. 243 Die Veranstalter dieser Ausstellung, zu denen in erster Linie die Herren Dr. Albert llg, H. Käbdebo und Maler Aug. Schäffer zu zählen sind, haben sehr gut gethan, eine historische Porträt-Ausstellung zu wählen. Für Porträt-Darstellungen hat das kunstliebende Publicum ein weitaus größeres Verständniss, als es bei einer anderen Art von Kunstwerken älterer Kunst- perioden der Fall ist. Bei dem Porträt hat der Beschauer ein doppeltes Interesse; das künstlerische und das historische. Beide Gesichtspunkte treten bei der gegenwärtigen Ausstellung hervor; denn dieselbe umfasst eine Periode der österreichischen Geschichte, in welcher eine Reihe von bedeutenden Per- sönlichkeiten sich geltend machte, die näher kennen zu lernen jedem Kunstfreunde Wien's in hohem Grade interessant sein muss. Es würde sich der Mühe lohnen, die ausgestellten Porträte genauer vom künstlerischen und kunsthistorischen Gesichtspunkte zu erörtern, aber in diesem Organe begnüge ich mich mit einigen wenigen und Büch- tigeren Bemerkungen. Die Zeitperiode, welche die jetzige historische Porträtausstellung umfasst, ist jene zwischen 1680-1840, das heißt eine Periode, in wel- cher die Blüthezeit der großen Porträtmalerei schon vorüber war. Würden die Porträtdarstellungen der Periode von 1480-1680 zur Ausstellung gelangt sein, so wäre es möglich gewesen, die verschiedenen Meister ersten Ranges dem Publicum vorzuführen, welche auch ein spe- ciiisch österreichisch-historisches lnteresse haben, wie die Porträte aus der Zeit Carl V. und Maximilian l. Die Veranstalter der gegenwärtigen Ausstel- lung haben'aber recht gethan, die Auswahl der Porträte auf die Zeit r68o bis 1840 zu beschränken; denn gerade aus diesen Jahren gibt es in öffent- lichen und Privatsammlungen sehr viele gute Porträte, die theilweise nicht so bekannt sind als sie es verdienen. Will man sich über die Be- deutung_der ältern großen Porträtmalerei orientiren, so genügt ein Gang durch die kais. Gallerie im Belvedere und durch die Liechtensteingallerie. Die Zeit von x68o- 1840 ist mehr oder minder eine Zeit des Ver- falls, des Ausklingens der großen Malerschulen in Italien, der Niederlande und Deutschland. Die ältesten und hervorragendsten Bildnisse, welche aus- gestellt sind, insbesonders die lebensvollen Bilder der Familie Aham von einem unbekannten Maler, die Porträte von Joh. K u p et zk y, Christian S ey - bold , van Schuppen, Meytens , sind fast ganz noch mit der Palette der großen Maler der Mitte des 17. Jahrhunderts gearbeitet. Unter die Porträte, welche aus der französischen Kunstschule hervorgegangen den ersten Rang einnehmen, gehören vor Allem die von H. R. Rigaud (Nr. 24, 25, 35, 37) gemalten, das reizende Porträt der Erzherzogin Marie Christine von A1. Roslin, das gewaltige Bild Bona- parte's von Louis David, das Familienporträt von Gerard, denen sich M. Meytens, van Schuppen und andere anschließen, welche wohl der Hauptsache nach der französischen Kunstschule zuzuzählen sind.