-Polychromen Ornainentes- erfreut sich als Zeichenlehrer
bereits eines zu guten Leumunds, als dass man nicht jede seiner Publicationen mit der
Erwartung einer guten Leistung in die Hand nehmen konnte. Dieses günstige Vorurtheil
wird auch durch die obengenannte Anleitung zum perspectivischen Freihandzeichnen nicht
im mindesten Lügen gestraft, denn dieselbe ist in der That von größerer Bedeutung als
das npolychrome Ornamenh, indem sie einem allgemeinen im ln- und Auslande gefühlten
Bedürfnisse begegnet. Die Arbeit ist das Resultat jener Erfahrungen, welche sich Professor
Andäl während tqjähriger Praxis als Zeichenlehrer gesammelt hat, und unter die vom
Unterrichtsministerium empfohlenen Hilfsmittel für den Zeichenunterricht aufgenommen.
lm Ganzen ist das vorliegende Werk eine gründlich vermehrte und veränderte Auflage von
desselben Verfassers i-Grundsätze der perspectivischen und Beleuchtungs-Erscheinungen-,
welche im Buchhandel bereits gänzlich vergriffen sind. lm genauen Anschlüsse an den
Lehrplan und die lnstructionen für den Zeichenunterricht wird mit 40 Seiten Text und
Tafeln, deren jede mehrere Figuren enthält, der Vorgang gezeigt, nach welchem der
Unterricht im perspectivischen Zeichnen auf der ersten und zweiten Stufe unter zweck-
mäßiger Benutzung von Anscbauungsbehelfen und plastischen Lehrmitteln mit Erfolg
ertheilt werden kann. Diese Anleitung bildet gewissermaßen zugleich die erläuternde Er-
gänzung zu den zwei Serien der Modellsammlung, welche der Verfasser im Auftrage des
Unterrichtsministeriums durch' den Wiener Mechaniker Steflitschek zusammenstellen ließ.
Das Haushalten mit dem Stoffe und dessen Auswahl mit Rücksicht auf die zugemessene
Lehrzeit bekundet den trefflichen Pädagogen, und wenn schließlich noch die Ausstattung
des Werkes lobend hervorgehoben werden muss, so ist Alles gesagt, um dasselbe allen
Schulmännern auf das beste zu empfehlen.
Schultz Victor Archeeologische Studien über altchristliche Monumente.
Mit 26 Holzschnitten. Wien, Wilh. Braumüller, 1880. 8.
Seit Bosio Severano wird dem altchristlichen Bilderkreise ein symbolischer Cha-
rakter übereinstimmend zuerkannt; die Grundgedanken von Sünde, Gesetz und Erlösung
haben in diesen Darstellungen Ausdruck gewonnen. Der Verfasser vorliegender Studien
kommt hingegen zu dem Resultate, dass alle diese Bilder einen sepulcral-symbolischen
Inhalt haben. Auch die Wunder Christi stellt er in diesen Kreis, weil sie von der alten
Kirche als Bürgschaft für die Auferstehung des Fleisches betrachtet werden ut ejus de
resurrectione aedatur sermo lrenäus. Andere historische Stücke wurden äußerst selten
in vorconstantinischer Zeit ihrer sachlichen oder chronolo ischen Verwandtschaft mit
sepulcralen Scenen wegen aufgenommen. Die Jonasbilder nden demzufolge eine ganz
neue ErklarunguNach diesen in der Prolegomena vorgetragenen Grundsätzen werden die
berühmten Fresken der Sacramentscapellen in S. Callisto erläutert, sowie zwei Sarko-
phage, aus der Villa Ludovisi und aus S. Paolo fuori, meist unter Eröffnung neuer Ge-
sichtspunkte. ln einem Aufsatze über Marienbilder der altchristlichen Kunst wird die
Corona aus diesem Cyclus ganz verdrängt und als ornamental enrehaft hingestellt. Neue
Forschungen über das Grab des Petrus, so wie eine wissensc aftliche Beschreibung der
Katakomben von Syracus und des Museo Kircheriano, füllen bisher empfindliche Lücken
der Literatur.
Die kühnen überraschenden Neuerungen in der Auflassung dieser Monumentgruppe
interessiren um so mehr, als sie, wie wir glauben, wenn auch nicht durchgehends, doch
ihrem größten Theile nach haltbar sein werden.
Menge, Rudolf Einführung in die antike Kunst. Leipzig, 1880, bei
E. A. Seemann. Text x78 Seiten 8., Atlas 23 Tafeln Fol.
Der Text ist für die Schüler der oberen Classen höherer Anstalten berechnet. Wir
empfehlen diese Seemann'sche Publication, besonders mit Rücksicht auf die immer leb-
hafter hervortretenden Anforderungen, den Kunstunterricht anschaulicher und auf" wissen-
schaftlicher Grundlage zu gestalten. Herr Menge gibt auch directe Weisung, wie man
eine Sammlung von Photographien für die Bedürfnisse der Gymnasien anlegen soll. Er
nennt die Bezugsquellen und meint, dass mit 300 Mark ein entsprechender Lehrapparat
für Gymnasien hergestellt werden kann. Vielleicht haben wir noch Anlass, mit Rücksicht
auf die von Prof. Langl in der wWiener Allg. Ztg.- ausgesprochenen Ansichten über
Kunstunterricht auf Gymnasien, ausführlicher auf den Gegenstand, den Herr Menge berührt,
zurückkommen zu können.
liQ
Br. Bucher bereichert mit seinem v-Katechismus der Kunstgeschichte-
Leipzig bei Weber, 1880, mit 273 Abbild. die bekannte Webefsche Bibliothek illustrirter
Katechismen durch eine ganz ausgezeichnete Arbeit. Die klare Disposition, die Einsicht
in die Bedßrtnisse der Lesewelt, denen durch Tabellen und Register besonders Rechnung
getragen wurde, sind Vorzüge, die sich, wie bei desselben Verfassers v-Kunst im Handwerke,
auch in diesem Werke vorfinden.
ln -L'Art Paris von Tullo Massaruni Bde., Paris bei Renouard, 1880
lernen wir einen geistvollen Kritiker der modernen Kunst kennen, der mit vorurtheils-
freiem Blicke auch die Arbeiten deutscher und österreichischer Künstler beurtheilt, wie
dieselben auf der letzten Pariser Ausstellung zur Anschauung kamen.
Architekt Camillo Boito hat in Mailand bei Sorghi 1880 ein sehr interessantes
Buch unter dem Titel wArchitettura del medio evo in ltalian veröffentlicht, in
welchem auch die Frage des Zukunftsstiles der italienischen Architektur eingehend be-
handelt wird.
KLEINERE MITTHEILUNGEN.
Personalien Der Director des Museums, l-lofrath v. Eitelberge
wurde vom Mährischen Gewerbeverein zum Ehrenmitgliede ernannt.
Besuch des Museums. Die Sammlungen des Museums wurden im Monate
Juli von 973a, die Bibliothek von 1151 Personen besucht.
Oesterredohisohes Museum. Die Ausstellung von Bucheinbanden und ver-
wandten Arbeiten ist abermals in glänzender XVeise bereichert worden und zwar durch
vierzig Objecte aus der berühmten Sammlung des Herrn Friedrich Spitzer in Paris.
Es sind dies zum größten Theil Cassetten und Futterale der mannigfachsten Art und
Bestimmung für Bücher, Trinkgefaße, Toilettengegenstände, Essbestecke, Uhren, musi-
kalische Instrumente, Schreibgerathschaften ü. a. m., ferner ein Triktrakspiel, eine Pilger-
Hasche, Ex-vottfs etc. aus dem 15. und 115. Jahrhundert, sämmtlich in Leder geschnitten,
getrieben, gepresst oder bemalt, alle von höchstem Interesse in kunsttcchnischer Be-
ziehung, viele aber auch als rein künstlerische Arbeiten. Eine Collection dieser Art von
solchem Reichthum und solchem Werth der einzelnen Stücke durfte kaum zum zweiten
Mal existiren. Außerdem wurden neu aufgenommen Collection moderner französischer
und englischer Ledereinbsnde, Eigenthum des Herrn Grafen Alfred Appon fünf
ältere Einbände vom 15.-17. Jahrh. aus der Bibliothek des Stiftes Strahov in Prag;
Mappe in gepresstem Juchtenleder vom Buchbinder W. Proffen.
Ferner neu ausgestellt geschnitzte Holzrahme von Bildhauer E. Rathmann;
Kinderkopf in Marmor von Fiammingo, Eigenthum der Frau v. XVirkner, geb. Gräfin
Khuenberg; silberner Pocal mit freigearbeiteten Pflanzen und lnsecten von Giovanni
Lusina aus Cherso; Gypsabguss eines Marmorkopfes, gefunden in Pergamon, nebst
einer restaurirten Copie desselben, ausgeführt von Prof. Begas in Berlin.
Die von Prof. König modellirte, in Carraramarrnor ausgeführte Statuette der
Madonna zu dem Altar für die Pfarrkirche in Nazareth wurde nunmehr als Bekrbnurug
des Tabernaltels aufgestellt.
Aus Anlass des Schützenfestes wurde im Museum eine Reihe von Darstellungen
ähnlicher Feste in früherer Zeit ausgestellt. So ist das Festschießen in Straßburg von
1576 in der Copie eines Holzschnittes von Tob. Stimmer, das Festschießen zuWien 173g,
jene von Nürnberg 1671 und 1733 in den Illustrationen der gleichzeitig erschienenen
Bucher vertreten. Ein hßchst interessantes und seltenes Werk ist jenes von Georg Hauer
über die Breslauer Schutzen-Kleinodien von 1491-1613, Die lllustrntionswerke über die
Hochzeit des Erzherzogs Karl mit Maria von Baiern in KVien 1571, des Pfalzgrafen Wil-
helm bei Rhein in München 1568, über den Einzug des Erzherzogs Albrecht und der
lnfantin lsabella in Antwerpen 159g, die Erbhuldigung Karls Vl. 1728 und Maria Theresiifs
174a in Wien schließen sich an. Auch mehrere Pecht- und Exercirbncher liegen auf, wie
jene von Heußler 1616, Moninx, Ad. van Breen 1618, de Gheyn 1628 und Fronsbergefs
Kriegsbuch 1566. Dürer's Triumphwagen und Burgltmaifs Triumphzug des Kaisers Max
bilden mit einer Reihe von Blättern aus dem Werke über den Huldigungsfestzug der
Stadt Wien im vorigen Jahre den Abschluss dieser nicht sehr umfangreichen aber darum
nicht unbedeutenden Ausstellung.
Jury der Ausstellung von Bncheinbänden. Diese Jury, welche am 9. Juli
stattfand, betheilte mit dem Diplom des Museums folgende Aussteller F. Rollinger
in Wien; J. Spott in Prag, G. Fritsche, Hager J. Maul, Hübel 81 Denck in
Leipzig für Buchbinderarbeiten, und Herrn F. Fischbach in Hanau für dessinirte
Papiere zur Ausstattung von Bucheinbänden. lm Selbstverlag des Museums ist ein
gedruckter i-Wegweisera durch die Ausstellung von Bucheinbänden, verfasst von Custos
Dr. Wickhoff, erschienen.
Ksohillßilßsißlltlng im Museum. Das hohe Unterrichtsministerium hat eine Aus-
stellung von neun Lehranstalten auf dem Gebiete des Freihandzeichnens und Modellirens
angeordnet und findet dieselbe vom l. August an in den Sälen IX, und im Vorlesesaal
des Museums statt. Die betheiligtcn Lehranstalten sind folgende Brünn seit 1873, Leiter
Prof. Roller, mit go Schülern im verflossenen Schuljahre; Gmnnden seit i874, Leiter
Heinrich Goldmann, 46 Schüler; Innsbruck seit 1377. Leiter Architekt Deininger.
76 Schüler; Klagenfurt, seit 1879, Leiter Architekt W. Hess, 185 Schüler; Lem-
berg seit 1877, Leiter Vinz. Tschirschnitz, x75 Schüler; Prag seit 1874, Leiter Emil
Reynier, 144 Schüler; Triest 1860, Leiter G. Heiland, 254 Schüler.
Nebst diesen allgemeinen Zeichenschulen und gewerblichen Zeichen- und Modellir-
schulen stellen auch zwei Staatsgewerbeschulen aus Reichcnberg, 1876, Director
Richter, 29x Schüler; Salzburg, 1875, Director Architekt Cam. Sitte, 13 Schüler.
Von der Mehrzahl dieser Schulen sind die Leiter oder ein Fachlehrer hier ein-
getroffen, um die lnstallirungsarbeiten zu besorgen und sich über die Leistungen der
Schwesteranstalten zu orientiren. Behufs des gemeinsamen Studiums dieser Leistungen
wurden unter dem Vorsitze des k. k. Landesschulinspectors H. Schramm Conferenzen
abgehalten, an denen auch Schulrat Prof. Grandauer theilnahm, der sich im Auftrage
des Unterrichtsministeriums mit den Vorarbeiten für einen Lehrplan der Zeichenschulen
beschäftigt.
Die A. Feuerbactrsolien Deokenbilder für den Plafond des Festsaales in
der Akademie der bildenden Künste in Wien. Es ist bekannt, daß der Tod Anselm
Feuerbach mitten in Arbeiten für den Festsaal der Akademie überrascht hat. Er starb
in Venedig im 50. Lebensjahre an einer Herzlahmung. Der Tod übt eine große ver-
sühnende Kraft. Alles ist jetzt darin einig, dass A. Feuerbach über eine eigenartige
Künstlerkraft verfügte und bedauert, dass die malerische Ausschmückung desl akademi-
schen Festsaales, das bedeutendste und umfangreichste Werk Eeuerbachs, jetzt ein
Torso ist. Das Hauptbild, Eigenthum der Akademie, ist gegenwärtig provisorisch in der
akademischen Gallerie aufgerichtet. im Museum, Saal Vll, ist jetzt ein Theil des künst-
lerischen Nachlasses von A. Feuerbach ausgestellt. ln demselben befindet sich der
erste Entwurf zum Plafond des Festsaales der Akademie, gemalt 1874, vier unvollendete
Oelbilder, gemalt im Jahre 1876, die zu dem Deckenschmucke des Festsaales geboren Gäa,
schwebend über der Erde mit dem geflügelten Genius, der gefesselte Prometheus, beklagt
von den Okeaniden, Uranus schwebend und Venus Anadyomene in der Muschel, von
Amoretten umgeben. Außerdem befinden sich in der genannten Ausstellung Skizzen in
Feder und Tusche und 3a Studien zu den Wiener Deckenbildern. Die Kunstfreunde Oester-
reichs haben Gelegenheit, diese Vorarbeiten zu den Plafondbildern zu würdigen, die glück-
licherweise noch nicht in Privatbesitz übergegangen sind.
Kunststiokerei-Sehule des Handelaminintarinms. Diese Anstalt beschloss
am t4. Juli ihr sechstes Schuljahr. Die Directrice, Frau Emilie Bach, berichtete in ihrer
Ansprache über die gedeihliche Entwicklung der Anstalt, welche im abgelaufenen Schul-
jahre von 78 Schülerinnen und Hospitantinnen besucht war, sowie über die günstigen
Erfolge, welche die Mehrzahl der absolvirten Schülerinnen in Wien, in den Provinzen,
selbst im Auslands als Lehrerinnen oder Kunststickerinnen errangen.
Das Tiroler Landes-Museum zu Innsbruck" hat nun endlich auch einmal
wieder einen und diesmal einen bedeutenden Fortschritt zu constatiren. Es wurde nämlich
in der letzten Generalversammlung der Beschluss gefasst. in einem geeigneten Locale der
Anstalt eine permanente Ausstellung kunstgewerblicher Gegenstände zu veranstalten,
wodurch den einheimischen Kunstindustriellen Gelegenheit geboten werden soll, ihre Werke
nicht blos dem Publicum zur Anschauung zu bringen und dadurch in weiteren Kreisen
bekannt zu werden, sondern auch hnanziell zu verwenhen, wozu namentlich der große
Zufluss von Fremden, welche nie unterlassen, das Tiroler Museum zu besuchen, gegrün-
dete Aussicht gibt. Zu jedem Stücke wird nämlich der Preis desselben und der Name des
Künstlers bekannt gegeben und kann die betreffende Arbeit sofort an Ort und Stelle
bezogen werden. Das Museum wird ferner die Bedürfnisse der verschiedenen Kunst-
industriezweige zu ihrer Ausbildung künftig ernstlich in's Auge fassen, und rechnet dabei
auch auf die Unterstützung des Museums für Kunst und Industrie in Wien, das ihm gewiss
mit gutem Rathe zur Seite stehen wird.
Hand in Hand mit diesem, das Museutn nutzbar machenden Beschlusse geht die
Entschließung der Musealvorstehung, das Museumsgebdude, welches den räumlichen An-
forderungen seiner Sammlungen in gar keiner YVeise entspricht, durch einen Aufl, Zu-
oder Umbau, welcher Baumodus durch ein eigenes Comite festgestellt wird. seinen Zwecken
in hüchst nutzbringender Weise dienstbar zu machen. Dadurch soll insbesondere ermöglicht
werden, die Gemälde und die übrigen Sammlungen systematisch aufstellen zu können.
Die sehr bedeutende Münzsammlung und die Sammlung von Kupferstichen und Hand-
zeichnungen waren bisher völlig unsichtbar. Es sollen ferner für Archiv und Bibliothek
weitere Raume geschaffen und geeignete Localitaten für kunstindustrielle Zwecke hergestellt
werden. Für diese vielseitigen Bauzwecke des Museums hat auch die Sparcasse von Inns-
bruck und zwar vorläufig einen Betrag von 8000 6., der Landtag 2000 ü. votirt.
Ausstellung der k. k. gewerblichen Zeiohen- und ltodellirsohule in Inns-
bruok. Am 16. Juli begann die Ausstellung der Schülerarbeiten in der k. k. gewerb-
lichen Zeichen- und Modellirschule in der tirolischen Landeshauptstadt. Wer die vier
Hauptsale des etwas vom Centrum der Stadt entfernten, allein zweckmäßig eingerichteten
palastahnlichen Schulgebäudes durchwandert, wird nicht umhin können, seine Befriedigung
über die großen Fortschritte auszudrucken, welche die Schüler dieser vor nicht langer
Zeit in das Leben gerufenen Anstalt bereits gemacht. Es zeigt sich hiebei die große Be-
gabung des tirolischen Stammes für bildende Kunst, allein es darf auch nicht das Ver-
dienst vergessen werden, welches sich Director Deininger, der heuer durch das Ver-
trauen seiner Mitbürger in die Gemeindevertretung berufen wurde, um die bisher etwas
vernachlässigten kunstgewerblichen Interessen zu vertreten, unterstützt durch bedeutende
Kräfte, wie den in weiteren Kreisen bekannten Maler Roux und Bildhauer Fuß, um
Leitung dieser Schule erworben hat. Insbesondere sind die Leistungen in der Modellir-
abtheilung hervorzuheben und die Auswahl der Muster, die aus allen Kunstperioden,
angefangen vorn dorischen Stile bis auf die modernste Zeitrichtung, genommen wurden,
so dass deren Ueberblick auch ein kunsthistorisches Interesse hat. Eine genauere Dar-
stellung dieser Ausstellungsgegenstande in einem Fachblstte Ware wunschenswerth, ebenso
lässt sich holTen, dass solche Ausstellungen anregenden Einfluss ausüben und eine Ver-
mehrung der Schülerzahl herbeiführen werden.
Faohsohulo für Reproduutlonsverfahreu. Eine solche ist in Salzburg ein-
gerichtet worden und bildet dieselbe eine Abtheilung der dortigen k. k. Staats-Gewerbe-
schule. Zweck dieser gewiss höchst beachtenswerthen Fachabtheilung ist alle diejenigen
Reproductionsmethoden zu lehren, welche gegenwärtig bereits in so umfassender Weise
zu Illustrationen aller Art verwendet werden. Die Fachschule besitzt Ateliers für Photo-
graphie, Galvanoplastik und Zinkätzung, einen Druckereisaal mit Pressen und ein che-
misches Laboratorium. Doch nicht allein Schularbeiten werden hier ausgeführt, sondern
auch Arbeiten auf Bestellung, und sind z. B. die Zinkhochatzungcn des -Salzburger
Gewerbeblattesw aus diesem Atelier hervorgegangen. Die verschiedenen Techniken, welche
hier gelehrt werden, sind Photolithographie, Phntoxylographie, Photozinkographie,
Phohogalvanographie. Uebertragung von Photographien auf Stahl und Kupfer mit Tief-
atzung, Zinkhochatzung. Erzeugung von Stereotypplatten in Letternmetall, Galvanoplastil-r,
Photographie- und Lichtdruck. Die Verfahren werden wissenschaftlich erläutert und im
Zusammenhang damit nach Bedürfniss die mannigfachen Abarten und verwandten Spe-
cialitaten Kohledruck, photographischer Farbendruck, Durchätzen von Metallplatten zur
Einlagearbeit etc. auf chemisch-technischem Wege durchgenommen.
Bauslndustrlesohule in Oedenburg Director M. Schranz veröffentlicht
soeben den zweiten Jahresbericht der Hausindustrieschule in deutscher und ungarischer
Sprache. Der Zweck der Schule, die Jugend an Arbeitsamkeit und Sparsamkeit zu ge-
wöhnen, ist gewiss ein löblicher. Wir haben wiederholt in diesem Organe darauf hin-
gewiesen, wie nöthig es ist, die Schuljugend nicht bloß zu politischer, sondern auch zu
gewerblicher Thätigkcit heranzubilden; jeder Versuch, der nach dieser Richtung gemacht
wird, verdient Beachtung. In der Oedenburger Hausindustrieschule wird das Flechten,
Laubsagen, Schnitzen, sowie Tischlerarbeit gelehrt. Mit dieser Schule, die von der Re-
gierung mit einem jährlichen Beitrage von 500 8., von der Sparcssse und der Handels-
kammer mit lou fl. subventionirt wird, ist eine Schulsparcasse verbunden.
Das schlesische Museum der bildenden Künste in Breslau.
lm Laufe dieses Jahres wurde das neu gegründete Schlesische Museum
der bildenden Künste eröffnet. Die glänzend ausgestattete Festschrift des
Curatoriums gibt ein anschauliches Bild des Gebäudes und erläutert zu-
gleich die Zielpunkte der Anstalt. Das Museum enthält l. eine Gemälde-
sammlung mit Räumen für die periodischen großen Ausstellungen
des Schlesischen Kunstvereines, wo in den Zwischenräumen eine perma-
nente Gemälde-Ausstellung Platz finden soll; 2. eine Abtheilung für
plastische Kunst, die sich wesentlich zu einer Sammlung von Gyps-
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abgüssen bedeutender Werke der Antike, der mittelalterlichen Kunst und
der Renaissance gestaltet" 3. eine Abtheilung für die Bibliothek
und den Kunstdruck; eine kunstgewerbliche Abtheilung, deren
beschränkte Raumverhältnisse mehr zu periodisch wechselnder Aufstellung
von in fremdem Besitz befindlichen Gegenständen, als zur Erwerbung
einer eigenen Sammlung passen.
In dem Museum sind mäßig große Räume Ateliers für Maler und
Bildhauer vorhanden, welche den Herren Ad. Dreßler, Maler in Breslau
und dem Bildhauer Rob. Toberentz aus Berlin anvertraut wurden. Die
Sammlung der Landesalterthümer hat in dem neuen Museum keine Stätte
gefunden; auch für Kunstindustrie und für die Kunst des Landes dürfte
in anderen Anstalten gesorgt werden. Jedenfalls ist die Gründung dieses
Museums, für dessen Bau der Staat eine namhafte Summe, beigesteuert,
freudig zu begrüßen.
Da gegenwärtig in Graz, Prag, Brünn und Innsbruck die Museums-
frage ventilirt wird, so dürfte es um so mehr interessiren, was soeben in
Breslau durchgeführt wurde. -E.
P5115. Ausstellung im Musäß des arts däoolatifs. Das nunmehr im industrie-
palast definitiv eingerichtete Musee des arts decoratifs in Paris, für welches sich in
allen Kreisen der Bevölkerung warme Theilnahme ltundgibt, beschließt demnächst seine
Ausstellung von decorativen Zeichnungen alter Meister und eröffnet eine Ausstellung
decorativer Gemälde, welche von besonderem Interesse sein dürfte. Die vornehmsten
Liebhaber Frankreichs haben dern Museum ihre Schätze zur Verfügung gestellt und auch
zahlreiche öffentliche Sammlungen haben höchst werthvolle Objecte beigesteuert; nament-
lich hat die Nationalbibliothek vier prachtvolle Decorationsgemalde von Boucher und
die Gobelins-Manufactur viele schöne Entwürfe dieses Meisters zu decorativen Gobelins
geliehen. Auf der Ausstellung werden hauptsächlich Boucher, Fragonard, Watteau,
Tiepolo, Chardin, Hubert, Robert und Huot gut vertreten sein. Der Katalog der bevor-
stehenden Ausstellung ist schon fertig gestellt und erscheint von nicht geringerem Werth,
nls der Katalog der eben beendigten Ausstellung von Handzeichnungen.
Das Städtische Museum in Venedig ist am 4. Juli d. J. in dem Fnndaco dei
Turchi eröffnet worden.
Die neuesten Funde in Olympia. Nachdem die Ausgrabungen auf der Tempel-
statte von Olympia abgeschlossen worden sind, veröffentlicht Dr. Georg Treu, der
gegenwärtige Leiter des Unternehmens, im i-Deutschen Reichsanzeiger- einen Bericht
über die letzten Funde, unter denen sich mehrere von hervorragendem Kunstwerth
befinden, so namentlich der lebensgroße Bronzekopf eines olympischen Siegers.
Ueber dieses der Diadochen-Periode entstammende Kunstwerk schreibt Dr. Treu "Es
ist das Bildniss eines reifen Mannes, dessen finster und entschlossen dreinblickendes Ant-
litz von dichtem, wirrem Haar und Bart tief beschattet und eingerahmt wird. Der Kranz
von wildem Oelbaum kennzeichnet ihn als Olympioniken; die dick verschwollenen Ohren
in bekannter typischer Weise als Pankratiasten oder Faustkämpfer, der die Spuren des
Kampfes, welchen er übt, nicht verleugnen kann. Die Lippen scheinen versilbert gewesen
zu sein; die Augapfel, ursprünglich wahrscheinlich aus farbigen Steinen gebildet, fehlen
jetzt. Höhe 31 Centirneter genaue Lebensgroße, wie wir annehmen müssen, da es den
Hellanodilten oblag, genau darüber zu wachen, dass dieselbe nicht etwa überschritten
wurde. Da erst ein dreimaliger olympischer Sieg das Recht zur Aufstellung einer Statue
in voller Bildnissahnlichkeit verlieh und die übrigen Sieger sich mit typischen Athleten-
bildern begnügen mussten, so kann darüber gar kein Zweifel sein, dass unser Kopf das
Bildniss eines hochberßhmten Olympioniken ist. Denn die charaktervolle Hasslichkeit
seiner Zuge ist von dem Künstler in all" ihrer brutalen Energie mit einer Unverliolen-
heit, ja virtuosen Geflissentlichkeit wiedergegeben worden. Uebrigens vcrrath Alles einen
Meister ersten Ranges. Haar und Bart sind von vollendeter Virtuosität; diese sich durch-
und übcreinanderbaumendcn Haarmassen, dieses geistreiche Spiel in sorgfältig durch-
ciselirten Einzelheiten ist rnit einer sicheren Bravour durchgeführt, wie sie erst der
Epoche der pcrgamenischen und rhodischen Schulen zur Verfügung stand. In diese Zeit,
in das zweite oder dritte vorchristliche Jahrhundert, weist auch der geniale Realismus
der Portratauffassung."
B-ihnnrta; du k. lt. nur-m. Inneulua. lJut-lttlrtirkcrei von Cnrl Gemlrl" Sllbll in wies.