34-9 nichts über ihn zu berichten, denn die Werke dieses Malers waren nicht zur Hand und vielleicht eben deshalb war auch sein Name verloren gegangen. Da gelingt es dem For- schergeiste eines österreichischen Gelehrten, authentische und vollständige Daten über ihn aufzufinden. Der Maler steht nun lebendig vor unseren Augen; denn er spricht durch selbstgeschriebene Aufzeichnungen aber sein Leben und von seinen Arbeiten zu uns. Ausserdetn ist es nicht allein seine Sache, die hier in Betracht kommt, sondern es tritt die Kunstgeschichte in ihre Rechte. Und doch sind seitdem zehn Jahre verstrichen, die zu gar nichts weiter benützt werden konnten als dazu, den ganzen Seisenegger wieder zu vergessen, weil immer noch kein grosseres Werk von ihm zur Hand war. Da taucht auf einmal ein Bild von ihm auf. Und zwar kein geringeres als dasjenige, welches er, nach Bologna berufen, von Karl V. malte. Sofort muss erkannt werden, dass ein anderes Bild des Kaisers, welches seit 90 Jahren in der kais. Galerie als Tizian, später als seine Schule bekannt ist, kein Tizian, sondern nur ein Seisenegger ist. Ebenso geht es mit einer Zeichnung, welche in der kais. Akademie der bildenden Künste seit lange als ein Werk Tizians gilt und die jetzt als eine Arbeit Seiseneggers erkannt werden muss. Die Documente erhalten jetzt grössere Geltung, seinen Werken gegenüber herrscht aber noch ein gewisses Misstrauen, welches sich eigenthumlich aussert: man wird besorgt um Tizians Grösse. Als wenn man Seisenegger so stark loben konnte, dass dadurch der Grösse Tizians Eintrag geschieht! Als ob der grosse Tizian noch grosser werden könnte, wenn Seisenegger klein gemacht wird! Die Kunstgeschichte zahlt nicht lauter Tizians auf. Sie beschäftigt sich auch mit sehr kleinen Leuten, damit sie für die Grossen den richtigen Maßstab habe. Und die kleinsten waren es sicherlich nicht, die Kaiser Karl an seinen Hof berief und neben Tizian malen liess. Ich habe diese Angelegenheit hier noch einmal zur Sprache gebracht, weil Seisen- eggers Name in der Galerie Aufnahme linden wird und weil ich gesonnen bin, meine Bemühungenndiesen deutschen Maler zu rehabilitiren, fortzusetzen. ich werde im Herbste Spanien bereisen. Vielleicht gelingt es mir, dort von den vielen Arbeiten, welche Seisen- e ger für und in Spanien gemacht hat, etwas aufzufinden. Vielleicht interessiren sich die Spanier für den deutschen und österreichischen Maler, den Karl V. zu ihnen sandte, um dort seine Familie malen zu lassen. Mit dem Hcrvorkommen der Bilder aus den Depöts und der Vermehrung der Auf- stellungsobjecte steht die Restauration derselben im Zusammenhange. Es ist bekannt, wie im Belvedere restaurirt wird und welche Principien hier die leitenden sind. Es ist der Geist der Pietat für die alten Meisterwerke, welcher von Erasmus Engert seiner Schule eingehaucht wurde. Es ist die Erkenntniss der Verderblichkeit der alten Quacksalberei und der wunderthatigen kosmetischen Geheimmittel, mit welchen einst gewisscnlos aus alten Bildern neue gemacht wurden. War es doch damit so weit gekommen, dass jetzt das Auftauchen eines alten Bildes, welches, wenn auch schadhaft, wenigstens keine Spuren schon erduldeter Restauration an sich tragt, zu den glücklichen Funden gehört und demnach im Werthe steigt. Die richtige Pflege einer Galerie wird immer in der Sorge gipfeln, dass die Bilder nicht restaudrungsbedurftig werden. Wo aber die Zeit zu zerstören beginnt, dort müssen rechtzeitig die einfachsten Mittel Anwendung finden. Das Losungswort in der Belvedere-Galerie lautet desshalb: Weder Kosmetik, noch Kunststücke, sondern Pflege und Erhaltung. In diesem Sinne arbeitet die Restaurirschule der kais. Galerie und spätere Zeiten werden hoflentlich keinen Grund zu Klagen haben. Ich komme nun zur Aufstellung der Galerie im neuen Hause. Damit im Zusammen- hange steht die Frage nach Raum und Licht. Ich will dem Architekten des Hauses nicht vergreifen; es ist aber unmöglich, von der Aufstellung von Bildern zu sprechen, ohne die Raum- und Lichtfrage zu berühren und je grdsser die Dimensionen sind, welche dabei platzgreifen, desto schwieriger wird ihre Losung. Wenn es sich um die Aufstellung eines Bildes handelt, dann braucht es nicht viel Ueberlegung; jeder Maler weiss sein Bild ins beste Licht zu stellen. Aber die Schwierigkeiten kommen und wachsen mit der Zahl der Bilder, mit der Anzahl der nothwendig werdenden Raume und die Architektur hat dann einen förmlichen Kampf mit dem Bedürfniss zu bestehen. ' Das Bedurfniss, Kunstsammlungen in eigens dazu erbauten Hausern aufzustellen, ist modern und der Versuch der Vereinigung desselben mit einer der höchsten Aufgaben monumentaler Architektur musste eine schöne, aber auch schwere Aufgabe für die neueren Architekten werden. Es ist um die richtige Lösung dieser Aufgabe seit Decennien an verschiedenen Orten mit aller Hingebung und mit Aufgebot der besten Kräfte gekämpft worden und der Kampf war um so schwieriger, als das Bedurfniss selbst nicht sichergestellt war und die auseinandergehendsten Anforderungen an die Architekten gestellt wurden.