85 Stroharbeiten -Zweigen der Kunsttechnik, die früher in Venedig nicht in dem Masse vertreten waren, als es gegenwärtig der Fall ist. Die Einheit des Zollgebietes und des Eisenbahnverkehres macht sich in den Kunstgewerben vortheilhaft bemerkbar; der französische Einfluss, der früher fast aus- schliesslich dotninirte, ist sichtlich in Abnahme begriffen. Aber allerdings, wollte man den Einfluss der modernen Staatsidee auf Kunst und Kunst- gewerbe beurtheilen, müsste man seine Blicke nicht auf Venedig, sondern auf Mailand und Florenz, auf Neapel, Rom und Genua lenken. Venedig ist eine sehr stille Stadt geworden und die treibenden Kräfte des ita- lienischen Staates und der modernen Kunst und Industrie in Italien sind nicht in der alten Lagunenstadt zu suchen. Venedig, im April l. J. R. v. E. Die Spitzenausstellung. Das Oesterr. Museum hat seit seiner Gründung der Aufgabe, die Grundzüge des guten Geschmackes zu yiopularisiren und die darauf be- züglichen Kenntnisse zu verbreiten, insbesondere durch die Veranstaltung von Specialausstellungen, zu dienen versucht, in welchen die einzelnen Zweige des Kunsthandwerkes oder das Ensemble der Wohnungsausstattung etc. eine möglichst vielseitige Repräsentirung erhielten. Mit dem Gebiete der Spitzen, diesem gleich so vielen heutzutage degenerirten kunstindu- striellen Fache, wurde gegenwärtig zum ersten Male der Versuch gemacht, um in einer ähnlichen Weise, wie im Jahre 1874 das Kensington-Museum die Initiative gab, dem Privatbesitze angehörige Leistungen dieses Genres zur allgemeinen Anschauung zu bringen undidas Interesse der Besitzer, der Vertreter der Modeindustrie und des grossen Publicums anzuregen, nicht minder auch dem Forscher reiche Gelegenheit zu geben, um auf dem Felde der Spitzenkunde den Blick zu erweitern, welches als Wissen- schaft heutzutage noch in den Kinderschuhen geht. Das Museum verfügt bekanntlich seinerseits selber über eine sehr an- sehnlicheSpitzensammlung, zu welcher eine von Canonicus Dr. Bock in Aachen erworbene Collection den Grundstock bildete. Seitdem bedeutend vermehrt, repräsentirt sie fast alle hervorragenden Stileigenthlimlichkeiten dieser kunst- reichen und mannigfaltigen Production der Nadel und des Klöppelpolsters. Ausserdem besitzt unsere Bibliothek eine Folge von Musterbüchern für Nadelarbeit vom Anfang des 16. Jahrhunderts bis in das laufende, wie sie selten wieder in solcher Reichhaltigkeit begegnen dürfte, und worin Werke erscheinen, die der Fachliteratur bisher unbekannt geblieben waren. Die reich beschickte Exposition, an der insbesondere die Wiener Aristokratie theilnahtu, wurde seit Mitte März eröffnet und erfreute sich eines allgemeinen Interesses. Sie füllte zwei grossc Säle gänzlich aus, ia, die Menge ist eine so bedeutende, dass dieser ansehnliche Raum beinahe nicht genügen wollte. Um das Publicum dem Gegenstande näher zu bringen