420 wie sie ausserhalb Frankreichs bereits geläufig geworden sind. So plaidirt Herr Lemeire, ein Decorationskünstler, für die volle Beachtung der Eigenschaften des Materials, die nicht getrübt oder gebrochen werden sollen. Lemeire stellt ferner eine Menge Sätze auf für die Decoration eines Gefässes in Bezug auf die Bedingungen der Theile für sich oder unter einander, in Bezug auf Hals, Fuss, Bauch, in Bezug auf verschieden- artige flache und offene, hohe und enge Formen. Er will kein Relief- ornament, wo es nicht passt; er verwirft die unbestimmten Töne, welche nur einen traurigen, monotonen Anblick darbieten und empfiehlt die Halb- töne nur in Verbindung mit vollen und klaren; mit den einfachsten, meint er, lassen sich die glücklichsten Effecte erzielen. 4 Ohne uns auf den Werth dieser Theorien weiter einzulassen, con- statiren wir nur, dass die Franzosen, wenigstens die Herren dieser Com- mission, zu dem übergehen, was bisher antifranzösisch war, dass sie ver- werfen, was sie bisher verehrt haben, und verehren, was sie verworfen haben. Die Comrnission begnügt sich aber nicht mit der Theorie; sie fügt ihr praktische Vorschläge hinzu. Diese bestehen in der Errichtung zweier Schulen, einer an der Fabrik selber, der anderen als Decorationsclasse an der Akademie der Künste. Die Nothwendigkeit der Schulen begründet sie einmal mit der schwer empfundenen Thatsache, dass es in Frankreich an Künstlern für die Kunsindustrie zu mangeln beginnt, ein Umstand, der uns überraschend war und zu mancherlei Schlüssen Veranlassung bietet. Gerade auf dem Gebiete des Porcellans und der Faiencen erklären fdie Fabrikanten der grössten Schwierigkeit zur Gewinnung neuer Kräfte zu begegnen. Den zweiten Grund bildet die unzulängliche Vorbildung und Schulung der Künstler, welche für die Industrie arbeiten. Man weiss eigentlich nicht, wie sie entstehen und wie sie gebildet werden. Von jenen beiden Schulen soll jene an der Fabrik zu Sevres mehr elementarer Art sein mit dem speciellcn Zweck, lediglich für die Fabrik junge Kräfte heranzubilden. Die zweite soll ein höheres Ziel verfolgen, wie schon durch ihre Verbindung mit der Akademie ausgedrückt ist. Man will, indem man die Decoration zu einem Theile der Akademie macht, dem falschen Ehrgeiz entgegentreten, welcher jetzt die jungen Talente massenhaft der Bilderfabrication zuführt, während die Decoration oder die Kunstarbeit für die Industrie als ein untergeordnetes Genre erscheint und mehr oder weniger verachtet wird. Man will mit dieser Decorations- classe zugleich ein kleines Museum vereinigen, das der Lehre zur Stütze, zur Quelle diene. Ob dieser Vorgang zum Ziele führen wird, dürfte zweifelhaft er, scheinen. Wir fühlen bei uns dieselben Uebelstände, dieselben Nachtheile durch den Zudrang der Künstler zur Bildermalerei und die Verachtung der decorativen Künste. Wir haben für unsere Kunstindustrie - trotzdem sie augenblicklich leidet - noch nicht Künstler genug, während die Fran- zosen nicht mehr genug haben. Aber hier wie in England, auf dessen