Minllßilunuen des k. k. llestarreinh. Musaums
KUNST UND INDUSTRIE.
tMonatschrift für Kunst und KunstgewerbeA
Am 1. eines jeden Monats erscheint eine Nummer. Abonnementspreis per Jahr 14.--
Redacteur Eduard Chmelarz. Expedition von C. Geroldis Sohn.
Man abonnin im Museum; bei Gerold Comp., durch die Postanstalten, sowie durch
alle Buch- und Kunsthandlungen.
IWIEN, l. Novsmum I88I. XVI, Jahrg.
Nr.
Inhalt Die Araheske der Renaissance. Von Dr. Stockbauer. Die keramische Abtheilnng im Oelterr.
Museum. Von J. Folnesicn. Form Programm der Donnerstag-Vorlesungen im Winter-
semester 1881182. Literamrbericht. Kleinere Minheilungen.
Die Arabesko der Renaissance.
Von Dr. Stockbau er.
Die Arabeske des 5. und beginnenden 16. Jahrhunderts ist eine fast selb-
ständige Lebensäußerung der damaligen Kunst; von verhältnissmäßig gewiss
sehr wenigen blos plastischen antiken Vorbildern Thürpfosten, Friesen,
Sarkophagen ausgehend, hat sie das Höchste erreicht aus eigenen Kräften.
Burckhardt, der Cicerone, S. 234 nUnter den verschiedenen Arabesken-
formen aber ist die italienische Pflanzenarabeske für alle Zeit das muster-
giltigste Vorbild derartiger Bildungen und Verzierungen, sie ist in ihrem
Wesen und ihrer Erscheinung die duftreichste Blüthe eines künstlerisch
hoch und bedeutend angelegten Zeitalters. Wohl kannte auch die Antike
schon derartige Verzierungsweisen. Abgesehen von den oben erwähnten
plastischen Vorbildern sind uns in den pompejanischen Wandmalereien
reizende und poesievolle Muster erhalten, und die Wiederauffindung der-
selben hat wesentlich beigetragen, dieser Verzierungsart besondere Auf-
merksamkeit und Pflege zu gewinnen. Die italienische Renaissance schuf
aber ihre Muster in freier schöpferischer Kraft, kaum beeinflusst von den
ihr zugänglichen antiken Kunstresten dieser Art und gerade in dieser
Originalität und Selbständigkeit liegt ein wesentlicher, die ganze Cultur-
und Kunstperiode charakterisirender Werthnt
Der Name vArabeskeu ist ein allgemeiner Gattungsbegriff, der hier
weder Abstammung noch Wesen irgendwie bezeichnet. Die eigentliche
Arabeske von dem Volke der Araber und ihrer Verzierungsweise auch
sprachlich sich ableitend ist etwas ganz Anderes als das interessante
Vlll. Bd. 1881. 30
Pllanzenornament der ltaliener, und wenn diese mit Rabeschi zunächst
die aufsteigenden Verzierungen der Pilaster im Gegensatz zu den Verzie-
rungen an den Friesen bezeichneten wenn sie dann mit diesem Namen
wjede Art von ausfüllendem, zusammenhängendem Zierrath, von Verherr-
lichung der Flächen benannten, so wendeten sie blos einen vorhandenen
allgemeinen Begriff für etwas ganz Specielles und Besonderes an.
Als Aufgabe der italienischen Renaissance-Arabeske bezeichnet Burck-
hardt Geschichte der Renaissance in Italien, S. 216 vdie mehr
idealen oder mehr realen Pflanzen sowohl in Betreff der Blätter als der
Verschlingungen und Windungen edel zu bilden, sie mit belebten sowohl
als leblosen Gegenständen richtig zu vermischen oder wenn das Grund-
motiv statt einer Pflanze mehr eine Trophäe ist, dieselbe aus schönen und
unter sich anmuthig zusammenhängenden Gegenständen zu componirenu.
nDie Pflanzen, meist dem Akanthus und dem Weinlaub sich nähernd, die
realistischen allen möglichen Blättern und Früchten nachgebildet, beginnen
unten gerne mit einem Kandelaber oder Gefäß, ja bisweilen bildet der
Kandelaber, mit Zwischenschalen und anderen reichen Absätzen, bis oben
den Stamm, um welchen Blätter spielen. An Kirchenpforten erklärt sich
das Motiv als ideales Nachbild eines festlichen Laubschmuckes. Nistende
und pickende Vögel beleben oft das Ganze. Benv. Cellini l. 3x bemerkt,
dass in der lombardischen Decoration Epheu und Zaunrübe. in der tos-
kanischen und römischen der Bärenklau, d. h. der Akanthus, vorherrsche.u
nDie mehr trophäenartigen Arabesken bestehen zum Theil aus Waßien,
die an einem Stabe befestigt sind, meist aber aus einer originellen
Mischung aller möglichen belebten und todten Gegenstände. Auch an
heiligster Stätte, in den Arahesken der Marmoraltäre war man über das
Sachliche ganz unbedenklich; es kommen wohl etwa heilige Geräthe,
Cherubim u. dgl. vor, aber meist ganz Profanes und Beziehungsloses.
Wiederum verwandelt sich der Träger des Ganzen in einen aus kan-
delaberartigen Gliedeirn zusammengesetzten Prachtkörper, an welchem
Thiere, Fabelwesen, Thierköpfe, menschliche Gestalten, ja kleine Gruppen
als Träger, Draperien, Putzsachen Wappenschilde Waffen, Bänder,
Kränze mit Medaillons, Füllhörner und andern anmuthigen Sachen an-
gebracht sindß vDasAlterthum hatte es, von seiner Uebung in Trophäen-
friesen aus, auch wohl einmal zu einer aufsteigenden Trophäenverzierung
gebracht, wie z. B. an zwei Pfeilern in der Galerie der Uflicien, welche
misslungen genug sind; es hatte auch wohl Feldzeichen in seine Pilaster
aufgenommen, allein von der Vielartigkeit des Reichthums und von der
sicheren Behandlung, welche die aufsteigende Verzierung jetzt erreichte,
finden sich im Alterthurn kaum die ersten Anklängem
lm Großen und Allgemeinen sind hier die drei Arten beschrieben,
in welche die italienische Renaissance-Arabeske sich theilt die Pflanzen-
arabeske, Trophäenarabeske und die Groteskenarabeske.
83",
Die Pfianzenarabeske ist, wie gesagt, die idealste Verkörperung des
Pßanzenwuchses und in ihrer Gestaltung frei und unbeschränkt wie die
ewig schaffende und bildende Natur.
Eines der schönsten Exemplare dieser Gattung ist an dem Prälaten-
grab in der Kirche Sa. Maria del popolo in Rom von der Meisterhand
des Andrea Sansovino. Von einem Mittelpunkt aus, der durch eine Maske
und darüber angebrachte Füllhörner mit pickenden Tauben etc. bezeichnet
wird, gehen zwei Pflanzenstengel in ungemein graziösen Windungen nach
den beiden Seiten auseinander, setzen leicht geschwungene Blätter und
Ranken an und schließen in prachtvollen Blumendolden ab. Die ganze
Art dieser Composition gleicht einem frisch und harmonisch klingenden
Lied das in weichen Modulationen vom leisesten Piano bis in's stärkste
Forte abwechselnd fortklingt und harmonisch und wohlthuend ausklingt.
Ebenso graziös und fein empfunden ist die aufsteigende Pflanzenarabeske
der italienischen Renaissance. Die mit ihr verzierten Pilaster gewinnen
dadurch ein ideales pflanzenartiges Gepräge, und wenn wirklich die tem-
poräre Ausschmückung der Kirchen- und Palastportale mit geschmückten
Bäumen etc. dazu Veranlassung gegeben haben soll, was aber höchst
unwahrscheinlich ist, so klingt in solchen Bildungen diese Abstammung
kaum mehr durch. Sie sind ganz selbständige, freie Schöpfungen einer
üppig und doch in strengsten Grenzen sprudelnden Phantasie, einer Phan-
tasie, die wie ein lustiges Lied in allen Variationen sich bewegt und doch
stets den Grundton durch alle diese Variationen und Schwingungen be-
wahrt und einhält. Nicht nur aber die Pilaster, auch andere verticale
Flächen werden mit diesem Ornament geschmückt, und schließlich sehen
wir dasselbe auch die Säulen in äußerst zierlicher Anordnung umschlingen.
Ein Beispiel vom Letzteren sehen wir an dem schon erwähnten Prälaten-
grab von And. Sansovino.
ln allen diesen aufsteigenden Pflanzenarabesken lässt sich in Bezug
auf die Composition die Regel verfolgen, dass eine fortwährende Steigerung
vom Schweren zum Leichten, vom mehr Massiven bis zum ätherisch Luf-
tigen stattfindet. Ausgehend von einem Laubgebilde, sehr häufig einem
schön stilisirten Akanthus oder einer Vase als Unterlage, winden sich die
Püanzenstengel, entweder in symmetrischer Anordnung doppelt um einen
Mittelstab oder Kandelaber gruppirt, oder in freier Verästelung empor,
schmücken sich mit Kränzen, Schildern, Tafeln etc. und endigen oben mit
zarten Zweigen, worauf Vögel sich lustig schwingen, in Schalen, worauf
Feuer brennt, in geflügelten Gestalten und anderen Elementen, welche
eine scheinbare Verbindung dieser Abschlüsse mit der freien gewichtlosen
Luft bewerkstelligen.
Diese Pflanzenarabeske erfährt durch complicirtere Zusammenstellung
eine ungemein große Mannigfaltigkeit. Namentlich geschieht dies durch
Einfügung von figürlichen Darstellungen, durch Anbringen von vollstän-
20'
digen Rahmen mit Bildern in denselben, durch symbolische und mytho-
logische Details, durch Draperien u. dgl.
Die Trophäenarabeske ist ihrer Natur und ihrem Namen nach darauf
angewiesen, aus Waden und Rüstungsgegenständen eine solche Anordnung
zu treEen, dass damit eine Fläche angenehm belebt und ausgestattet wird.
Sie unterscheidet sich von den anderen Arabeskenarten auch dadurch,
dass ihr mehr ein beabsichtigter Zusammenhang zu dem Zwecke und der
Bestimmung des mit ihr decorirten Gebäudes zukommt. Wo sie selb-
ständig, also nicht mit der Pllanzenarabeske verbunden auftritt, wird sie
entweder in der Weise angeordnet, dass ein Holzstamm als Träger des
ganzen Trophäenapparates dient, an welchem die verschiedenen Waffen
und Rüstungsstücke in Abtheilungen und Unterbrechungen angebracht
sind; oder ein oben durch einen Ring gezogenes und aufgehängtes Band
verbindet in Zwischenräumen solche Trophäenstücke zu einem Bündel und
Hattert unten in seinen Ausläufern frei. Eine reiche Menge solcher Com-
Positionen ist uns u. A. von Lafreri erhalten.
In die Classe dieser Trophäenarabesken sind auch die Decorationen
zu rechnen, welche sich nur aus kirchlichen Emblemen, wie z. B. an den
Fenstern der Certosa in Pavia, zusammensetzen. Hier sind geflügelte
Engelsköpfe, Kannen, Bücher, Kelche mit Patenen, Weihwassergefäße,
Priesterkleider, Fackeln, Leuchter, Kissen etc. in abwechselnden Zwischen-
räumen an einem hängenden Bande befestigt und mit Schleifen daran
gebunden. Hieher sind weiter alle jene Flillungsornamente zu rechnen,
welche sich aus anderweitigen Emblemen, aus Werkzeugen und Geräthen
zusammensetzen, welche todtes Wild und Geflügel zeigen und zur sym-
bolischen Bezeichnung von Begriffen dienen, die an sich der plastischen
Darstellung unzugänglich sind.
Die Groteskenarabeske ist eine wunderbare Schöpfung der Renaissance
und in ihrer maßvollen Anwendung der reinen Pfianzenarabeske auf's In-
nigste in Bezug auf Schönheit verwandt. Schon irn classischen Alterthum
kam diese Decorationsweise zur Geltung und die sagenlustige Zeit ver-
fehlte nicht, diese Kunstbildung mit märchenhaftem Zauber zu umgeben.
Das Heer Alexanders des Großen, so wird erzählt, kam auf seinem
Zug nach Indien einst in einen wunderbaren Wald, dessen Bäume ihre
Aeste zu Boden senkten, die in demselben festwurzelnd wieder zu Bäumen
wurden. Als die Soldaten sich durch diesen Wald einen Weg bahnten,
kamen sie auf eine Lichtung, auf eine Wiese, von woher ihnen ein wun-
derbarer Gesang entgegentönte. Auf dieser Wiese wuchsen ganz seltene
Blumen, aus deren Blumenkelchen mit Aufgang der Sonne Mädchenköpfe
sich erschlossen. Diese Blumen-Mädchen scherzten und sangen, so lange
die Sonne am Himmel stand, sobald aber die Dämmerung einbrach,
wurden sie müde und schläfrig und mit dem Untergang der Sonne starben
sie ab.
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Wir haben in dieser Erzählung unstreitig eine Erklärung vor uns,
mit welcher man die seltsamen Formen halb Mensch und halb PHanze
des Groteskenornamentes auf eine geschichtliche Basis setzen wollte.
Die Renaissance bildet das Groteskenornament in den mannigfaltig-
sten Formen und Gestaltungen weiter." In Verbindung mit Thier- und
Menscheniiguren, in Verbindung mit Masken, Inschrifttafeln u. a. tritt es
auf in den schönen Glasgemälden der Bibliothek in Florenz, welche dem
Giovanni da Udine zugeschrieben werden.
Hier macht sich das Groteskenornament zunächst in den Widdern mit
Fischschwänzen und in den geflügelten Hermen geltend, welche aus Blu-
menkelchen hervorwachsen. Etwas entwickelter sehen wir dieses Ornament
in Zeichnungen von Serlio, in welchen häufig der untere Theil von
Menscheniiguren in graziöse Pßanzenspiralen mit Blumen und Blättern
auswächst.
In ausgepräglester Weise tritt das Groteskenornament auf, wenn es
in möglichst freier und phantasievoller Behandlung die Thier- und Men-
schenform dem Pilanzenorganismus so einverleibt, dass beide mit einander
eine und dieselbe Structur und organische Entwickelung zeigen. Da wächst
der Blumenstengel in eine Blüthe aus mit menschlichem Gesicht oder' in
eine phantastische Thierform, da trennen von den Pilanzenstengeln sich
Zweige los, die im Allgemeinen den Charakter gewisser Thierbildungen
annehmen, im Besonderen aber dem Pf-lanzencharakter so Rechnung tragen,
dass eine völlig neue Erscheinung entsteht, eine pflanzliche Thierform mit
den bizarrsten und wunderlichsten Auswüchsen.
Der wunderbare Zauber der italienischen Arabeske ist wesentlich von
der gelungenen, dem Material so völlig entsprechenden Ausführung und
Composition abhängig. Ganz anders stellt sich dieselbe dar im Relief be-
handelt, ganz anders als Flachornament; in Marmor, Holz oder Metall
ausgeführt, hat das Relief wieder Eigenheiten und Schönheiten, die auf
das Material formbedingend zurückgreifen. Im Buchdruck, als Marmor- oder
Holzeinlage ist die italienische Flacharabeske unter sich wieder verschie-
den, aber stets auf möglichst feine und wahrhaft künstlerische Wirkung
berechnet.
Am schönsten und herrlichsten wenn man überhaupt eine Scala
der schönen Darstellung aufstellen kann repräsentirt sich die italienische
Reliefarabeske in Marmor. Die wunderbare Feinfühligkeit der italienischen
Bildner kommt hier zum vollendetsten Ausdruck. Die Arabeske gestaltet
sich in der feinen Abstufung von leichten und feinen Spiralen bis zum
fest und energisch vordringenden Blätter- und Blumenbüschel, zu einer
Art Musik, die in Piano und Forte abwechselnd zum stärksten Fortissimo
fortschreitend und in heiteren Accorden schließlich, wie im Nachhall der
Töne ersterbend ausklingt. Wesentlich wirkt hier auch der angenehme
Wechsel von Licht und Schatten mit und gerade durch diese Berechnung
unterscheidet sich diese Arabeske von der einer späteren Zeit.
Ganz anders gestaltet sich die Arabeske in Holz ausgeführt. Hier
ist eine derbere Behandlung am Platze, aber nicht auf Kosten des Ein-
zelnen. Die natürliche Structur der Fasern erfordert eine compactere
Gestaltung des Ornaments und dies um so mehr, als der dunkle Holz-
grund nicht den feinen Lichtv und Schattenwechsel wie der Marmor be-
günstigt. Um die Ornamente nun mehr in den Vordergrund zu rücken,
hat man den Hintergrund punktirt, ihn dadurch mehr lichtaufsaugend,
also dunkler zu machen gesucht, oder aber man hat den entgegengesetzten
Weg eingeschlagen und diesen Hintergrund vergoldet und endlich die
obersten Kanten und vorspringenden Ecken der Ornamente wie mit Gold-
lichtern aufgehöht. Dadurch entstand eine vornehm feierliche" Wirkung,
die stets ihres Erfolges sicher war.
Am eigenthümlichsten gestaltete sich die Arabeske in Metall, in Erz.
Hier war der feinen Behandlung und Ausarbeitung keine Grenze gesteckt,
hier konnte die Virtuosität sich in ihrer vortheilhaftesten Seite zeigen.
Die Consistenz und Zähigkeit, die Weichheit und Nachgiebigkeit gestat-
teten die größten Feinheiten und die Ductilität des Tones und seine
Plasticität kam in Bezug auf das Gussmodell ganz vorzüglich den treff-
lichen Eigenschaften des Erzes, seiner Festigkeit und weiteren Bearbei-
tungsfähigkeit entgegen daher haben diese Erzornamente eine Frische und
Lebendigkeit in der Darstellung, eine, um mich so auszudrücken, natür-
liche Stimmung, die direct auf die Natur als Formmodell hinweist und
doch wieder diese Natur nur im Großen wiedergibt. Ich erwähne als
Beispiel nur die Umrahmungen an den italienischen Thüren, besonders in
Florenz, an welchen die bezeichneten Merkmale sich in besonderer Weise
zur Darstellung bringen.
Ebenso eigenartig ist die gemalte Arabeske, mit der wir die Flach-
arabeske einleiten wollen. Wer kennt nicht die Loggien des Vaticans, an
denen Rafaels Meisterhand thätig war. Diese gemalte Arabeske bildet
durch ihre Verbindung von Plastik und Malerei eine ganz eigene Gattung
und ihr zuerst kam der Name Groteske zu, weil in antiken Gebäuderesten
unter der Erde, in Grotten, solche Decorationselemente der antiken Zeit
sich erhalten haben. Später wurde der Name Groteske mehr begrenzt und
wie wir oben erwähnten, auf die phantastischen Verbindungen von Thier-
und Plianzenformen angewendet. Die gemalte Arabeske ist eine ungemein
freie und phantasievolle Schöpfung der Renaissance. Mit ihr ist die Pflanze
wirklich frei geworden, aus dem Schema der mittelalterlichen Stilisirung
herausgetreten und zu einer geistvollen Verklärung der Natur geworden.
Frühling und Sommer, Herbst und Winter liehen ihr ihre Farben, alles
Schöne in der Natur an Form und Farbe wurde vereinigt zu einem sin-
nigen naturgemäßen Gebilde, das wieder der Kunst und ihren Gebilden
freundlich die Hand bot und mit selben sich einte, so zwar, dass es oft
schwer ist, zu sagen, welch' größeren Antheil an diesen Kunstschöpfuugen
die vorbildliche Natur oder deren künstlerische Umbildung hatte.
In den Einlagen sei es in Marmor oder Holz betritt die ita-
lienische Arabeske wieder ein besonderes Feld. Hier muss durch den Ge-
gensatz von dunkel und hell gewirkt werden und in geradezu muster-
hafter Weise sehen wir diesen Gegensatz in künstlerische Berechnung ge-
zogen. Was wir heute mühsam durch Versuche erproben, lag den ita-
lienischen Künstlern gewissermaßen in Fleisch und Blut. Wie ganz anders
ist beispielsweise die dunkle Einlage in hellem Marmor behandelt, als die
Einlage von hellem Holz in dunkleres. Seitdem Teirich die schönsten
dieser Ornamente gesammelt und in mustergiltiger Publication veröffent-
licht hat, ist auch dem dieser Richtung ferner Stehenden das Verständniss
für diese Decorationsart und die Gesetzmäßigkeit ihrer compositionellen
Anordnung klar geworden und die allgemeine und großentheils gelungene
Wiederaufnahme dieser Decorationsart in unserer Zeit hat zum großen
Theile in diesen Publicationen ihren Grund.
Die Verhältnisse von hell und dunkel und umgekehrt, wie solche in
den italienischen Holz- und Marmoreinlagen sich zur Beachtung darlegten,
fanden auch ihre Berücksichtigung in den Bücherornamenten, namentlich
den Titeleinfassungen.
Diese Titelverzierungen setzten sich in der Regel aus einzelnen Holz-
stöcken zusammen und sind deshalb häufig nicht ganz tadellos, aber desto
mehr zeugen sie in diesem ihrem mosaikartigen Flickgewande von dem
klugen Verständniss für die Composition im Allgemeinen und namentlich
für die feine Berechnung der weißen Ornamente in ihrer Wirkung auf
dem schwarzen Grund.
Ich übergebe die verschiedenartige weitere Behandlung der italieni-
schen Arabeske in den gravirten und geätzten Arbeiten, in den gepressten
Lederarbeiten auf Buchdeckeln und Aehnliches und will im Gegensatz zu
diesen einen Blick auf die deutsche Arabeske werfen.
Die reine Pflanzenarabeske ist den Deutschen nie in dieser Voll-
endung wie den Italienern gelungen. Mag der einheimische gröbere Stein,
ein weniger feineres künstlerisches Verständniss, das Nachwirken der derben
gothischen Blätter daran Schuld haben die Thatsache steht fest und
ist unleugbar. Entschiedenen Anlauf zu einer feineren Pflanzenarabeske
macht Heinrich Aldegrever, aber auch seine Pflanzen bleiben im Großen
und Ganzen weit hinter der italienischen Behandlung zurück und ver-
lieren sich zuweilen aus der symmetrischen Ordnung und ergehen sich in
Verästelungen, die in ihren Unregelmäßigkeiten die systematische Anord-
nung verletzen; die bloße Beachtung der Wirkung zwischen Zeichnung
und Grund und ein Abwiegen dieses Verhältnisses in Bezug auf künst-
lerische Schönheit und Rhythmik ist noch lange nicht hinreichend, dieses
Ornament auch wirklich gefällig und anziehend zu machen.
Die Trophäenarabeske kommt in Deutschland weniger zur Geltung.
4.013
Dagegen findet besondere Bevorzugung die Groteskenarabeske. Wohl
die herrlichsten Gebilde auf diesem Felde verdanken wir den genialen
Zeichnungen Mielichs.
Diese Hotte Behandlung des allerdings etwas eigenthümlichen Pflan-
zenwuchses, die Behandlung des Figürlichen und der halbplianzlichen
Phantasiegebilde männlich und weiblich in der originellsten und freiesten
Darstellung, diese phantastischen Kampfscenen in dem lustigen Ranken-
gewirr sind köstliche Erzeugnisse einer geschulten und üppig erblühenden
Phantasie, wie sie selbst den Italienern nicht eigen war. Diese Arabesken-
form fand in kurzer Zeit in Deutschland die allgemeinste Anerkennung
und die allgemeine Structur der Zeit, die sich in phantastischen Kleidern,
in öffentlichen Aufzügen und Scherzen so charakteristisch abspiegelte, ist
gewiss auch auf diese Bevorzugung von Einfluss geworden.
Neben der Groteskenarabeske kommen aber in Deutschland noch
drei verschiedene Arabeskenarten zur Geltung, die hier einen mehr oder
weniger selbständigen Charakter annehmen.
Die erste Gattung ist die eigentliche Arabeske das specitisch ara-
bische Ornament. Jeder kennt das geniale Linienspiel, mit dem die Völker
des Islam ihre Gewänder und Teppiche, KNaHen und Geräthe und Gefäße,
ihre Fußböden, Wände und Flächen der Häuser, kurz Alles, was Fläche
bot, verzierten.
Diese arabische Flächenverzierung, die Arabeske, kam auf doppeltem
Wege nach Italien und von da nach Deutschland, von Spanien aus und
vom Orient, namentlich Persien. Merkwürdig dabei ist, dass die Deutschen
damals ein viel feineres Assimilationsvermögen als die Italiener bewiesen,
denn unter ihren Händen ging die Arabeske eine Stilwechslung ein, die
von der schönsten Wirkung war und ihre Anwendung zu einer univer-
sellen gestaltete. Namentlich waren es die Kleinmeister, welche, wie Virgil
Solis, BfZahn u. A., dieses vmoreske und türkische Zugwerku verbrei-
teten, zahlreiche Beispiele davon gaben und so ein eigenes Decorationsfach
begründeten.
Wie die Franzosen und Engländer heute japanische Decorations-
stücke für ihre Kunstwerke verwerthen und dieser ostasiatischen Kunst-
richtung Eingang bei uns und eine neue Heimat geschaffen hatten, so
trugen die Kleinmeister des 16. Jahrhunderts die orientalische Arabeske
in alle Werkstätten und sicherten ihr durch zahllose Kupferstiche eine
ungemessene Verbreitung und ewige Dauer.
Diese Lineararabeske wird ein Lieblingsornament der gesammten
deutschen Metallindustrie. Geätzt und gravirt verziert es die Waden und
Rüstungen, in Silber- und Goldtauschirung gibt es dem Eisen eine höhere
Werthclasse, in Niello und Email überdeckt es die Gegenstände aus Edel-
metall, in Silber und Gold. Ewig wechselnd im Besonderen und doch im
Allgemeinen sich gleich, sehen wir bald im ganzen deutschen Handwerk
diese Verzierung heimisch, neben den Werkstätten der Metallarbeiter in
jenen der Buchbinder, der Marmorarbeiter, der Formschneider und in
vielen Anderen. Sehr bald begritT man auch, welch" reizvolle Wirkung
diese Flacharabeske in Verbindung mit anderen Ornamenten plastischer
Art hervor-zubringen im Stande sei. Es entstanden jene Prachtgefäße, jene
Meisterwerke der Goldschmiedekunst, die an sich ein vollständiges Poly-
technikon der damals in Uebung gewesenen Behandlungsarten der Metalle
darstellten. Mit der Treib- und Ciselirkunst, mit der Form- und Gieß-
kunst, mit den Juwelierarbeiten und Emaillirungen verband sich die luftige
Arabeske des Orients in feinem Gravir-, Aetz- oder Niellowerk und half
so wesentlich mit, den gelungenen künstlerischen Eindruck des Ganzen
zu vervollständigen und zu erhöhen
Und gerade jene Meister, die die neue Kunstrichtung der Renaissance
am meisten und umfassendsten cultivirten, mit Holbein an der Spitze, be-
günstigten auch in besonderem Grade diesevLineararabeske und gewannen
dem an sich so einfachen Linienzug immer neue Gestaltungen, neue Schön-
heiten ab. Wie herrlich ist beispielsweise der berühmte Jamnitzefsche
Tafelaufsatz mit diesen Arabesken verziert, andere Beispiele dieser Art
von diesem Meister hat uns Virgil Solis erhalten.
Neben der Lineararabeske tritt in Deutschland noch eine andere Form
der Arabeskenverzierung auf, die einzig in ihrer Art dasteht und "die
ihre Motive aus der glänzend betriebenen Schl0sser- und Schmiedekunst
herleitet und auf's Genaueste den Stil von Metallbeschlägen nachahmtnt
Die Schilderung dieser Arabeske und ihre Würdigung ist in Lübke's Ge-
schichte der deutschen Renaissance so trefflich gegeben, dass ich dieselbe
nur wiederholen kann. "Sogar die Nieten und Nägel mit ihren facettirten
Köpfen, welche bei Metallbeschlägen die einzelnen Theile verbinden,
werden mit ängstlicher Treue in Stein oder Holz wiedergegeben. Diese
Ornamentik ist die Stärke und die Schwäche der deutschen Renaissance.
Es spricht sich einerseits in ihr eine Fülle von Phantasie, Originalität,
eine gewisse Kraft und kecke Derbheit aus. Aber sie zeigt auch, wie tief
der Hang zu geometrischen Formspielen und Künsteleien im deutschen
Geiste steckt, und wie dieser Trieb im Laufe der geschichtlichen Ent-
wickelung immer von Neuem durchdringt. Derselbe Zug hatte in der
gotbischen Zeit zuletzt Alles in Maßwerkspiele aufgelöst; derselbe Sinn
bringt jetzt in der Renaissance unter veränderten Formen und Verhält-
nissen Analoges hervor. Damals war es die Tyrannei des Steinrnetzen, der
sich Alles unterwarf; jetzt ist es die Herrschaft des Metallstiles, speciell
der Schmiede- und Schlosserarbeit, die in den Steinstil hinüber wirkt.
Stets aber bleibt es ein mehr handwerkliches als künstlerisches Princip,
das darin zur Erscheinung kommt, ein Beweis, dass der höchste künst-
lerische Adel bei uns durch eine gewisse Derbheit des Sinnes oder sagen
wir lieber durch spießbürgerliche Pedanterie verkümmert wird. Dies ein-
mal zugegeben und man darf sich dergleichen nicht verhehlen wird
490
man irrlinerhin an der originellen Kraft und Frische der Cdnceptiohen, an
der Sicherheit und flötten Wirkdng dieser Werke sich erfreuen könnenn-
Endlich ist noch eine dritte Art der decorativen Füllungen zu er-
wähnen, die Cartouchen, von dem italienischen cartoccio, aus der italieni-
schen in die deutsche Kunst versetzt und da wesentlich bereichert und
erweitert. Entstanden mögen diese häufig sehr interessanten Ornamente
an den Gelegenheitsdecorationen der Italiener sein, wenn diese mit Pap-
pendeckel oder anderem leicht biegsamem Material in Verbindung mit
Stuck und Gyps lustig freie Schilder mit zierlichen Umrahmungen her-
stellten. Diese Cartouchendecoration verdrängte sehr bald die bei den
ltalienern beliebten architektonischen Anlagen und Compositionen mit
decorativen Elementen, und anticipirten in Deutschland ein eigenes Rococo
der Decoration, lange vor dem 18. Jahrhundert. Theils mehr, theils
weniger gelungen setzt sich die Cartoucheform an die Stelle der Structur
und beherrscht in freier und ungezwungener Weise einen großen Theil
der gesarnmfen Decoration.
Vielfach versetzt sich diese Cartouc-he noch mit der vorhin bespro-
chenen Art und verbindet die in der Behandlung allerdings vielfach mehr
an Zimmerrnanns- als an Schlosserarbeit erinnernden ausgeschnittenen
Rollen und aufgewundenen Ecken mit dem neuen Elemente, aber sehr
bald verbindet sie sich mit Figuren und Masken, mit Draperien und
Festons zu jenen "Gebilden, die wir an Jost Amman und Tobias Stimmer
bewundern.
Mit der Cartbuche hört die selbständige Entwickelung und Weiter-
bildung der Arabäske in Deutschland auf. Sie ist der letzte vollkräftige
Ausdruck deutscher Phantasie und künstlerischer Schaffensfreudigkeit voller
Leben und Frische und selbst in jenen Formen, vor denen der strenge
Stilist bedenklich den Kopf schüttelt, wenigstens immer noch von frischer
lebendiger Kraft getragen, von freiem künstlerischem Geist durchweht.
Wie die Schnörkel und Zierbuchstaben der alten Schreibmeister geht sie
vielfach über die gewohnten Gesetze hinaus, aber sie geht darüber hinaus
im Uebermuthe einer wahrhaft künstlerischen Phantasie und von diesem
Gesichtspunkte aus ist sie uns jetzt nicht blos als eine deutsche Kunst-
leistung früherer Zeit, sie ist uns ihrer selbst wegen und des in ihr spru-
delnden frischen Gestaltungsvermögens der alten deutschen Künstler werth
und vorbildlich bedeutend.
Zeitschrift des Kunstgewerbe-Vereins in München.
Die keraihidblte Ahtheilung llh ßesierr. llüälbülh.
Von J. Folyresics.
Fortsetzung
Unsere Sammlung besitzt drei Nachbildungen dieser Gattung von
Fleischmann in Nürnberg, eine Feldflasche Schr. Nr. 18 mit ver-
schiedenen Reliefbildern, die Macht des Weibes darstellend nach einem
Original im großherzogl. hessischen Museum zu Darmstadt, ferner zwei
Krüge Nr. und 16, deren ersterer sein Original im germanischen
Museum hat und in der früher geschilderten Weise verziert ist. Andere
deutsche und österreichische Fayencen der Renaissancezeit sind der Krug
Sehr. Nr. 22 mit der vVerkündigung-w, zwei große buntglasirte, vasen-
förmige Wasserbehälter freistehend, Nr. 26 und 27 mit Löwenköpfen,
Medailllons und Brustbildern. Eine deutsche Imitation der Palissy-Schüssel
nDie Taufe im Jordan" Scbr. X2, Nr. 24., eine buntglasirte Schale mit
Reliefornamenten und einem Wappen in der Mitte, bez. M. A. 1595, zwei
Schüsseln mit figuraler Malerei aus Norddeutschland Nr. 38 und 39 und
ein grün glasirter Krug mit dem Doppeladler in Relief aus Vöcklabruck
Nr-
Än Abbildungen ist hier anzuführen bei Demmin ein Krug und eine
Vasen, in vKunstkammer-i eine Schale mit Deckel", in wKunstwerke
und Geräthschaftenu" ein Krug und bei Essenwein eine Anzahl von
glasirten Thonarbeiten aus dem germanischen Museum".
Was "uns nun noch zu besprechen übrig bleibt, ist das deutsche
Steinzeug. lErst 'mit dem Ende des 15. Jahrhunderts kam in die rheinische
Steinzeugfabrication jenes künstlerische Streben, welches nach und nach
wahrhaft mustergiltige Erzeugnisse hervorbrachte. Um mehrere nieder-
rheinische Culturcentren zwischen Cöln und Mainz gruppiren sich die
kleinen Fabricationsorte jener Töpferwaaren, in vier größere Gilden ver-
reinigt. lm ehemaligen Herzogtburne Nassau, im "Kannenbäckerländchenv,
waren außer Höhr und Grenzhausen noch 14 andere Töpferniederlassun-
gen zu einer großen lnnung verbunden, deren Sitz Grenzhausen war. Um
'Cöln liegen Frechen und Bottenbroich, das nahe Siegburg bildete eine
eigene Töpfergilde, um Aachen blühte in Raeren, Titfeld, Neudorf und
Mezols die Steinzeugindustrie, vereinigt zur vierten niederrheinischen
Töpfergilde.
Der Formenreichthum des niederrheinischen Steinzeugs ist ein sehr
bedeutender und weist z. B. Siegburg in seiner Blüthezeit '32 verschiedene
Demmin a. n. O. Pl. 57 und 58.
Kunstkarnrner des Fürsten Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen von J. H.
v. Hefner-Alteneck. T. 50. B.
Kunstwerke und Gerllhschnhen etc. von Becker und .I. v. Hefner. I. T. 29.
Essenwein, Kunst- und culturgesch. Deukmnle des german. Mus. T. LXXXVH,
LXXXIX, ClX, CXV.
Arten von Gefäßen auf. Leider besitzt das Museum von den mannig-
faltigen Erzeugnissen der niederrheinischen Steingutfabrication nur eine
ganz kleine Sammlung Sehr. und sind in derselben nebst einigen später
anzuführenden Objecten namentlich Schenk- und Trinkkrüge vertreten,
während die schönen, hohen Bierkrüge, wSchnellenu genannt, die Ring-
oder Wurstkrüge, die zierlichen vasenförmigen Becher, die sogenannten
Pilgerflaschen, die kelchartigen Gefäße und die prachtvollen Kannen mit
angesetztem Ausgussrohre fehlen. Die Ornamentik dieser Gefäße bewegt
sich anfangs im Formenschatze der Gothik, wie die bei Dornbusch",
Taf. Fig. 12, 14 und 15 abgebildeten Objecte zeigen, und nimmt im
16. Jahrhundert die Decorationsweise der Renaissance auf, sich zugleich
bereichernd mit figuralen Ornamenten, scenischen Bildern, Wappen und
Inschriften. Die Ornamente sind entweder mit besonderen Werkzeugen
mit freier Hand eingeschnitten und ausgearbeitet oder mit Formen aus
gebranntem Thon aufgedrückt. Beide Verzierungsarten kommen sowohl
einzeln, als auch an einem Stücke zugleich angewendet vor. Zur Glasur
verwendete man das Salz.
Durch einen hohen Grad technischer Vollendung zeichnet sich das
Steinzeug von Siegburg aus. Durch besondere Feinheit einer homogenen,
meist weißlichen Masse, große Schärfe der Reliefs und Reichthum in den
Formen überragt es das übrige Steinzeug. Wegen der Vorzüglichkeit des
Thones konnte man absehen von dicken, deckenden Glasuren. Auch wen-
dete man jene blauen und braunen Farbstoffe, die an anderen Orten
üblich waren, um das Relief zu heben und zu beleben, nur ausnahms-
weise an, so dass die Siegburger Erzeugnisse im Allgemeinen durch ihre
weiße Farbe leicht als solche zu erkennen sind.
Ein kleines Bild der Entwicklung der Siegburger Steinzeugindustrie
von den einfachsten Formen bis zu wahren Prachtstücken geben die bei
Dornbusch angefügten Tafeln. Ferner finden wir in Kunst und Gewerbeulw
eine recht gute Abbildung einer Siegburger Blumenvase aus dem Anfange
des 16. Jahrhunderts, bei Becker-Hefner eine prachtvolle Kanne undieine
Schnelle, beiEssenWeinMJ einen Krug, bei Lievre", Brongniarta", Waringl"
und Demmin" verschiedene Schnellen, die ebenfalls dem 16. Jahrhundert
angehören.
Die Kunslgilde der Tapfer in der abtcilichen Stadt Siegburg und ihre Fabricate.
KOIn 1873.
Nürnberg 1876. Beil. ro
Kunstwerke und Gerathschaften etc. I. I0; III, T. 34 B.
Kunsl- und culturgesch. Dcnkm. des germ. Mus. T. XCIX, Fig. 3.
Coll. Sauvageol II. Pl. 67, Fig. 3.
Musäe cöramique Sävres. Pl. 64, Fig. 5.
Examples of Poltery. Pl. III, Fig. l.
Hist. de la cäramique I. Pl. III, Fig. x.
Die Sammlung besitzt einen sehr schön gearbeiteten Siegburger Krug
Sehr. Nr. 30 aus weißem Steinzeug, dessen fein ausgeprägtes Orna-
ment ihn von allen übrigen Arbeiten vom Niederrhein vortheilhaft aus-
zeichnet.
Eine dem Siegburger Steinzeug in Form und Decorationsweise sehr
ähnliche Waare wurde in Raeren, Titfeld, Neudorf und Merols im 16.
und 17. Jahrhundert verfertigt. Es sind jene Erzeugnisse, die von den Fran-
zosen in der Regel als wgres flamandu bezeichnet werden. Ihre Farbe ist
entweder braun oder grau oder auch grau und blau. Ein in unserer Samm-
lung befindlicher Schenkkrug, bezeichnet nr596u, aus. grauem, braun
glasirtem Steinzeug, weist um den Bauch unter Bogenstellungen acht
Reliefgruppen von tanzenden Bauern auf und darunter die an vielen
Krügen und in mancherlei Variationen vorkommende Umschrift wGerhet
du mus daper blasen So dansen dei Buren als werden sie rasenu etc.
Ferner dürften hieher zu rechnen sein die in Blau und Grau decorirten
Steinzeugkrüge Nr. 32, und sowie drei ähnliche unnumerirte Krüge,
welche, wie der erwähnte Krug mit dem Bauerntanz, nicht Eigenthum des
Museums sind.
An Abbildungen haben wir bei Demmin" eine Vase in Grau und
Blau, und eine Kanne, welche der Verfasser dem Meister Ernst aus Raeren
zuschreibt, bei Waring" eine Kanne und einen Krug und bei Lievreai
zwei Krüge in Betracht zu ziehen.
Eine andere Gattung von Steinzeuggefäßen wurde in dem bei Cöln
gelegenen Dorfe Frechen erzeugt. Die von dorther stammenden Arbeiten
sind meist röthlichgelb oder braun. Nach 1600, als der künstlerische Cha-
rakter der dortigen Fabrication schon aufgehört hatte, wurde auch graues
Steinzeug mit blauen Ornamenten verfertigt. Das Relief dieser Gefäße
verliert häufig wegen der dicken Glasur an Klarheit und Schärfe. Einen
braunen Frechener Krug aus dem Ende des 15. Jahrhunderts mit der
Umschrift vDrink und ess Gott nit vergesse finden wir bei Demmin
und bei Essenwein wird ein wrSgBu bezeichneter Krug mit äußerst
reicher Ornamentirung Frechen zugeschrieben. In unserer Sammlung dürfen
wir vielleicht den braunen Trinkkrug Nr. 29 mit der Darstellung des
Sündenfalles in stark erhabenem Relief hieher rechnen.
Die sehr verbreiteten Rosettenkrüge und jene mit blau glasirtem
Flachnrnament, dessen Ränder scharf eingeritzt sind, stammen aus der
Gegend von Colblenz, aus dem vKannenbäckerländcherw, wo Grenzhausen
den Hauptindustrieort bildete, und wo sich bis in die Gegenwart die
a. a. O. PI. III, Fig. und 3.
a. a. O. PI. 12, Fig. und 3.
Coll. Sauvageot ll. PI. 78, Nr. und z.
a. n. O. PI. III, Fig. 4.
a. a. O. T. C.
Steinzeugfabrication erhalten hat". Verzierungen mit freier Hand ein-
geritzt, kommen hauptsächlich in dieser Gegend vor, und hängt diese
Decorationsart mit der Verwendung kleiner aus Stein, seltener aus Buchs-
baum gearbeiteter stempelartiger Formen zusammen, deren Abdrücke durch
eingeritzte Linien und Ranken untereinander verbunden wurden. Auch
die Anwendung der violetten neben der blauen Farbe ist für diese Gegend
charakteristisch. Braunes Steinzeug wurde hier nicht fabricirt. In der
Sammlung finden wir einen Krug Nr. mit durchbrochener Sternrosette
in der Mitte, ferner die mit aufgelegten Rosetten verzierten Krüge
Nr. 37, 21, 30 und 18. Andere mit aufgelegten Blumen und eingeritzten
Ranken wie Nr. 16, an welchen wir die Jahreszahl 1688 und den Reichs-
adler sehen, ferner Nr. 12 und Nr. 25, dann das Schreibzeug Nr. 13
und endlich zwei Krüge, die schon dem 18. Jahrhundert angehören,
Nr. 14 und dürften ebenfalls aus dem Kannenbäckerländchen stammen.
An Abbildungen haben wir bei Demmin eine Schüssel aus Grenz-
hausen und bei Essenwein" zwei Steinzeugkrüge ebendaher.
Da erst durch die Abhandlungen von Dornbusch einige Sicherheit in
der Beurtheilung des niederrheinischen Steinzeuges möglich geworden ist,
mussten sich die meisten Museen und Publicationen begnügen ihre hieher
gehörigen Objecte einfach unter dem vielumfassenden Namen wnieder-
rheinisches Steinzeugu zu gruppiren. Unter dieser Bezeichnung finden wir
denn auch bei Demrnin", in wKunst und Gewerbe", bei Becker-Hefnef",
Brongniart", Lievre" und Hefner v. Alteneck" zahlreiche Abbildungen
und endlich noch eine Serie von 38 Photographien von niederrheinischen
Steinzeugkrügen der ehemaligen Sammlung Weckherlin".
Es bleibt uns nun noch eine Gattung keramischer Erzeugnisse zu
besprechen. die sich erst zu Ende des 16. Jahrhunderts entwickelt hat
und den Namen Kreußen er Steinzeug führt. Auch hier zwingt uns
die spärliche Literatur zu Bemerkungen allgemeinen Inhalts. Die nach
diesem südlich von Beireuth gelegenen Orte Oberfrankens benannten
Steinzeuggefäße sind in keramischen Sammlungen so wie im Privat-
besitze zahlreich anzutreffen und es ist nicht unwahrscheinlich, dass ihre
Fabrication nicht auf Kreußen allein beschränkt, sondern in ganz Ober-
Seit x879 befindet sich daselbst eine keramische Fachschule zur Wiederbelebung
der allen Industrie.
a. a. 0. PI. 182.
a. a. O. T. XCIX Fig. und z.
a. a. O. PI. 3. 53, 54, 103, 18 und 182.
1868 Beil. 39; 1872. S. 489; 1880 Beil. Nr. 16.
I1 a. a. o. 1. "r. 23 A,B; m. T. 34 c.
Le musäe cöramique. PI. 44, Fig. und 5.
Coll. Sauvageot II. PI. 78, Fig. 3.
Kunslkammer etc. T. und 50.
Vases an gräs des XVIC et XVIIC siäcles de la cullection de M. W. Weckherlin
La Huye.
495
franken so gut wie in Sachsen und im Voigtlande verbreitet war. Diese
Arbeiten zeichnen sich in ihren schönsten Exemplaren durch farbig be-
handeltes, stellenweise auch vergoldetes Relief auf dunkelbraunem Grunde
aus, sind aber auch in jenen Stücken, bei welchen der farbige Schmuck
weggeblieben ist, leicht als hieher gehörig zu erkennen. Der Formen-
reichthum ist hier nicht so groß wie am Niederrhein. Schenk- und Trink-
krüge, letztere meist kurz und breit, findet man am häufigsten. Nach
altem Brauch ist die Benennung nach den wenigen Typen ihrer Deco-
ration allgemein üblich. Demnach unterscheidet man Jagd-, Apostel-, Kur-
fürsten- und Planetenkrüge. Unsere Sammlung enthält acht Exemplare
von Kreußener Steinzeug. Davon ist Nr. ein Apostelkrug, zwei andere
Krüge Nr. 34 und 35 sind mit Medaillons bemalt, Nr. K6, und in
Relief und Emailfarben ornamentirt und zwei weitere Nr. und to
einfach braun. Von diesen trägt der letztere die launige Inschrift vDas
ist der Willkommen ihr Gäste, wenn ihr ihn habt, so haltet ihn feste,
und trinket ihn fein rein aus, ihr müst doch heute habn ein Rausch.
Anno MDCLIV."
Planetenkrüge finden wir abgebildet bei Weckherlin" und Hefner
v. Alteneckf", andere Kreußener Steinzeugkrlige bei Demminä", Essen-
wein und Brongniart".
Außer diesem braunen Steinzeug soll noch eine andere Gattung von
Gefäßen, die sogenannten Sorgen- oder Trauerkrüge in Kreußen ver-
fertigt worden sein. Diese zeigen auf grauem mit vertieften Rauten ver-
zierten Grunde weiß und schwarz oder weiß und blau emaillirte rosetten-
artige Ornamente. Ein solcher Krug ist in der Sammlung unter Nr.
anzutreffen, und ein in der Ornamentirung sehr ähnliches Gefäß finden
wir bei Brongniart P1. 45, Fig. 10.
Es ist hiemit die Uebersicht der keramischen Production Deutsch-
lands in der Renaissancezeit keineswegs vollständig. lndem wir jedoch
eine Besprechung solcher Gegenstände vermeiden, bei welchen wir weder
auf Beispiele noch auf Abbildungen hinweisen können, mussten wir
auf die Betrachtung der norddeutschen, sächsischen und schwäbischen
Erzeugnisse sowie des ältesten Bunzlauer Steinzeuges verzichten.
Fortsetzung folgt.
Sammlung vpn Photographien T. 39, s. auch 40.
Kunstknmmer etc. T. s. auch T. 35.
a. a. O. Pl. lll.
a. u. O. T. XClX Fig, 4.
a. a. O. PI. 45, Fig. u.
Programm der Donnerstag-Vorlesungen im Wintersemester I88V82.
1881. 27. Octbr.
10.
17.
15.
22.
29.
1882.
I2.
19.
26.
Novbr.
11
VI
Febr.
März.
Reg-Rath v. Falke Aesthetische Grundlehren für die
gewerblichen Künste.
Dr. Ritter v. Reuss Bildung des Farbensinnes durch
Unterricht.
Reg-Rath Bucher Die Werkstatt im 17. Jahrhundert.
Dr. Eder Die Farben in der Photographie und die
Photographie in Farben.
Dr. Wickhoff Michelangelo und die Antike.
Dr. Prof. Kränjavi Slavische Hausindustrie.
Director Sitte Ueber die Geschichte der Perspective.
Prof. S. Exner Die Physiologie des Fliegens in der
bildenden Kunst.
Custos Chmelarz Die Erfindung der Buchdrucker-
kunst.
Reg-Rath Dr. Bauer Ueber das Blei.
Prof. Dr. v. Lützow Aus der Portrait-Galerie des
Belvedere.
Dr. Linke Ueber Porzellan.
Director Wilda Schule und Gewerbe.
Prof. W. Neurnan Ueber Fußbodenbekleidung.
Prof. Fournier Die lnnungsfrage.
Prof. Petersen Die archäologischen Expeditionen der
Gegenwart.
Llteraturherlcht.
Karabacek, Dr. Joseph Die persische Nadelrnalerei Susandschird. Ein
Beitrag zur Entwicklungs-Geschichte der Tapisserie de Haute-Lisse.
Mit Zugrundelegung eines aufgefundenen Wandteppichs dargestellt.
Mit Tafeln und 26 in den Text gedruckten Abbildungen. Leipzig,
E. A. Seemann, 188i. 8.
Kaum ein anderes Gebiet der Kunstgeschichte dürfte weniger geklärt sein und
keines dem unberufenen Dilettantisrnus breiteren Spielraum geben, als die Entwicklungs-
349.7
Um dem Leser einigermaßen einen Begriff von der Wichtigkeit der hier abgehan-
delten Fragen zu geben, wollen wir einen Theil der auch für Laien interessanten Matericn
angeben, die hier zum ersten Male, oder doch jedenfalls zum ersten Male wissenschaftlich,
behandelt werden Orientalische Gold- und Silberfaden mit Metall-Lamellen und solchen
von thierischen Substanzen; die materielle Beschaffenheit der Textur der alten und neuen
persischen Teppiche; die Art des Metallgeüechtes des Goldgewebes; die Flockseide und
die mittelalterlichen Verfalschungsmethoden derselben; die Art der Noppenknüpfnng; das
Alter des Sammets; der Schiller der Chorosaner Teppiche; die seidenfressende Motte;
Erklaning und Rechtschreibung des Wortes wShawlu wir werden künftig richtig Schal
schreiben müssen; heilige Siebenzahl der Farben in Persien; technische Erklärung der
alten persischen Teppichfarben und die Geschichte ihrer Benennung.
Wir sind nun mit unserem Auszuge erst auf Seite 60 und müssen nothgedrungen
abbrechen, wollten wir nicht den ganzen lnhalt abschreiben, und nur noch, indem wir hier
die vielen Aufklarungen für Culturgeschichte, Archäologie und Sprachwissenschaft des
alten Orientes bei Seite lassen, alle Kunsthistoriker auf das Capitel über Symbolik be-
sonders verweisen, in welchem mit einer großen Anzahl landläufiger Fabeln gründlich
aufgeräumt, und eine Erklärung aller Thier- und Pflanzenhilder gegeben wird die uns
bisher auf mittelalterlichen Geweben unlösbare Rathsel aufgegeben haben.
Möge der Verfasser uns bald mit seiner Geschichte der Weberei erfreuen, auf
welche wir nach Publication des vorliegenden Werkes nur noch schwerer warten.
Gurlitt, Cornelius Das Schloss zu Meißen. Eine kunstgeschichtliche
Studie. Dresden, Gilbert, 1881. 8.
Das Büchlein ist ein erweiterter Abdruck einer zuerst in xSachsische Herrensitze
und Schlosserß erschienenen Abhandlung. Es gibt zunächst die Baugeschichte des Domes
auf dem Meißner Schlossberg in seinen verschiedenen Perioden und einen Hinweis auf
die in demselben befindlichen Denkmäler der Malerei und Plastik. Dann folgt die Ge-
schichte der Albrechtsburg, von ihrer Gründung t47l bis zum heutigen Tage, die Be-
schreibung ihrer raumlichen Anordnung und Würdigung ihrer kunstgeschichtlichen Bedeu-
tung. Die mittelalterlichen Baumeister waren doch im Ganzen nur auf den Kirchenstyl
geschult und selbst die großen Kloster und Stifte, jenes zu Marienburg nicht ausgenommen,
zeigen eine gewisse Regellosigkeit in ihrer Gesammtanlage. Dem entgegen ist nach
Gurlitt's Ansicht die Albrechtsburg der erste vom Grund aus geplante und durchgeführte
Palast Deutschlands und deren Erbauer Arnold Westveling oder Bestveling haben wir
hinfort als einen der genialsten Architekten zu achten. ln der That geben seine Wöl-
bungen, die Neuheit und Kühnheit seiner Treppenconstruction das bisher in Frankreich
gesuchte Muster der Wendeltreppen von Dresden, Torgau und Berlin, die Zweckmassig-
keit seiner Raumvertheilung, der Verzicht auf ornamentales Blendwerk u. s. w. Grund
genug, dem Meister als einer bahnbrechenden, schöpferischen Erscheinung einen würdigen
Platz in der Kunstgeschichte anzuweisen. Und die Albrechtsburg ist nun auch wieder
für Jahrhunderte als sein künstlerisches Denkmal gesichert, indem die Porzellanfabrilt aus
derselben endlich hinausgeschafft und eine gründliche Restaurirung und malerische Aus-
schmückung soeben vollendet worden ist. König Johann hatte einen Theil der fran-
zösischen Kriegsentschadigung für diesen Zweck bestimmt.
Stark, K. B. Das Heidelberger Schloss in seiner kunst- und cultur-
geschichtlichen Bedeutung. Heidelberg, C. Winter, 1881. Fol.
Diese Schrift ist gleichfalls blos ein Sonderabdruck aus i-Quellen zur Geschichte des
Heidelberger Schlosses von M. Rosenbergu. Wir geben jedoch dem obigen Büchlein
Gurlitt's über die Albrcchtsburg den Vorzug, schon deshalb, weil bei Stark der Mangel
jedweder Illustration, besonders aber der eines Grundrisses der ganzen Schlossanlage
das Verstandniss seiner sehr in's Detail gehenden Schilderung ungemein erschwert. Die
sonstige Ausstattung ist ja wie bei einer Prachtausgabe. Uebrigens war sich Stark be-
wusst, dass er Neues und nur Unbekanntes nicht mittheilen könne und hatte sich daher
die Aufgabe gestellt, den innern Zusammenhang des Heidelberger Schlosses, dieser deut-
schen Alhambra, mit dem Culturleben der deutschen. besonders rheinischen Lande auf-
zuweisen und seine Epochen an die Epochen der deutschen Cultur- und Kunstgeschichte
anzuknüpfen. Dies ist ihm auch in hochst dankenswerther Weise gelungen, speciell die
Erklärung des bildnerischen Schmuckes am Otto-Heinrichsbau. Leider verschweigt er,
ohne einen Grund hiefür anzugeben, den zurneist als Bildner jener Statuen angeführten
AI. Colins, wie er auch unseres Erachtens aus übergroßer Begeisterung für den Otto-
Heinrichsbau sich über den Friedricbsbau zu abfällig äußert.
493
Müller, Sophus Die Thier-Ornamentik im Norden. Ursprung, Ent-
wicklung und Verhältniss derselben zu gleichzeitigen Stilarten. Archäo-
logische Untersuchung, aus dem Dänischen übersetzt von J. Mestorf.
Hamburg, O. Meißner, 188i. 8.
Es war hoch an der Zeit, endlich einmal in den Wust von Literatur, und von
Meinungen über die nordische Ornamentik Klarheit zu bringen. Dieses Verdienst darf
der Verfasser des vorliegenden Buches für sich in Anspruch nehmen. Entgegen der
früheren Anschauung, dass jene eigenthümliche Thierornamentik von den germanischen
Völkern aus der asiatischen Heimat mitgebracht worden sei, beweist Müller, dass dieselbe
nicht viel alter als die Völkerwanderung, und zwar durchaus nicht religiös symbolisch ist.
Was der Punkt und der Strich in der Steinzeit waren, die gebogene Linie in der Bronze-
zeit, das Akanthnsblatt in der griechischen Kunst, das gothische Blattwerk im spateren
Mittelalter, das waren die Thierliguren im Kunststyl der Volkerwanderungszeit Orna-
mentmotive und nichts weiter. Die Thierurnamentik ist überhaupt, wie es scheint. in jeder
ungestörten natürlichen Kunstentwicklung der zweite Hauptabschnitt in der Geschichte der
Ornamentilt. Die dritte und letzte Stufe, die Blattornamentik, erlangtdn die Stamme der
Völkerwanderung erst durch die karolingische Renaissance, Skandinavien vollends erst
mit der späten Einführung des Christenthums. Wir glauben dem Verfasser durchaus bei-
stimmen zu können in all' seinen Ausführungen über die bisher für unmöglich gehaltene
Unterscheidung einzelner Gruppen in der nordischen Ornamentik, und über deren Ver-
haltnis zur irischen, karolingischen, byzantinischen, persischen, arabischen und slavischen
Ornamentik. Dass wir die Darstellung manchmal etwas kürzer und praciser wünschten,
liegt vielleicht an dem schwierig zu behandelnden Stolfe. Das Buch will eben nicht blos
gelesen. sondern studiert werden, mit einer Aufmerksamkeit, welche einigermaßen dem
Fleiße und Wissen gleichkommt, welche der Autor bei Bewältigung des literarischen und
gegenständlichen Materiales auf jeder Seite seines Werkes bekundet.
Kleinschmidt, Arthur Augsburg, Nürnberg und ihre Handelsfürsten
im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert. Cassel, Theod. Vay, x88r.
218 S. 8.
Die Ueberschrift verlockt uns sicherlich, das Buch zur Hand zu nehmen und wir
brauchen die zur Lecture verwendete Zeit nicht zu bedauern. Allerdings wendet sich die
Arbeit nicht an die gelehrte Welt, sondern ist blos eine sehr Heißige und lesbare Ver-
arbeitung der wichtigsten früheren Publicationen in Bezug auf jene beiden Städte, die,
wetteifernd während der Blütheperiode deutscher Kunst. wohl mit Recht noch heute
Gegenstand des Stolzes für unsere Nation sein können. Die religiöse Bewegung, Wissen-
schaft, Kunst und Handel Central-Europak fanden dort ihren Mittelpunkt und ein adeliges
Bürgerthum war dort, wie in den italienischen Städten, das treibende Element. Die ein-
zelnen Capitel des Werkes behandeln i. Weltstellung und Welthandel von Augsburg
und Nürnberg; z. Agnes Bernauer, Clara 'l'ett, Jacobine Jung 3. Humanismus und Maxi-
milian 1.; 4. Reformation und Carl V.; 5. Fugger und Weber; G. Venezuela; 7. Philip-
pine Weiser; 8. Kunst und Wissenschaft in Augsburg und Nürnberg.
lllustrlrtes Gestern-Ungar. Patent-Blatt. Bei dem bedeutenden Auf-
schwunge des Patentwesens ist eine Fachzeitschrift, die es sich zur Aufgabe macht, ln-
dustrielle, Gewerbetreibende, Constructeure, Chemiker, namentlich aber producirende
Kreise mit den Fortschritten der Technik aller Gewerbe rasch vertraut zu machen. ihnen
die Kenntniss der durch Erlöschen der verschiedenen Eründungs-Privilegien zum Gemein-
gute gewordenen Neuerungen und Verbesserungen industrieller Natur zu vermitteln, that-
sachlich ein Bedürfniss geworden. Wir begrüssen daher ein Blatt, das, wie wir aus den
uns vorliegenden Nummern schließen können, diese Aufgabe in ganz vorzüglicher Weise
löst, und wünschen dem jungen Unternehmen, das von der Firma i-Michalecki 8x Co.,
Ingenieure und Patent-Anwalt in Wien-, in's Leben gerufen wurde, den besten Erfolg.
KLEINERE MITTHEILUNGEN.
Personalnaehriohten Das k. k. Ministerium für Cultus und
Unterricht hat mittelst Erlasses vom 26. October d. J. den Professor an
der Kunsgewerbeschule des Oesterr. Museums, Friedrich Sturm, zum
Director dieser Anstalt für die Dauer der Schuljahre 188182 und 1882183
ernannt. Ferner hat der Minister für Cultus und Unterricht über
Vorschlag des Aufsichtsrathes der Kunstgewerbeschule den Architekten
Jos. R. von Wieser mit der Docentur für das technische Zeichnen an
der genannten Anstalt betraut.
Oesterr. Museum. Neu ausgestellt Orientalischer Bischofsstab mit ein-
gelegtem Silber. Eigenthum des Museums; drei Truhen, verschiedene lntarsien, antike
Bronzelampen, Copien nach Köpfen der italienischen Fruhrenaissance, Laster aus ge-
schmiedetem Eisen und andere Gegenstände aus dem Besitze des Grafen K. Lancko-
ronski; Holzrelief nach Defregger, von Johann Graber in Innsbruck; siebel
Emailtafelu von P. Courteys, Limoges um 1540-1550, Eigenthum des Fursten Johann
Liechtenstein; Sonnenuntergang am Hintersee, Copie nach Albert Zimmermann,
ausgeführt von Bertha Conn; Credenz von Hans Pacher in Wien; Modell zu
einem Tafelaufsatz und zu einem Pokal in Wachs, vom Bildhauer Wald. Schutzinger;
Juruken-Webstuhl aus dem südlichen Kleinasien, ausgestellt von Herrn Prof. 0. Benn-
dorf in Wien; Stickereien, Eigenthum der Frau von Metz.
Die Krugausstellung ist am October geschlossen worden.
Besuch G85 111136111115. Die Sammlungen des Museums wurden im Monate
October von 11.902 die Bibliothek von 1896, die Vorlesungen von 266 Personen
besucht.
Weihnaehts-Ausstellung. Da die Anmeldungen die Zahl zoo
bereits überschritten haben und der verfügbare Raum damit völlig aus-
gefüllt ist, so ist die Liste für die Betheiligung Donnerstag den 27. Oc-
tober geschlossen worden. Die Zuweisung der Plätze findet vom 9. bis
12. November statt, zwischen dem 14. und 19. November sind die Gegen-
stände zur Beurtheilung durch die Aufnahmsjury in das Museum zu
überbringen.
Gedenktafel für E. Hass. Am 14. November wird im Saulenhofe des Museums
die Büste und Gedenktafel aufgestellt werden, welche vom Curatorium jenem um die öster-
reichische Textilindustrie und das Museum hochverdienteu Industriellen votirt worden ist.
Kunstgewerbeschule des Museums. Die Zahl der für das lau-
fende Semester aufgenommenen Schüler beträgt 281. Davon entfallen auf
die Vorbereitungsschule 108, darunter 25 weibliche, auf die Facbschulen
132 männliche, 41 weibliche Schüler.
Die Frage betretfs Verlegung der Vorbereitungsschule aus den nicht
mehr genügenden Räumen des Museums in ein besonderes Gebäude ist
leider auf dem alten Stande geblieben, indem das zuletzt in Absicht ge-
nommene St. Annagebäude inzwischen anderweitig vergeben wurde. Schliess-
lich musste man sich damit begnügen, dass für den Unterricht im tech-
nischen Zeichnen statt des bisher benützten Saales in der Staats-Gewerbe-
schule beim k. k. Gusshause vom Ministerium ein ähnlicher Raum in dem
benachbarten städtischen Pädagogium erworben wurde.
Das k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht hat mittelst h. Er-
lasses vom 20. October c., Z. 15915, dem Lehrplan und der Instruction
für den Unterricht im technischen Zeichnen, welche auf Veranlassung
des Aufsichtsrathes von den Professoren der Architekturschule Storck,
Herdtle und Beyer ausgearbeitet wurden, die Genehmigung ertheilt.
Wiener Dombau-Verein. Der Fürstbischof von Wien, Colestin Josef Gangl-
bauer, hat auf die Bitte des Vereinsprasidiums die Stellvertretung des hohen Protectors
übernommen.
Herr C1121 Gißni eröffnete, um vielfachen Wünschen nachzukommen, am 1. August
d. J. unter seiner personlichen Leitung ein Centraldepüt seiner Specialerzeugnisse in
Stickerei und Weberei Stadt. Tuchlnuben to, 1. Stock in Verbindung mit einer Muster-
ausstelluug von Mobeln, Glasfenstern, Eisenarbeiten, Oefen, kurz allen auf die innere Woh-
nungsausstattung bezughabenden kunstgewerblichen Obiecten österreichischer Provenienz.
Herr Hermann Kühn, Professor an der Grazer k. k. Staatsgewerbeschule, ein
langjähriger Zögling der Kunstgewerbeschule des Oesterr. Museums, hat die Stelle eines
Directors der k. Kunst- und Kunstgewerbeschule zu Breslau angenommen.
Archäologisches lm konigl. Museum in Berlin befinden sich seit Kurzem ar-
chäologische Schatze, die ohne ihresgleichen dastehen. weil sie nicht nur die ersten ihrer
Art sind, welche nach Europa gelangen, sondern überhaupt die ersten und einzigen, welche
bisher bekannt geworden sind. Es sind dies die lang erwarteten Sculpturen aus Santa-
Lucia de Cosumalgapan in Guatemala, welche im Auftrage der Generalverwalrung der
kon. Museen von dort beschaGt wurden. Unter den vielen Rathselfragen amerikanischer
Archäologie bilden die Monumente Santa-Lucia's die rathselhaftesten aller, um so wich-
ti er isl es deshalb, dass die Sammlung von dort nach einem Centrum wissenschaftlichen
udiums glücklich gebracht ist.
ln Aegypten ist in der letzten Zeit ein archäologischer Fund von großer Bedeutung
gemacht worden. Bei dem Dorfe Kom-el-medauer hat man einen jener Steine aufgefunden,
wie sie während der Ptolomaer Epoche mit den Erlassen des Königs mehrsprachigen ln-
haltes in den Tempeln Aegyptens aufgestellt zu werden pflegten. Es ist dies ein drei-
sprachiger Stein und neben dem zweisprachigen von Rosette, den das British Museum
aufbewahrt, und dem dreisprachigen von Tanis, den Lepsius 1866 auffand, der dritte
seiner Art, der bekannt ist.
Pelntnre Bogaerhs. Wir hatten vor einiger Zeit Notiz nehmen müssen von
der epochemachenden Erfindung, deren Ruf alle Journale erfüllte. nEndlich ist ein Mittel
gefunden, Oelgemälde so zu reproducieren, dass es selbst den Meistern nicht möglich ist,
ihre eigenen Originale und nPeinture Bogaerts- zu unterscheidenn- vDer Unterschied
zwischen dem Originalgemalde und dieser mechanischen Copie ist für ein ungeübtes Auge
gar nicht zu sehen und für ein kunstgeübtes kaum.- Solche Worte und noch manch
anderer Ausdruck von Bewunderung und Glückwunsch in sonst nicht zu verachtenden
Zeitungen konnten uns wohl neugierig machen, endlich einmal ein Werk des glücklichen
Erfinders, des Buchdruckers und Verlegers in Herzogenbusch, Herrn Henri Bogaert
voll und ganz zu genießen, im Vorhinein uns bereits freuend, dass es uns nun mög-
lich sein werde, unsere Zimmer mit erträglichen farbigen Reproductionen der alten
Meisterwerke zu zieren. Aber wehe, wiederum eine Enttäuschung, und zwar so crasser
Art, dass es uns unbegreillich erscheint, wie Künstler und Journale sich herbeilassen
konnten, für die Bogaertäschen Reproductionen so larmend die Reclametrommel zu rühren.
Wir haben gerade die vollständige erste Serie von Bogaerts' Bildern, ihrer zwölf, vor uns
und können mit gutem Gewissen erklären, dass die neue Erfindung nur sehr wenig über
die bisher erzielten Erfolge der Chromolithogrnphie hinausgeht. Auf wirkliche Leinwand,
ja sogar auf Holz sind die Bilder allerdings gedruckt und das Pastose des Farbenauftrages
und anscheinend die Pinselstriche des Originals sind sichtbar, aber eine Verwechslung mit
dein letzteren erscheint geradezu unbegreiflich. Das Ganze ist und bleibt doch nur eine
Chromolithographie, auf deren Oberfläche in dem deckenden Firniss, vielleicht mittelst
eines Ahklatsches vom Originale, die Unebenheiten des pastosen Farbenauftrages recht
derb und auffallend aufgedrückt sind.
Ein Sianeaer Goldschmied des 14. Jahrhunderts in Ungarn. A. Reumont
nimmt im Archivio stor. italiano Vll, die Gelegenheit wahr, bei Erwähnung des Cor-
siner Kreuzes im Grauer Domschatze die Erinnerung an einen alten Sieneser Goldschmied
am ungarischen Hofe aufzufrischen. Es ist dies Pietro di Simone übrigens kein Ver-
wandter des in der Kunstgeschichte bekannteren Simone di Martino, und demselben wird
in einer Urkunde vom Jahre 1331 durch König Karl Robert von Ungarn und Polen aus
dem Hause Anjou ein territorialer Besitz in Jemnik zugesprochen. Dieser Pietro di Simone
war Siegel- und Stempelschneider des genannten Königs, und nebenbei auch Vicegespan
und Castellan von Szepes Var in der Zips. Vielleicht war sein Sohn jener Maestro Lande
oder Orlando di Pietro, welcher 1331 von Neapel als Dombaumeister nach Siena berufen
wurde. Derselbe war auch Goldschmied und das Alter wurde dieser Conjectur nicht im
Wege stehen. denn Pietro di Simone da Siena wird bereits in einer Urkunde von 1313
als Stempelschneider des Konigs Robert Anjou von Neapel erwähnt. Reumont halt auch
den groLeren Theil jener Reliquiarien, Kandelaber u. s. w. für italienische Arbeit,- welche
die sogenannte ungarische Capelle am Aachner Münster zieren. Diese Capelle war auf
Anregung von Karl Robert's Sohn, Ludw. d. Gr. von Ungarn gegründet worden. Dieser
Ansicht war auch schon Fr. Bock -Karl's des Gr. Pfalzcapellel l. gewesen, ging aber zu
weit in der Zuweisung der dortigen Kunstschatze auf italienischen Ursprung. denn auf
einem jener Denkmaler steht eine deutsche Inschrift zu Ehren der Jungfrau Maria, der
Schutzpatronin Ungarns.
selbuurllc du k. k. Outurr. luuulle. Buthdrnektrel van cul oemlau Bahn 1a Wien.