für
KUNST UND INDUSTRIE.
Monatschrift für Kunst und Kunstgewerbe.
Am x. eines jeden Monats erscheint eine Nummer. Abonnementspreis per Jahr H. 4.-
Redacxeur Eduard Ohmelarz. Expedition von C. Gerold" Sohn.
Man abonnirt im Museum, bei Gerold Comp., durch die Postanstalten, sowie durch
alle Buch- und Kunsthandlungen.
20g. WIEN, x. Juu 1882.
Inhalt Die Jubiläumsfeier der Wiener Buchdruckerkuust. Von E. Ch. Zur Frage der Verbindung
einer gewerhiicheu Arbeitsschuie mit der Volksnchnle. Von R. v. E. Gutenberg und die Er-
findung der Buchdruckerkunst. Von Eduard Chmclarz. Schluss Die keramische Abtheilung
im Ocslerr. Museum. Von I. Foluasics. Form Literalurbericht. Kleinere Mitlhcilungen.
Die Jubiläumsfeier der Wiener Buchdruckerkunst.
Am 24. Juni, dem Namenstage Johannes Gutenbergs feierten die
Wiener Buchdrucker den Ablauf des vierten Säculums seit Einführung
ihrer Kunst in unserer Stadt. In dem von der Commune Wien festlich
geschmückten Säulenhofe des Museums nahmen die Festlichkeiten ihren
Anfang. Ein halbes Tausend geladener Gäste, unter diesen Se. Excellenz
der Unterrichtsminister, der Statthalter, der Fürsterzbischof von Wien.
der baierische Gesandte, der Polizeipräsident, Vertreter der Wissenschaft
und Kunst hatten sich daselbst eingefunden und wurden von dem Ob-
manne des Festcomites, Buchdrucker Friedrich Jasper, begrüßt. Der
Redner setzte auseinander, wie seit mehreren Jahren das Arrangement
der Jubiläumsfeier geplant war, und dankte Allen namentlich, welche
zur Realisirung derselben ein Wesentliches beigetragen haben. Hierauf
hielt Herr Hofrath Dr. C. v. Sch erzer, k. k. General-Consul in Leipzig,
eine gehaltvolle Festrede, welche in dem prächtigen, Tags darauf von
R. v. Waldheim ausgegebenen Festblatte vollinhaltlich abgedruckt ist.
Der Redner skizzirte die bekannte Biographie Gutenbergis in wenigen
Zügen, um desto eingehender die culturhistorischen Wirkungen von dessen
Erfindung und ihre Entwicklungsgeschichte in Wien besprechen zu können.
Nach einer kurzen Ansprache des Bürgermeisters von Wien und einem
Choral des Gesangsvereins nGutenbergbundß bestieg Hofrath Prof. R. v.
Eitelb er ge die Rednerbühne und dankte als Director des Museums und
Obmann des Ausstellungscomitäs allen Körperschaften, Bibliotheken und
IX. Bd. 1882. X2
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Privaten, welche ihre Schätze an Wiener Drucken dem Ausstellungscomite
und dem Museum zur Verfügung gestellt hatten. Er hob die Förderung der
Buchdruckerkunst und der verwandten Fächer durch die österreichischen
Regenten hervor und schloss mit dem Wunsche, dass die Wiener Buch-
druckerkunst immer Hand-in Hand gehen möge mit den zeichnenden Kün-
sten, um stets in Typenform und Ausstattung der Bücher ihrer Vorgänger
würdig zu sein, deren Werke die historische Ausstellung zieren. Sodann
wurde diese Ausstellung durch die Festgäste eröffnet. Am folgenden Tage
vereinte ein großartiges Fest in den Gartenanlagen der Neuen Welt in
Hietziug etwa 10.000 Fachgenossen und ihre Freunde, und Montag fanden
die Festlichkeiten ihren schönen Abschluss dadurch, dass Se. Majestät der
Kaiser die Ausstellung mit seinem Besuche beehrte.
Es waren Tage weihevoller Anerkennung für Gutenberg und die
Buchdruckerkunst. Der Festesinbel ist verklungen, aber die Freude kann
noch wochenlang stets erneuert werden durch den Besuch der histo-
rischen Ausstellung von Wiener Druckwerken, für welche die Direction
des Museums mit Zustimmung des Protectors, Sr. kais. Hoheit Erz-
herzog Rainer, zwei der größten Säle zur Verfügung gestellt hatte.
Das Zustandekommen der Ausstellung ist dem Entgegenkommen, Allen
voran Sr. Majestät des Kaisers für die Familien-Fideicommiss-Bibliothek,
die k. k. Hof-Bibliothek und die k. k. Kupferstichsammlung, sodann
des Unterrichtsministeriums bezüglich der k. k. öEentlichen Bibliotheken,
ferner der meisten großen Klüster, der Commune Wien, der National-
bibliothek in Budapest und zahlreicher Privatsammler zu danken. Aus dem
Auslande verdient neben der Universitätsbibliothek in Breslau besonders
die k. Hof- und Staatsbibliothek in München wegen ihrer Liberalität, wie
solche nur selten zu finden ist, hervorgehoben zu werden. Nur so wurde
es möglich, dass der Ausstellungskatsalog, eine Musterleistung von Dr. Wilh.
Haas, Amanuensis der Wiener Universitätsbibliothek, über 1000 sehens
werthe Objecte namhaft machen kann. Dr. Haas hat den wesentlichsten
Antheil am Zustandekommen der Ausstellung; er hat fast allein die Riesen-
arbeit durchgeführt, das Büchermateriale zusammenzubringen, und seine
Rastlosigkeit ermöglichte es, dass der Katalog bereits bei der Erötfnung
der Ausstellung ausgegeben werden konnte. Neben ihm bildeten das Sub-
comite für diese Ausstellung unter dem Obmanne Hofrath R. v. Eitel-
berger die Herren Ed. Chmelarz, Custos am k. k. Oesterr. Museum,
Dr. A. Göldlin v. Tiefenau, Scriptor der k. k. Hofbibliothek, Dr. A.
Mayer, Secretär des Vereins für niederösterreichische Landeskunde,
Franz Schestag, Custos der Kupferstichsammlung des allerhöchsten
Kaiserhauses. Das Arrangement der Bücher in den Kästen besorgte Herr
Franz Ritter, Bibliotheksbeamter des k. k. Oesterr. Museums, das der
technischen Abtheilung der k. k. Hof- und Staatsdruckerei deren lnspector,
Herr Raimund Lauter.
Es muss anderen Fachblättern überlassen bleiben, die Ausstellung sozu-
sagen wissenschaftlich zu analysiren. Wir beschränken uns darauf hinzu-
weisen, dass die Leistungen von etwa x20 Buchdruckereien Wiens während
der abgelaufenen vier Jahrhunderte in fast durchgehends schönen Exem-
plaren vertreten sind, interessant und lehrreich, ja lehrreicher, als andere
Ausstellungen zu sein pflegen. Denn was sollte uns über das alltägliche und
geistige Leben der vergangenen Geschlechter besseren Aufschluss geben,
als deren Bücher, und die Art und Weise, wie diese Schatzkästlein des
Wissens von ihren Besitzern auch in Ausstattung und äußerer Form mehr
oder minder werthgehalten wurden.
Den Anfang machen Bücher vom Jahre i482 als Drucke eines
Meisters, für den uns Name und jede weitere Kunde fehlt. Dann kommt
aber gleich Winterburgefs stattlicher Verlag, vorwiegend geistlichen
Inhaltes, verschiedene Missale und Choralbücher, das Wiener Heiligthum-
buch, Simon de Quercu's Optrsculum Musices, eines der ältesten Musik-
werke Deutschlands, Peurbach's Tabulae eclypsium und des Conrad Celtes
Episodia sodalitatis litterarie Danubianae, die uns mit den ersten Mit-
gliedern der wgelehrten Donaugesellschaftu, eines ll-lumanistenkreises, be-
kannt macht Vietor und Singriener stehen ganz auf derselben
Höhe der Kunst, wie die gleichzeitigen Buchdrucker Deutschlands. Die
Illustrationen in ihren und in Hofhalter's Büchern schließen sich fast
selbstverständlich den neueren Strömungen des Styles an; sie tragen be-
reits den Charakter der deutschen Renaissance, jener eigenartigen Um-
bildung der italienischen Formen, wie sie uns schon auf einzelnen Holz-
schnitten Dürer's, vor Allem aber bei H. Holbein's Kunstweise begegnet.
In den Einzelblättern und Buchillustrationen macht sich in Deutschland
der Umschwung von der mittelalterlichen Kunst zu jener der neueren Zeit
zuerst geltend, im Gegensatze zu Italien. Aus Hofhaltefs Verlag sei
noch hingewiesen auf die mit prächtigen Holzschnitten gezierten Memoiren
Herbersteims, auf des Ranzanus musterhaft gedruckte Epitome Rerum
Ungaricarurn, Francolin's Turnierbuch mit Radirungen Lautensack's und
eines unbekannten Monogrammisten, auf Weidnefs Sermon an die Prager
Juden von 156i mit einem Holzschnitte von Donat Hübschmann, der
wieder auffallend Cranach'schen Charakter zeigt, und schließlich auf den
prachtvollen und außerordentlich seltenen Hymnus an Kaiser Maximilian lI.
Dazu aus Vietofs Officin der Golddruck des Logus und Tabellendruck
des Tannstetter; aus jener der Singriener der H. Judenkunig von
1523 mit der Unterweisung für Geigen- und Lautenspiel und SchmeltzYs
Lobspruch der Stadt Wien; aus Aquil'a's Druckerei HirschvogePs he-
rlihmte Concordanz; aus M. Zimmermanns Ofticin des Widmannstetter
syrisches Testament und des Lazius Chorographie mit dessen eigen-
händigen Radirungen, und vollends die wgründtliche Beschreibung des
Einzugs Maximilian Il. in Wien 1563, in Stainhofefs Werkstatt ge-
druckte, mit einer vortrefflichen Gesammtansicht von Wien und Urn-
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gehung, und Wirrich's Beschreibung des Beilagers des Erzherzogs Karl
im Jahre 1561 in drei Exemplaren aus der Druckerei des Blasius Eber
kurz, es ist hier keine erschöpfende Aufzählung a1l' der interessanten
Bücher möglich, mit denen Wiens Buchdrucker sich im 16. Jahrhundert
den ausländischen Leistungen ebenbürtig zur Seite stellen können. Am
allerwenigsten dürfen übergangen werden David de Necker's Stamm-
und Gesellenbüchlein, der Todtentanz, und nun gar die 50 Abbildungen
der deutschen Landsknechte in dem einzig bekannten completen Exemplare
Sr. Exc. des Feldzeugmeisters R. v. Hauslab. Der älteste Lectionskatalog
der Wiener Universität, Forstefsche Spielkarten, das einzig bekannteWiener
Modelbuch aus Kolb's Druckerei 1596, eine Ansicht von Tokay und eine
Reihe von Buchdrucker-Privilegien aus dem 16. Jahrhundert seien auch noch
hervorgehoben. Im 17. Jahrhundert steht es im Allgemeinen mit den
Büchern schlecht, was Typen, Papier und Illustrationen anbelangt; nur
die Leistungen der Firma Cosmerovius sind einigermaßen achtung-
gebietend, besonders mit den Prachtausgaben der Ballette und Schauspiele
am kaiserlichen Hofe. Mit dem Anfange des 18. Jahrhunderts beginnt
unter Führung des Niederländers Johann van Ghelen ein neuer Auf!
schwung, der bis heute im Ganzen und Großen durch keinen aulTallenden
Stillstand unterbrochen ist. Wir brauchen zum Beweise" nur die Namen
seiner Nachfolger Kaliwoda, Kurtzböck, Trattner, Karl Gerold,
Mathias Schmidt, Alberti, Wallishauser, Str 1.113, Degen v.
Elsenau, den ersten Director der k. k. Hof- und Staatsdruckerei u. s. w.
anzuführen. Die Wiener Classikerausgaben dieser Zeit, ein Werk wie
Meninskfs arabisches Lexikon, die Illustrationen und der Druck von
Jacquin's botanischen Werken, stehen den berühmteren französischen
Leistungen jener Zeit nicht nach, und der künstlerische Charakter und
der Umfang der Thätigkeit der Staatsdruckerei bis zu Aue r's Tode ist
ohnedies Weltbekannt, so dass eine eingehendere Aufzählung von Besonder-
heiten überflüssig ist. Dem allgemeineren Interesse kommt die Zusammen-
stellung von über 100 Zeitungen aus dem Jahre 1848 entgegen, ferner eine
Reihe von Ansichten der Gebäude, in welchen sich die alten Druckereien
befanden, und mehrere Porträts, unter denen besonders ein Porträt des
Johann van Ghelen und ein Meisterwerk Lampi's, das Porträt Trattnefs,
erwähnt werden sollen. Die Handpresse, mit welcher Kaiser Josef in
seiner Jugend die Bucbdruckerei betrieb, wurde von der Direction der
Staatsdruckerei in pietätvoller Weise ausgestellt. Daneben steht ein Modell
der Au er'schen Doppelschnellpresse für beiderseitigen Druck auf endlosem
Papier, vom Jahre 1862. Und die gegenwärtig in Wien existirenden
Druckereien? Sie haben sich aus Gründen, die hier nicht zu ventiliren
sind, von der Ausstellung ferngehalten. Uebrigens ist der moderne
Wiener Buchdruck würdig vertreten durch die große Festpublication
nWiens Buchdrucker-Geschichte 1482-1882. Herausgegeben vonden
Buchdruckern Wiens, verfasst von Dr. Anton Mayerm Um der Be-
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deutung dieses Werkes willen werden wir demnächst im Literaturbericht
unseres Organes dasselbe eingehend besprechen. Vorderhand geben wir der
Ueberzeugung Ausdruck, dass dieses Buch eine Musterleistung nach jeder
Beziehung zu nennen ist, das ehrendste Denkmal, welches die Wiener
Buchdrucker ihrem Ahnherrn Gutenberg errichten konnten. E. Ch.
Zur Frage der Verbindung der gewerblichen Arbeits-
schule mit der Volksschuleä.
Die Frage der Verbindung des Arbeitsunterrichtes mit der ötlent-
lichen Schule wird in Deutschland jetzt eingehender als je behandelt. Immer
mehr drängt sich die Nothwendigkeit auf, die Liebe zur Arbeit schon durch
die Volksschule dem Geiste der Jugend einzuprägen; zudem zeigt es sich,
dass Staats- und Communalmittel nicht ausreichen, durch gewerbliche
Schulen dem Gewerbestande ausreichende Hilfe zu bringen, wenn'nicht auch
in der Volksschule die l-landfertigkeit gepliegt wird.
Die Gemeinnützige Gesellschaft zu Leipzig hat zur ein-
gehenden Behandlung dieser Frage einen Ausschuss gewählt, in welcher
Dr. Götze die Berichterstattung übernommen hat. Die Anträge des Dr.
Götze, welche durchgängig die Genehmigung der Gesellschaft erhalten
haben, begründen das näher, was für Leipzig zunächst zu erstreben ist.
Es wird dabei die erziehliche Seite in den Vordergrund gestellt.
Unter den dortigen Verhältnissen wird "als letztes Ziel die Verbindung
des Arbeitsunterrichtes mit der ölfentlichen Schuleu bezeichnet. vDerselbe
soll ein Gegengewicht gegenüber dem ausschließlich theoretischen Unter-
richt bilden, diesen ergänzen; es werde deshalb diejenige praktische Arbeit
empfohlen, die mit der Schule in Beziehung steheu.
Es knüpfen sich daran folgende Anträge die Errichtung einer
Schülerwerkstätte in Leipzig; die Veranstaltung eines
Cursus zur Vorbildung von Lehrkräften an dieser Werkstätte;
Anstellung einer zur Leitung der Werkstätte geeigneten Persönlichkeit.
Am 6. October 1880 konnte in Leipzig die erste Schülerwerkstätte
eröffnet werden. Der Entwicklung der Pflege der l-landfertigkeit durch die
Schule treten aber einige Hindernisse entgegen, und zwar ist es haupt-
sächlich der Umstand, dass bei den großen Anforderungen, welche die
Schule, namentlich die höhere, an ihre Zöglinge zu stellen gezwungen ist,
denselben nur wenig Muße bleibt, in Selbstthätigkeit andere, als von der
Schule gepllegte Anlagen zu entwickeln. Ein anderes Hinderniss ist das
verschiedene Schulmaterial selbst. Trotzdem werden im Einverständniss und
Siehe auch -Minheilungen- Jahrgang 1878 die Nummern x48, 149, 158, 159 und
lahrgang x879 die Nummern I64-l69.
x58
mit Unterstützung des k. Ministeriums des Innern und des k. Cultus-
ministeriums und auf Anregung der Gemeinnützigen Gesellschaft in Leipzig
und des Gemeinnützigen Vereins zu Dresden eine Reihe von hervorragenden
Fachmännern, als Medinalrath Dr. Bernhard Hirschfeld, Geh. Reg-Rath
Böttcher, Geh. Schulrath Kokel in Dresden und die Professoren
zur Straße und Dr. Götze in Leipzig vom 17. Juli 1. J. unter Leitung
Clausen's einen sechswöchentlichen Cursus in Dresden eröffnen, um vor-
zugsweise Lehrern an sächsischen Schulen und Erziehungsanstalten Ge-
legenheit zu geben, diejenigen Arbeitsgebiete kennen zu lernen, welche sich
bis jetzt zur Ausbildung der Handfertigkeit und zur Ausnutzung für
einen zweckentsprechenden Hausfleiß geeignet erwiesen haben.
ln dem Centralcomite zur Beförderung der Erwerbsthätigkeit des
böhmischen Erz- und Riesengebirges hat Dr. Robert Schwartz die
Aufmerksamkeit des Centralcomites auf die Erziehung zur Arbeit
gelenkt, d. h. auf die Aufnahme gewisser mechanischer Beschäftigungen
in das System des Jugendunterrichtes durch die Einführung der soge-
nannten Arbeitsschulen. Dr. Schwanz ist überzeugt, dass durch
einen solchen gewerblichen Unterricht der Knaben vor der Lehrzeit viele
der heutigen Uebelstände des Lehrlingswesens direct oder indirect be-
hoben würden. Besonders aber würde für unsere arme Gebirgsbevölkerung
ein großer Segen darin liegen, wenn durch solche Schuleinrichtungen
ein arbeitskundiges und arbeitsfrohes Geschlecht, das den Hausfleiß in
die Familie zu tragen verstände, heranwachsen würde. Meiner unmaßgeb-
lichen Meinung nach würde man im Riesen- und Erzgebirge gut thun, an
das sich zu erinnern, was vor hundert Jahren der edle Kinderman in
Böhmen erfolgreich angestrebt hat, ohne ebenbürtige Nachfolger in seiner
Heimat zu finden. Einen ausführlichen Bericht über die Debatte itn Central-
comite bringt das "Prager Tagblatt" vom 23. Mai 1882. R. v. E.
Gutenberg und die Erfindung der Buchdruckerkunst.
Vortrag. gehalten im Oesterr. Museum für Kunst und Industrie arn I2 Jänner 188a
von Eduard Chmelarz.
Schluss
Die Typographie, der Letternguss, war das Neue und
Epochemachende gegenüber dem alten Tafeldruck, und nur in der
Wallzu scharfen Betonung dieser Typographie liegt das Verblüffende von
Linde's Ausspruch, dass Gutenberg nicht die Buchdruckerkunst er-
funden habe. Nicht das Drucken, denn dieses war ia längst bekannt,
nicht die beweglichen Lettern, denn solche gab es auch schon längst,
brauchte Gutenberg mehr zu erfinden, sondern die Herstellung gegos-
sener Lettern mittelst Patrizen und Matrizen, und das ist eben die
Typographie. Heute ist der Vorgang folgender Der Buchstabe oder ein
anderes Druckzcichen wird in harten Stahl geschnitten, und dieser Stempel
heisst Patrize; derselbe wird sodann in ein Kupferstäbchen eingeschlagen,
die so entstandene Vertiefung heisst Matrize, und aus ihr als Form
werden dann mittels Handguss oder Maschine die einzelnen Buchstaben in
unzähligen Wiederholungen gegossen. Die Schwierigkeit und Trag-
weite dieser Erfindung erhellt daraus, dass eine gewöhnliche Octavseite
unserer Bücher durch-Zusammensetzung von etwa 2500 solcher aus Blei
und Antimon. mit etwas Zusatz von Kupfer, Zinn und Eisen gegossenen
Metallstückchen hergestellt ist. Die Herstellung des Morgenblattes von
einer der größeren Zeitungen erfordert weit über 100.000 Buchstaben
allein, die Unzahl der übrigen nothwendigen Durchschüsse, Stege u. s. w.
gar nicht gerechnet. So etwas hatte Gutenberg selbst allerdings
nicht zu Stande gebracht, auch nicht eine Leistung, wie sie Gladestone
beim Canon-Jubiläum zu London in einer prächtig gebundenen Bibel
verwies. welche 16 Stunden vorher noch gar nicht gedruckt war
eine Bibel, gedruckt, gebunden und von Oxford nach London ge-
schickt, binnen 16 Stunden! Solches und der rasche Druck der
Zeitungen wurde erst möglich seit der Erfindung der Schnellpresse
durch den Deutschen Friedrich König im Jahre 1833 und seit der
Verbesserung der Stereotypie. Aber Gutenberg hat seinen Nach-
folgern den Weg gewiesen, und um sein ganzes Verdienst zu würdigen,
muss man sich noch eine Vorstellung machen von der durchgreifenden
Modification, welche er mit der Pressenform seiner Zeit vornehmen musste;
eine Modification so umgestaltender Art, dass es geradezu läppisch ist,
darüber zu streiten, 0b die Weinpresse oder die Papierrnacherpresse ihm
als Muster diente; dazu die rechte Mischung der Druckerschwärze
und vollends die Metallmischung für den Typengussl
Es ist wohl rnüssig, durch Combinationen mannigfacher und oft recht
drolliger Art die Erßndung Gutenberg's nacherfinden zu wollen. Da wird
ganz fest behauptet, auch er habe zuerst Holztafeldrucke gefertigt; sei es,
damit hat er aber nichts Neues gemacht; hierauf habe er solche Holz-
tafeln zerschnitten, zahlreiche Buchstaben in Holz nachgeschnitten, an
einem Faden aneinandergereiht und damit gedruckt. Wenn dies über-
haupt als möglich zugestanden wird, so muss jedenfalls Gutenberg sich
sehr rasch von dem Unpraktischen dieses Verfahrens überzeugt haben.
Allerdings wurde erst im Vorjahre hier in Wien durch den Druck zweier
Zeilen mit holzgeschnittenen Buchstaben der Beweis geliefert, dass so etwas
möglich sei. Ja wohl, zwei Zeilen, aber man drucke einmal auf diese
Weise die r7oo Seiten der Gutenberg-Bibel! Sodann erlaubt man Gutenberg,
einen Schritt weiter zu gehen, statt des Bindfadens schon Eisendraht zur
Auffädeluhg zu benützen und statt der Holzbuchstaben aus Blei ge-
gossene in Anwendung zu bringen. Aber anfangs darf er hiebei nur die
Stäbchen gegossen und das 'Auge, das Buchstabenbild derselben, erst
nachträglich ausgeschnitzt haben u. s. w. u. s. w.
Solche Cornbinationen tragen wenig zur Klärung der fraglichen
Punkte bei. Nur das Eine kann man als wahrscheinlich festhalten, dass
Gutenberg sich mit seiner Kunst wohl nicht gleich an eine Riesenaufgabe
wie den Bibeldruck wagte, sondern es zuerst mit der Ausgabe der
Schulgrammatik des Donat versuchte. Inzwischen war er aus Straß-
burg nach seiner Vaterstadt zurückgekehrt. Das erste Schriftstück, das uns
von seinem Mainzer Aufenthalt unterrichtet, ist leider wieder ein Schuld-
schein über 150 fl. vorn 15. October 1448. Er brauchte eben Geld, um
seine Erfindung zu verwerthen und sich eine Druckerei einzurichten, die
wegen der Kosten der Materialbeschaffung in einem alten Buche "ein
fressig Dinge genannt wird. Aber im Jahre 1450 war der erste Druck
des Donatus fertig, und 1450 ist das hochheilige Geburtsjahr der
Buch druckerkunst. Im selben Jahre wurde nach der Cölner Chronik
mit dem Drucke der Bibel begonnen, und zwar "mit einer groben
schrift, wie die Schrift ist, mit der man Messbucher druckt-i,
also in der sogenannten Missalschrift, und im Jahre 1452 scheint das Werk
vollendet zu sein. Zumeist in drei Bänden gebunden mit 1764 zweispaltigen
Seiten zu je 36 Zeilen, daher die 36zeilige Bibel genannt. Um eine An-
deutung von der heutigen Kostbarkeit dieses ersten typographischen Meister-
werkes zu gehen, erwähne ich, dass im Jahre 1880 ein Exemplar in London
um 26.000 H. und im Vorjahre ein minder gutes um etwa 8000 H. ver-
kauft wurde.
Die erste Bestellung von Außen bekam Gutenberg gelegentlich einer
kleinen Finanzopetation, welche die Kirche machte. Am 12. August 1451
hatte nämlich Papst Nicolaus V. Allen, welche zur Unterstützung des Königs
Johann II. auf Cypern gegen die Türken einen Beitrag leisteten, einen
Ablass verliehen. Als Agent zur Verwerthung dieser Ablassbriefe kam ein
gewisser Paulinus Zapp nach Mainz. Zuerst wurden diese Ablassbriefe
ganz geschrieben, aber gegen Ende der Ablassgeltung that Eile noth,
und so wurden in Zapp's Auftrag die Ablassbriefe bei Gutenberg gedruckt,
nur das Datum der Ausfertigung und der Name des Käufers des Ablasses
wurde hinfort geschrieben'.
Im Zusammenhange mit diesem Ablasshandel steht vom Jahre 14551
nEin mahnung der cristenheit wider die durcken an Papst,
Kaiser, Könige, Erzbischöfe, Herzöge und freie Städten, eine
gereimte Flugschrift von Quartseiten.
Voll Begeisterung und Feuereifer arbeitet Gutenberg weiter und stürzt
sich gleich auf ein neues großes Unternehmen; den Druck der 4zzeiligen
Solcher Ablassbriefe sind bisher 23 wieder aufgefunden werden, laufend vom
25. November 1454 bis 30. April 1455. Weil diese Exemplare zwei verschiedene Typen-
gattungen aufweisen, so will man die eine bereits der Schoffefschen Druckerei zuschreiben.
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Bibel in zwei Bänden mit 324 und 317 Blättern. Exemplare dieses Pracht-
werkes wurden vor wenigen Jahren verkauft eines auf Papier um
44.000 Francs, ein anderes um 53.800 Mark und eines auf Pergament
um 68.000 Mk. Dem Meister selbst mangelte seinerzeit das Geld zur Be-
schaffung des Materiales; er musste wieder in Gemeinschaft treten mit
einem Geldmanne, ohannes Fust, aber dieser Freund, der ihm so
selbstlos und hilfreich die Mittel zu bieten schien, wurde ihm verhängniss-
voll, schlimmer als der ärgste Wucherer. Fust zerriss nämlich bald wieder
die geschäftliche Verbindung, indem er Gutenberg auf Rückzahlung von
2026 Gulden klagte. Wir haben hierüber keinen richterlichen Urtheilsspruch,
sondern nur eine undeutlich abgefasste notarielle Aufzeichnung vom 6. No-
vember 1455, aber das Endergebniss lässt leider an Klarheit nichts zu
wünschen übrig das ganze Gezüge, das Zeug, also die neuen, schönen
Typen der 42zeiligen Bibel und vielleicht auch des bereits geplanten
Psalters musste Gutenberg samrntund sonders an Fust abtreten und
dieser wurde nun selbstständiger Druckereibesitzer. Darum war es dem
schlauen Geldmanne zu thun gewesen, welcher die Verwerthbarkeit der
neuen Ertindung rasch erkannt hatte. Als er in das Wesen derselben ein-
geweiht war, beschleunigte er den Bruch rnit Gutenberg, und ist für die
Gemüthsart des Mannes Folgendes bezeichnend. In den ursprünglichen
Contract ließ er als guter Freund natürlich nur pro forma Percent
für sein dem Gutenberg als Cornpagnon vorgestrecktes Capital einsetzen,
mit der mündlichen Versicherung, er werde diese Zinsen nie bean-
spruchen; nun aber in der Anklage iiguriren recht stattliche Zinsen
sammt Zinseszins aufgerechnet. Fust wollte sich eben Gutenberg, der ihm
an Bildung, leider nicht in Geschäftsroutine überlegen war, vom Halse
schaffen. Er brauchte ihn auch nicht mehr, seitdem er es verstanden
hatte, in Peter Schöffer von Gernsheim den geschicktesten von
Gutenberg's Gehilfen auf seine Seite zu bringen und dienstbar zu machen.
Die Verheiratung Peter SchöHefs mit Fust's Tochter machte später
die neue Firma ffe auch aus Verwandtschaftsgründen
dauerhaft, zudem war sie im Besitze eines gerichtlich zugesprochenen
Druckereiapparates und größeren Betriebscapitals, als Gutenberg je sein
Eigen nannte.
Noch im Jahre 1456 kam aus der Fust-SchöI-fefschen Ofticin die
42zeilige Bibel NB. mit den Gutenberg'schen Typen gedruckt heraus
und gleich im nächsten Jahre der große Psalter, bereits mit volltönender
Schlussschrift und den Namen von Fust und SchöiTer. Da sich diese bei
Lebzeiten Gutenbergs und in derselben Stadt wohnhaft, doch unmöglich
die Ehre der Erfindung zuschreiben konnten, so wird von der neuen Kunst
nur im Allgemeinen gesprochen und der Name des Erfinders ganz ver-
schwiegen, dagegen mit besonderem Stolze auf die großen Initialen als
von Schöffer gezeichnet und dessen geistiges Eigenthum hingewiesen.
Sie guckt schon, aber sie wagt sich noch nicht ganz hervor, die
Teufelskralle, welche sich später nach Gutenberg ausstreckte, um ihm
sein Heiligstes, die Ehre seiner Erfindung, zu rauben, der er sein Herz-
blut geopfert hatte.
Der Ausgang des Processes war für Gutenberg ein empfindlicher
Schlag, dessen Ueberwindung bedeutende geistige Elasticität, die ganze
Energie eines wahrhaft großen Mannes voraussetzt. Miihselig musste er
sich zwei neue Typ engattungen anschaffen und druckte zunächst zwei
kleinere Werke, wie des Matthaeus de Cracovia Tractatus rationis et
sapientiae und des Thomas von Aquin Summa de articulis ßdei. Zu einer
größeren Leistung musste er wiederum fremde Hilfe beanspruchen, und
der Stadt Mentz Pfaff undJurist Dr. Conr. Humery ermöglichte
ihm endlich im Jahre 1460 die Ausgabe seines dritten Riesenwerkes,
des Katholiken, eines von Johann von Genua verfassten Wörterbuchs
mit Aufschlüssen über die liturgischen Gebräuche ein durch Kleinheit
und. Reinheit der Typen für jene Zeit sehr achtunggebietender Druck.
Die späteren von Gutenberg publicirten kleineren Bücher übergebe
ich, weil zur Entwicklungsgeschichte der Druckkunst nicht mehr charakte-
ristisch, um den Blick auf den Lebensabend des Meisters zu lenken.
Das Unglück war noch immer scharf hinter ihm her Im Jahre 146i
lässt das Thomasstift in Straßburg gerichtlich nach Gutenberg fahnden,
wegen einer vor 19 Jahren contrahirten Schuld, und zum Ueberfluss bricht
im Jahre 1462 über Mainz eine furchtbare Katastrophe herein. Ein Jahr
zuvor war der Erzbischof Dietrich von lsenburg durch Kaiser und
Papst abgesetzt worden und das Capitel wählte an dessen Stelle den
Grafen Adolf von Nassau zum Erzbischof, aber die Städter hielten treu
zu Dietrich. In der Nacht vom 27. auf den 28. October 1462 ward nun
Mainz von den Nassauern überrumpelt; 150 Häuser gehen in Brand auf,
die lsenburg freundlichen Bürger werden fürchterlich geplündert, ihrer
800 Rathsherren und Bürger zusammengefangen und zum Tode verur-
theilt, aber auf dem sogenannten Gnadenwege ohne alle Habe aus der
Stadt gejagt; die freie Stadt ward bischöflicher Besitz und verlor alle
Privilegien; Wohlhabenheirund Handwerk hatte für lange Zeit ein Ende.
Auch Fust's Haus wurde zerstört und viele Gehilfen der FustaSchöEer-
schen Officin wandern aus, freilich in unserem Sinne zum Heile, denn
sie wurden ebensoviele Apostel, Träger der neuen Kunst nach aller Welt.
Inwiefern Gutenberg selbst von dieser Katastrophe berührt wurde,
wissen wir nicht; ob er schon damals auf Seite des Nassauers stand, oder
bald darauf von diesem in Gnaden aufgenommen wurde, bleibt ungewiss.
Aber am 17. Jänner 1465 nahm Erzbischof Adolf von Nassau für den
angenehmen und willigen Dienst, den sein lieber getreuer
Johann Gudenberg ihm und seinem stift getan hail, denselben
für Lebenszeit unter sein Hofgesinde auf, d. h. Gutenberg bekam jährlich
die Hofkleidung der Edlen, für sein Haus a0 Malter Korn und Fuder
Wein und war für immer von Wachedienst, Heerfolge und Einschätzung
befreit; wenn er dem Hoflager folgte, erhielt er überdies freien Tisch
für sich und Futter für seine Pferde. So war endlich auf seine alten
Tage der nimmer rastende Mann durch die Gunst seines Fürsten wenig-
stens der materiellen Sorge ledig! Nicht lange jedoch sollte er sich der
behaglichen Ruhe erfreuen; er starb Anfang des Jahres 1468, unverhei-
ratet und kinderlos, und ward in der Gruft der Gensfleisch in der
Dominicanerkirche zu Mainz bestattet. 1793 wurde Kirche und Kloster
durch die Franzosen zerstört, an die Stelle kam eine Fruchthalle, und da
auch diese 1875 abbrannte, so ist keine Möglichkeit, Gutenbergs Grab
zu ehren.
Wozu denn auch? wWozu denn noch reden von Bronze oder Mar-
mor, dem Andenken Gutenbergs geweiht? Er hat ein Denkmal, das, viel
vergänglicher als alle anderen, sie gleichwohl alle überdauern wird; es ist
das Buch!" Ja fürwahr, und wenn noch angeführt wird, wie in rascher
Folge der Jahre seit 1460 allenthalben Buchdruckereien entstanden 1460
in Straßburg, 14111 in Bamberg, 1462 in Cöln, 1465 in Subiaco, 1467 in Rom,
1468 in Augsburg und Basel, 1469 in Venedig und Mailand, 1470 in Nürn-
berg, Verona, Paris, 1471, 1472 in Speier und 12 Städten Italiens, 1473
in Ulm, Lyon, Utrecht, 1474 in Marienthal, Turin, Löwen und Valencia,
14.75 in Lübeck, Pilsen, Saragossa, 1476 in Rostock, Antwerpen, Brüssel,
Brügge, 1477 in Sevilla und Westminster, 1478 in Prag, Genf, Barcelona,
Oxford, 1479 in Würzburg, 1481 in London, 1482 endlich in Erfurt,
München und Wien u. s. w. u. s. w., so könnte mit diesem Hinweis auf
die Verbreitung der neuen göttlichen Kunst eigentlich unsere Aufgabe als
abgeschlossen betrachtet werden.
Doch soll noch auf den Unverstand und die Niedertracht hinge-
wiesen wcrden, mit welcher dem Andenken Gutenbergs arg mitgespielt
wurde.
Begonnen wurde die Hinterlist, wie schon erwähnt, durch die Firma
Fust-Schößer, welche immerhin die Drucktechnik verbessert haben mag
und durch zahlreiche Publicationen zur Propagirung der neuen Kunst
wesentlich beitrug. In ihre Schlussschriften setzen die Beiden stolz ihre
Namen, sprechen aber von der neuen Erfindung blos in vagen Ausdrücken,
ohne den Erfinder selbst zu nennen. Nur einmal wird von Schötfefs Erben
eine Ausnahme gemacht, als es sich ihnen bei der Dedication der deutschen
Livius-Ausgabe an Kaiser Maximilian im Jahre 1505 darum handelte,
von diesemeine Anerkennung und Druckprivilegien zu erlangen. Die"
Schlussschrift dieses Buches lautet "Solich wergk, das in der Stadt Mentz
gedruckt ist, will Ew. Majestät gnediglich ufnemen, in welcher Stadt auch
anfengklich die wunderbare Kunst der Trukerey und imversten von dem
kunslreichen Johann Gutenberg da man zelt nach Christi unsers
herrn geburt tausend vierhundert und fünfzig Jar, erfunden und dernach
mit vleiss kost und arbeit Johann Fausten und Peter Schöffer zu Mentz
gebessert und bestendig gemacht ist wordenm
x64
Dies ist, wie gesagt, ein ausnahmsweises Eingeständniss der Wahr-
heit gegenüber der kaiserlichen Majestät; aber als der Zweck erreicht war,
dann wird von Peter Schölfefs Sohn Johann und seinen Freunden seit t5og
bereits fleißig und frech darauf losgelogen, und es ist nur die ständige
kleine Variation, dass einmal Johann Fust, ein andermal Peter Schöifer als
"der erst erhnder und urheber der Buchdruckerkunstu ausposaunt wird.
Ein später Angehöriger-der Familie Joh. Fried. Faust von Aschaffenburg
Sohn stülpt endlich den Handschuh ganz um und erzählt haarscharf, dass
der screbsame, grübelnde Erfinder Johann Fust gewesen, Gutenberg aber,
sein Hausgenosse und Wohnungsnachbar, habe ihm mit Geld ausgeholfen,
weil er sich von der Erfindung Fust's reichen Gewinn erhoffte.
Beiläufig sei auch der Verwechslung und ldentificirung des Gelda
mannes und Buchdruckereibesitzers Johann Fust mit dem sagenhaften
Doctor Faust gedacht. Dass der Vorname des fahrenden Schwindlers
und Wunderdoctors Georg Faust, von welchem Melanchton erzählt, er sei
bei einer Flugproduction in Venedig vom Teufel aus der Höhe fallen ge-
lassen worden, oder er sei eines Morgens im Jahre 154.0 in einem württem-
bergischen Dorfwirthshause todt gefunden werden, weil ihm der Teufel
das Gesicht nach der Genickseite gedreht hatte, dass also der Vorname
des Wunderdoctors Georg mit dem renommirenden Zunamen Faustus in
Vergessenheit gerathen und durch den in der damaligen Gelehrtenwelt so
geläufigen Buchdruckernamen Johann Faust Fust verdrängt worden ist,
kann uns nicht befremden. Die Verwechslung lag um so näher, seitdem
1694 der Bibliothekar der Sorbonne in Paris, Chevillier, erzählt
hatte, Fust sei mit den Bibeln aus seiner Officin nach Paris gekommen;
man habe dieselben für geschrieben gehalten und die Gleichmäßigkeit der
Buchstaben bewundert. Erst später habe man entdeckt, dass sie auf eine
neue Weise hergestellt sind, welche weniger Mlihe und Zeit koste, und
dass sie daher mit 40-60 Ducaten zu theuer bezahlt worden seien. Man
machte Fust den Process, beschuldigte ihn, ade s'etre servi de Part magique,
pour ecrire toutes ces Biblesu, und um dem drohenden Scheiterhaufen
als Zauberer zu entgehen, machte sich Fust aus dem Staube, also ganz.
wie nach Melanchthons Erzählung der echte Wunderdoctor und Gaukler
Faustus in Wittenberg und Nürnberg.
Die Geschichte der übrigen fi der Buchdruckerkunst
ist rasch abgethan. Dass dem Straßburger Hans Mentel schon 1466 vom
Kaiser Friedrich lll. die Lehensfähigkeit und ein Wappen verliehen wurde,
in dessen Umschrift Mentel als der Erfinder bezeichnet wird, fällt nicht
schwer in die Wagschale. Dem Kaiser wurde die Geschichte eben so dar-
gestellt, dass er sich im besten Glauben zu jener Anerkennung veranlasst
fand. Uebrigens sind die Straßburger verhältnissmäßig bald vernünftig
geworden und haben ihren Mentel aufgegeben, wie die Bamberger ihren
Pfister und die Italiener den Pamfilo Castaldi aus Feltre.
nv;
Vollends die Mähr, welche zuerst der böhmische Astronom Petrus Co-
dicilus de Tulchow im Jahre 576 und zuletzt Pater K. Winaf-icky zu Kowan
bei Jungbunzlau im Jahre 1845 auftischte, urn Gutenberg zu einem Böhmen
zu Stempeln, war selbst den eifrigsten Czechen zu lächerlich.
Was aber nationale Verblendung zu leisten vermag, wie ihr das
Dümmste gerade als das wahrscheinlichste gilt, dazu noch eine uns heute
unfassbare Summe von Verlogenheit und Schlechtigkeit, das beweist die
holländische Erfindungsgeschichte, die wir jetzt kurz Coster-Schwindel
oder milder die Coster-Legende nennen dürfen.
Der Urheber desselben ist der Doctor Medicinae, Dichter, Philosoph
und noch manches Andere I-Iadrian Junius de Jonghe aus Hoorn, ge-
boren 151i, ein Studiengenosse und Busenfreund eines Martin Janszon
Cost er. In seiner l-Iistoria Bataviae erzählt Junius im Jahre 1568, vor
128 Jahren habe der I-Iaarlemer Lichtgießer und Wirth Laurenz Janszon
Coster bei einem gemüthlichen Verdauungsspaziergang nach dem Mittag-
mahl im Stadtwäldchen sich damit die Zeit vertrieben, dass er aus Birken-
rinde Buchstaben schnitzte, zum Spiel und zum Unterricht für seine Enkel.
l-Iiebei blitzte ihm jener bekannte glückliche Gedanke auf und er erfand
die Buchdruckerkunst, also im Jahre 144.0, zehn Jahre vor Gutenberg.
Er goss sogar schon zinnerne Buchstaben, doch hielt er sein Verfahren
geheim, weil er seine gedruckten Bücher als Handschriften verkaufte
der ehrenwerthe Mann! Zu seinem Unglücke hatte er aber einen
ungetreuen Knecht Hans Faustus oder nach Anderen Hans Gens-
fleisch, und in der Christnacht, als alle Frommen beim Nachtgottes-
dienst in der Kirche waren, packt dieser Diebsgeselle den ganzen Druckerei-
apparat in einen Sack und rennt damit zum Thore hinaus, zuerst nach
Amsterdam und von dort nach Mainz, wo sich die holländische Erfindung
später als eine deutsche breitmachte. Dies Alles wurde dem Junius von
seinem greisen Lehrer Gael, einem Manne mit eisernem Gedächtnisse,
erzählt, und dieser hatte sie wieder als Kind von einem Buchbinder Cor-
nelis gehört, der bei der Erzählung dieser Schaudergeschichte als 8oiähriger
Mann noch immer in Thränen ausbrach, die grässlichsten Verwünschungen
gegen den Dieb in der Christnacht ausstieß, dessen Henker er werden
wollte, wenn der Spitzbube nur noch lebte, und die Nacht verwünschte,
die er mit demselben im gemeinschaftlichen Bette in der Werkstatt schlafen
musste. Diese Geschichte steht in der l-Iistoria Bataviae, und dort ist
auch zu lesen, wie einmal ein grober Windstoß einen Mann meilenweit
durch die Lüfte getragen, und dem habe es von dieser unfreiwilligen Luft-
partie nur ein klein wenig im Kopfe gesummt; und weiter die Gräfin
Margareth von Henneberg im XIII. Jahrhundert sei auf einmal von 365
Kindlein entbunden worden, und dies Alles sei wahr, denn so laute die
Inschrift auf einem Votivbild zu Loosduinen Ich hebe dies hervor
zur Charakteristik dieses vertrauensseligen Junius, der mit seiner Erfin-
dungsgeschichte der Eitelkeit seines Freundes Coster schmeicheln und
IUU
sich den holländischen Ständen für irgend eine Anstellung empfehlen
wollte. Sein Steinchen kam richtig in's Rollen und wuchs im Laufe dreier
Jahrhunderte zur Lawine, die Jeden, der nicht an Coster glaubte, mit
Wucht in den untersten Abgrund der Verstocktheit und Bornirtheit
schleuderte.
Die Beweise der Cdsterianer laufen im Ganzen auf Folgendes hinaus
I. Zeugenaussagen von Greisen, die als Kinder einmal etwas gehört haben
von Männern, die selbst schon wieder kindisch geworden waren; 2. ein
Gerrit Thomas Coster wies gelegentlich zinnerne Weinkannen vor, welche
angeblich sein Vorfahre, der Erfinder, aus seinen Buchtyperi habe her-
stellen lassen aber die waren ihm ja alle gestohlen worden, darauf hat
man ganz vergessen; 3. und das ist das Hauptargument "Es ist einmal
so, wie wir es sagen, und die Deutschen sollen beweisen, dass das nicht
wahr seim
Die ganze Costergeschichte ist nichts, als nationale Aufbauschung
eines Stadtklatsches, dass etwa einmal ein Haarlemer Schenkwirth von
rheinischen Weinlieferanten oder selbst auf einer Geschäftsreise nach den
Rheingegenden etwas von der neuen Mainzer Erfindung gehört und mögv
licherweise einen Versuch mit Typenbildung gemacht hat. Es ist aber
wahrhaft bescbämend, dass so viele Männer ihre Kraft an eine erbärm-
liche Sache verschwendeten und sich von einigen Führern dupiren ließen.
Unwissenheit, directer Betrug und Fälschung sind aber mit Recht jenen
Herren nachzusagen, denn andere Ausdrücke kann man wahrlich nicht
wählen für ein Vorgehen, wenn auf Urkunden die Jahreszahl 144.6 in
14.40 umgeändert, Pergamentdrucke befeuchtet und gewaltsam gestreckt
werden, damit sie zur Länge und Breite eines andern Stückes, wie man's
eben brauchte, passen. Bei Anführung zahlreicher Geschichtsquellen für
Coster übersah diese Gattung von Historikern, dass ihre Autoritäten eine
von der andern abschreiben und zumeist auf Junius und ähnlichen basiren.
Der angeblich erste Druck aus Coster's Werkstatt, ein Speculum humanae
salvationis, stellte sich nachträglich als eine sehr späte Ausgabe dieses
deutschen Werkes heraus, und eine Menge von Beweisstücken, wie holz-
geschnittene Buchstaben u. dgl. waren, wenn ein fremder Forscher sie
sehen wollte, just eben gestohlen worden u. s. w., u. s. w.
ln die Reihe der Lächerlichkeiten gehört es, dass man ein Porträt
des Erfinders aus dem XV. Jahrhundert vorzeigt. auf der Rückseite
bezeichnet mit dem Monogramm eines Malers, der erst zwei Jahre nach
dem Tode des Porträtirten geboren wird. Das l-Ieiterste aber ist, dass die
Haarlemer zwei Denkrnale auf zwei Erfinder der Buchdruckerkunst auf-
gestellt haben und bis vor Kurzem nicht wussten. welcher eigentlich der
rechte sei. Dieses kleine Malheur passirte ihnen auf folgende Weise
Der Lichtgießer und Schenkwirth Coster wandert nachweislich r483
aus Haarlem aus. Lassen wir den Mann über 80 Jahre alt werden, so
war er frühestens im Jahre r4oo geboren; nach damaliger Gepflogenheit
1u7
wird er nicht vor seinem 34. Jahre geheirathet haben und dann kann er
in dem angeblichen Jahre der Erfindung 1440 noch nicht mehrere
Enkel haben, welche lesen lernen sollen, selbst wenn seine Tochter sich
schon im 14Ä Lebensjahr vermält hätte. Das machte die biedern Haar-
lemer wohl stutzig, aber um die Gemüther zu beruhigen, wurde flugs
dem Coster ein Denkmal gesetzt. Da erzählt aber wieder einmal ein
Rabbiner, JosefKohen, dass er in Venedig im Jahre 1428 ein gedrucktes
Buch gesehen habe es war eine von den späteren Bibliae pauperum,
freilich ohne Titel und undatirt. Undatirt! Desto besser, da lässt
es sich um so leichter behaupten, dass das Buch von Coster in Haarlem
gedruckt ist und die andern sollen beweisen, dass das nicht wahr sei!
Vollends groß war der Jubel, als Herr A. de Vries in Jahre 1822
in den Büchern von St. Bavo in Haarlem das Todesjahr 143g eines
Schöffen und Rathsherrn Laurens Janszonientdeckte. Nun ward es mit
einem Male hell in den Köpfen Der Erfinder ist nicht der Lichtgießer
und Schenkwirth, sondern der Schöffe, das früher Behauptete war nur
ein verzeihlicher Irrthum! Der Schöffe heißt in dem Todtenbuch aller-
dings nur Laurenz Janszoon, aber das verschlägt nichts. lm Jahre 1425
wird freilich das Haarlemer Stadtwäldchen bei einer Belagerung ausge-
rodet, woher hätte Laurenz Janszoon später so herrliche Birkenrinde für
seine Buchstaben nehmen sollen? Also einfach, er hat die Erfindung
bereits im Jahre 1423 gemacht! Damit die Feinde gar nimmer das Gegen-
theil beweisen können, so bekommt der Schöffe auch ein Denkmal; nun
steht's fest, ist nicht der eine Laurenz der Erfinder, so ist's der andere.
wIst dies schon Tollheit, hat es doch Methodelu
Doch genug des Scherzes! Hervorgehoben zu werden verdient nur,
dass das zweite Coster-Denkmal noch im Jahre 1856 aufgestellt wurde.
Jetzt ist allerdings auf Grundlage der aufgefundenen Gutenberg-Urkunden
die Wahrheit endlich zu Tage gekommen. Die Alten hatteh Recht, dass
sie die Wahrheit eine Tochter des Chronos, der Zeit, nannten, denn
lange genug war Gutenbergs Name und Verdienst besudelt und ver-
dunkelt. Es ist wie ein Act der Nemesis, dass gerade ein Haarlemer,
Dr. Linde, zuerst im Jahre 1870 und neuerdings in einem umfassen-
deren Werke im Jahre 1878 den Costerianern die Maske erbarmungslos
vom Gesichte riss und diesem Schwindel wohl für alle Zeit ein Ende
machte. Vom Costermythus ist bis hoch in das XVI. Jahrhundert,
selbst bei den stolzesten und schreiblustigsten holländischen Schriftstellern
nirgends auch nur ein Wort zu finden. Freilich hat sich auch Gutenberg
selbst, allzubescheiden, auf keinem seiner Bücher genannt. Aber seine
persönlichen Feinde Fust und Schöffer mussten wenigstens einmal der
Wahrheit öffentlich Zeugniss geben und zahlreiche Stellen in Werken
bereits des XV. Jahrhunderts preisen Gutenberg als den wahren Erfinder
der Buchdruckerkunst. Wozu diese noch anführen?! Nach dem Gesagten
dürfen wir wohl überzeugt sein, dass die Denkmäler in Straßburg, Mainz
168
und Frankfurt thatsächlich dem wahren Verdienst gewidmet sind. Guten-
berg allein gebührt die Ehre, er allein hat die Erfindung gemacht, die
Schätze des Wissens, welche bishin nur wenigen Bevorzugten zugänglich
waren, der ganzen Menschheit zu erschließen, auch jenen, welche bisher
verurtheilt gewesen zu geistiger Armuth!
Die keramische Abtheilung im Oesterr. Museum.
Von J. Folnesics.
Fortsetzung
Sehr verwandt mit den Bestrebungen, chinesisches Porzellan nacha
zuahmen, sind jene, die Erzeugnisse der inzwischen berühmt gewordenen
französischen Fabriken von Marseille, Nevers und Moustiers zu irnitiren.
Hier dient das chinesische Muster gleichsam in französischer Uebersetzung
zum Vorbilde. Die Erzeugnisse von Moustiers wurden besonders in Tre-
viso gut nachgeahmt, und das Museum besitzt eine Vase Schr. 3x, Nr. 4.6,
welche bisher als venetianisch galt, die wir aber wahrscheinlich als Arbeit
von Treviso um r7oo ansehen dürfen. Sie hat eine barocke Form und ist
mit Festons in blassen Farben bemalt 1'.
An einem anderen Orte Venetiens, in Candiana, in der Nähe von
Padua, wurde das persische Genre irnitirt, und zwar jene rhodischapersisch
genannten Majoliken, deren Bemalung in einem ganz eigenthümlich styli-
sirten Pflanzen-Ornament besteht m. Die Imitationen, beachten mehr die
Zeichnung als Farbe und Glasur ihrer Originale, die ihnen darin weitaus
überlegen sind. Im Schr. 33 linden wir eine große Schüssel und eine kleine
Schale Nr. 29 und 30 dieser Art. Die Schüssel ist mit einem Stern, der
Jahreszahl t629 und den Buchstaben J. G. in Blau bezeichnet.
In Venedig selbst wurde eine Gattung von Fayencen verfertigt,
die sich durch dünne, klangvolle und überaus leichte Masse auszeichnet.
Schüsseln, Schalen und Teller solcher Art sind nicht allzu selten; sie sehen
aus, als wären sie ein Abklatsch der gleichzeitig in Kupfer getriebenen
Relief-Arbeiten. Die etwas verschwommenen Formen des Reliefs sind durch
Bemalung entweder in einer oder in mehreren Farben deutlicher gemacht.
Der Grund ist blassblau oder trübweiß. Gute Beispiele solcher Arbeiten
sehen wir in Schr. 3x, Nr. 41-44. Vier Schalen mit Blumen-Ornamenten
auf dem Rande. In der Mitte zeigt Nr. 4.1 eine Dame auf dern Throne,
welcher gehuldigt wird VenetiaF, auf der Rückseite eine bisher unbekannte
Marke, Nr. 4.2 eine bacchantische Scene, Nr. 43 und 44 sowie die daneben
befindliche unnumerirte Schüssel Landschaften.
Vergl. Ris-Paquot pl. 113, 114, 1x5.
Vergl. die echten persisch-rhodischen Arbeiten in Schr. g.
Fortuqung auf der Beilage.
Beilage zu Nr. 202
der
Mittheilungen des k. k. Oesterreieh. Museums
In ähnlicher Art wurde auch in dem venetianischen Orte Anga-
rano gearbeitet und es ist immerhin möglich, dass unter den "fünf ge-
nannten Fayencen die eine oder andere nicht aus Venedig stammt. Beson-
.lers zwei von den Schüsseln mit Landschaften unterscheiden sich von den
übrigen durch eine weniger leichte und klangvolle Masse; dies allein be-
rechtigt uns aber noch zu keinem sicheren Urtheil über deren Ursprung.
Noch eine venetianische Fayence anderer Art finden wir in Schr. 33, Nr. 39.
Es ist eine ovale Schüssel in Rococoform mit einer Federzeichnung in
Schwarz, kämpfende Muselmänner auf weißem Grunde von Tiepolo.
Hieher gehörige Abbildungen finden wir bei Ris-Paquot, pl. 178 und
180 und Demmin, I. pl. 17g und 180.
Noch zwei Obiecte der Sammlung lassen eine genauere Bestimmung
zu, ein Salzfass und ein Weingefäß. Ersteres Schr. 33, Nr. 37 ist ein
Erzeugniss von Mantua. Das kleine Gefäß wird vun einer auf einem
Delphin reitenden männlichen Figur getragen, eine trübweiße Glasur be-
deckt das Ganze und die Modellirung ist durch die violette Zeichnung
schärfer markirt. Die Fayence-Industrie in Mantua begann erst gegen Ende
des 16. Jahrhunderts, beschränkte sich zumeist auf Nutzobjecte und erlangte
niemals größere Bedeutung l". Aehnlich verhält es sich mit Montelupo,
einem kleinen Orte bei Florenz, woher das erwähnte, ziemlich umfangreiche
Weingefäß Nr. 58 auf Schr. 32 stammt. Dieses hat eine bauchige Vasen-
form, vier seitlich angebrachte massive Henkel, ist mit Weinranken und
auf die Weinlese bezüglichen figuralen Darstellungen auf gelblichbraunem
Grunde bemalt und zeigt ferner zwei Medaillons mit den Monogrammen
A. C. und E. B. Demmin schreibt in vßHist. de la ceramiqueu pl. 191
eine runde Schüssel, mit zwei Fechtern in roher Weise bemalt, der Fabrik
von Montelupo zu, worauf sich auch Genolini S. 111 beruft; uns scheint
jedoch diese Bestimmung zweifelhaft, da sich im Besitze des Museums
zwei ganz ähnliche Schüsseln Schr. 11, Nr. 38 und 39 befinden, welche
nachweisbar norddeutsches Fabricat des 18. Jahrhunderts sind.
Von den zahlreichen anderen Stätten der Majolika-Fabrication des
15. und 16. Jahrhunderts in Mittelitalien haben die meisten in der folgen-
den Zeit ihre hervorragende Stellung eingebüsst. Nur ganz wenige, darunter
namentlich Urbino unter der Familie Patanazzi, Castel Durante, das nun-
mehrige Urbania, und Siena, letzteres erst wieder im 18. Jahrhundert,
Siehe Demmin l. pl. 61 u. 62.
Siehe Genolini S. x26.
IX. Bd. 1882.
13
170
haben noch Leistungen von größerer Bedeutung aufzuweisen. Indess
besitzt das Museum keine diesbezüglichen Obiecte, und auch unter den
Abbildungen ist nur Urbino vertreten, und zwar finden wir bei De-
lange und Lievre" Arbeiten von Alphonso Patanazzi, bei Demmin
und in Kunst und Gewerbe andere hieher gehörige Fayencen.
Als norditalienische Maioliken schlechthin dürfen wir zwei Apo-
thekergefäße Schrjßä, Nr. 32 u. 34, eine Schüssel Nr. 33 mit durch-
brochenem Rand, einem Wappen und der Jahreszahl 1682, einen Teller
Nr. 28 mit blauen, weiß gehöhten Blätterranken auf hellblauem Grunde
und dem Doppeladler auf dem Rande und endlich einen Krug Nr. 12
mit dem Bilde einer heiligen Aebtissin auf der Vorderseite und italieni-
scher lnschrift ansehen.
Es bleiben uns noch zwei große rnuschelförmige Schalen mit mytho-
logischen Scenen bemalt Schr. 31 u. 32, beide offenbar gleichen Ur-
sprungs, aber ohne Anhaltspunkt für genauere Bestimmung. Ebenso
verhält es sich mit einer flachen Schale auf niederem Fuß aus der Samm-
lung Sourdeau Schr. 31 Nr. 51, welche irrthümlich als Arbeit von
Capo di Monte bezeichnet wurde. Die Schale ist in blassen Farben mit
einer Architektur bemalt, aus welcher eine weibliche Statue mit zwei
Kindern besonders hervortritt. Auf der Rückseitef-inden wir einen Anker
als Marke, woraus sich jedoch kein sicherer Schluss ziehen lässt.
Zum Schlusse haben wir einige plastische Arbeiten dieser Epoche zu
erwähnen. In Saal Ill finden wir eine freistehende Bacchus-Statuette
Nr. 11, eine in natürlichen Farben bemalte Fayence aus dem 18. Jahr-
hundert, norditalienischer Herkunft. Daneben befindet sich eine Terracotta-
Statuetle, eine männliche anatomische Figur Nr. 57, welche noch dem
17. Jahrhundert angehört, in Schr. 33, Nr. 52 eine Terracottagruppe,
zwei mit einander ringende Tritonen in Oelfarben bemalt, aus dem An-
fange des vorigen Jahrhunderts, und an der Außenseite des Schrankes
Nr. 'l'erracotta-Reliefs aus dem Ende des 17. Jahrhunderts. Nr. 53 und
54 die Geburt Christi und die Verehrung der h. drei Könige darstellend,
Nr. 55 u. 56 die heil. Jungfrau und Joseph mit dem Kinde.
Fortsetzung folgt.
H. Belange Recueil des faiences italizunes pl. 99.
Coll. Sauvsgeot ll. pl. no.
a. a. O. pl. 22a.
XIII. Jahrg. 187g. Beilage 36.
I7
Literaturbericht.
lRouyer, Eugene. La renaissance de Frangois Louis Xlll. Decora-
tions interieures. Paris, J. Boudry. Fol.
Man getraut sich kaum mehr von einem Werke zu sagen, dass es einem tief gefühlten
Bedürfnisse entgegenkomrne. Gleichwohl gilt dies von dem obengenannten in hervor-
ragendem Maße. Rouyer, der Herausgeber der allgemein anerkannten -L'art architectural
en Francec hat es nun unternommen, lnnenrlume und deren Decoration mit Getafel,
Panneaux, Thüren, Mobeln, Kaminen, Plafonds u. s. w. zu publiciren und zwar aus der
Zeit von 15oo bis 1650. Dass er uns vorwiegend Ansichten aus französischen Gebäuden
bringt, ist kein Nachtheil, weil die italienische Renaissance eben in Frankreich Modifica-
tionen erfuhr, wie sie unseren Sitten und unserem Klima mehr entsprechen, als die ita-
lienischen Originalformen. Die Angabe der Profile und Deteülconstructionen erhoben die
praktische Verwerthbarkeit von Rouyerls Werk, das im Ganzen auf loo Tafeln berechnet
ist. Dieselben werden 1n zweimonatlichen Lieferungen Frcs. 11.50 mit je 1o Heliogra-
vuren nach Rouyer's Zeichnungen erscheinen. Wenn der Erfolg des Unternehmens ein
günstiger sein wird, sollen in weiteren Serien die Bronzen und Eisenarbeiten derselben
Periode verotfentlicht werden.
Van Someren, T. F. Essai d'une bibliographie de l'histoire speciale
de la peinture et de la gravure en I-lollande et en Belgique 1500
-1875. Amsterdam, Fred. Muller 8a 1882. 8.
Bei der großartigen Ausdehnung der Kunstliteratur müssen Werke wie das vor-
liegende sehr willkommen geheißen werden, auch wenn sie nicht allen Anforderungen in
vollem Maße entsprechen sollten. Wir wollen damit nicht von vornherein einen Tadel
gegen den Autor ausgesprochen haben, sondern wir stehen nur unter dem Eindrücke der
Ueberzeugung, dass eine absolute Vollständigkeit bei solchen Uebersichtswerken kaum
möglich ist. Van Someren selbst betont ja in der Vorrede die großen Schwierigkeiten,
welche sich seiner guten Absicht entgegenstellten, indem die Hauptbibliotheken in den
Niederlanden sogar nur ein Fünftheil der von ihm angeführten 900 Bücher besitzen.
Noch schlimmer steht es mit der Uebersicht über die ausländischen Zeitschriften. Darum
bringt dsr Verfasser diesmal auch blos das Verzeichniss der bezüglichen Aufsätze in den
Journalen seiner Heimat, jene anderen einem Supplementhefle vorbehaltend. Die Ein-
theilung seiner Arbeit ist im Ganzen gut getroffen 1. Zeitschriften; 2. Kunstkritik und
Philosophie der Kunst; 3. Kunsttopographie; 4. Sammelwerke von Ktmstlerportraten;
S. Allgemeine Werke und Specialschriften; 6. lllustrirte Werke mit erlautemdem Texte.
Das Verzeichniss der Autoren und bei der Unterabtheilung der Monographien der Rück-
weis auf die Zeitschriften orientin rasch über die Benützung des mit außerordentlichem
Fleiße gearbeiteten Buches.
Galland, Georg. Die Renaissance in Holland, in ihrer geschichtlichen
Hauptentwicklung dargestellt mit erläuternden Zeichnungen. Berlin,
C. Duncker C. I-leymons, 1882. 8. Mk. 4.-
Die Renaissancepalaste der meisten Länder sind im Allgemeinen von der Kunst-
literatur zur Genüge behandelt worden und im praktischen Leben sind den städtischen
Wohnhäusern wohl oder übel Falastfagden vorgelegt worden, die unwillkürlich ein be-
kanntes Sprichwort in's Gedachtniss rufen. Erst in allerjungster Zeit fangt man an, für
die äußere Ausschmückung von Bürgerhäusern sich an die vielen trelflichen Vorbilder
zu halten, die uns wie architektonische Schmuckkästchen in französischen und mittel-
deutschen Provinzialstadten in großer Zahl erhalten sind. Springer hat aber bereits den
Ausspruch gethan, dass auf die innere Austheilung unseres Wohnhauses seit der Barock-
zeit her die Ziegelbauten der niederländischen Bürger von viel größerem Einilusse waren,
als die Palastbauten französischer und deutscher Fürsten welche damals sozusagen den
Styl machten. Von diesem Standpunkte aus begrüßen wir also das vorliegende Buch,
welches uns eben die Entwicklung der in ihrer Schlichtheit genialen bürgerlichen Bau-
kunst in Holland vor Augen führt und zwar für die ausschlaggebende Periode von 1550
bis 1650. Schlicht und gleichwohl den undeiinirbaren Stempel der Wohlhahenheit zur
Schau tragend, waren und sind diese Bauten von Außen, aber noch mehr unseren Ver-
hältnissen entsprechend und behaglich im Innern eingerichtet. Darum wünschen wir,
dass der Verfasser die gleichzeitige Kunstindustrie, welche die Wohnungen verzierte und
mit praktischen Möbeln füllte, nicht blos untergeordnet besprochen hatte. Oder hat er
vielleicht die Absicht, dieses Thema ineinem zweiten Werke zu behandeln? Wir würden
ihm dafür noch besonders dankbar sein.
13'
172
Die von Prof, A. Prix redigirte wZeitschrift des Vereines österreich. Zeichen!
lehren bringt in diesem Jahrgange einen eingehenden fachmännischen Bericht über die
Jahresausstellung der Schulerarbeiten der Kunstgewerbeschule des Museums.
Ingenieur Karl Göclt hat soeben bei Alfred Hölder in Wien ein sehr lehr-
reiches Buch verölfentlicht über vDie gewerblichen Fortbildungsschulen uml verwandten
Anstalten in Deutschland, Belgien und der Schweiz-i. 146 5. mit 29 Tafeln. Den
kunstgewerblichen Fortbildungsschulen und Gewerbemuseen sind besondere Abschnitte
gewidmet. der letzten Zeit haben auch Wilda und Gennuk ganz vortrelfliche Ar-
beiten über gewerblichen Unterricht veröffentlicht. Die Bewegung in der österreichischen
gewerblichen Unterrichtsliteratur ist ein höchst erfreuliches Symptom für das wachsende
lnteresse an dem gewerblichen Unterrichte. Herr K. Gbck wurde bei seiner Studienreise
durch Baron Schwarz-Senborn gefördert.
KLEINERE MITTHEILUNGEN.
Geschenk an das Museum. Herr Josef E. Böhm, Hofbildhauer
der Königin von England und Mitglied der Akademien von London, Rom
und Florenz, hat die Terracottabüsten John Brighfs und W. E. Glade-
st0ne's, welche sich auf der hiesigen internationalen Ausstellung befinden,
dem Oesterr. Museum zum Geschenke gemacht. Die Porträte sind nach
der Natur modellirt. J. E. Böhm, geboren zu Wien am 4. Juli 1834,
Sohn des auch als Kunstkenner bekannten Münzdirectors J. D. Böhm,
hat seine Kunststudien an der Akademie der bildenden Künste in Wien
gemacht und gilt als einer der hervorragendsten Bildhauer in London.
Seine Porträtstatue Th. Carlyle's, welche auf der internationalen Ausstellung
in Terracotta zu sehen ist, ist auf dem Thames-Square zu London in
Bronze aufgestellt.
Dle Jubiläums-Ausstellung von Wiener Druckwerken, welche im Museum
die großen Sale Vl und Vll ausfüllt, wurde von Seite des Allerhöchsten Hofes außer Sr.
Majestät dem Kaiser auch von Sr. kais. Hoheit dem durchlauchtigsten Herrn Erz-
herzog Karl Ludwig mit einem Besuche ausgezeichnet. Die außerordentliche Frequenz
der Ausstellung an den letztverflossenen Sonn- und Feiertagen bekundet das überraschende
Interesse, welches dieselbe auch beim großen Publicum findet.
Besuch des Museums. Die Sammlungen des Museums wurden im Monate
Juni von to.o75, die Bibliothek von t482 Personen besucht.
Das Museum und die Kunstgowerbeschule wurden in den letzten Tagen des
Juni von dem Director der Kunstgewerbeschule in Frankfurt a. Herrn Luthmer,
und dem Director der Kunstakademie in Leipzig, Hofrath L. Nieper, besichtigt.
Inetruotion für die oberste Inspection der gewerblichen Faahlehranstalteu.
Die von Sr. Excellenz dem Herrn Minister für Cultus und Unterricht erlassene lnstruction
für die oberste lnspection des gewerblichen Unterrichtes bezeichnet als oberste Aufgabe
der lnspectoren technischer und artistischer Richtung zu erheben, 0b sich der Unterricht
innerhalb der durch den Lehrplan gezogenen fachlichen Grenzen bewegt und ob er in
einer Weise ertheilt wird, welche den Bedürfnissen jenes lndustriezweiges, dern die Schule
dienen soll, entspricht. Hiebei haben die lnspectoren technischer Richtung sich auch zu
überzeugen, ob die mathematisch-naturwissenschuftlichen Disciplinen derart gelehrt werden,
wie der specielle Fachunterricht dies erheischt. Ebenso istvon Seite der artistischen lna
spectoren darauf zu sehen, ob die den künstlerischen Unterricht ergänzenden theoretischen
Weisungen der Aufgabe der Lehranstalt entsprechen. Besonderes Augenmerk ist den Lehr-,
Lern- und Arbeitsmitteln zuzuwcnden. Die regelmäßige lnspection aller Lehrfächer, welche
nicht ihrer Natur nach der speciellen Fachinspection vorbehalten bleiben,'obliegt dem
lnspector für didaktisch-pädagogische Angelegenheiten. Zu den von Letzterem besonders
zu inspicirenden Disciplinen gehören auch die mathetnatisch-naturwissenschaftlichen Facher
und die den artistischen Unterricht ergänzenden Unterweisungen. so weit dabei die
didaktisch-pädagogische Seite in Betracht kommt. Derselbe hat sein Augenmerk ferner auf
die Amtscorrespondenz der Schule, die Instandhaltung der Lehrmittel und auf das Ver-
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haltniss der Schule nach Außen zu richten und ist verpflichtet, an den vom Unterrichts-
ministerium angeordneten Berathungen Theil zu nehmen und bei der Leitung der Ab-
gangsprüfungen an den höheren Gewerbeschulen mitzuwirken. Jede selbständige Lehranstalt
muss innerhalb dreier Jahre von einem der lnspectoren wenigstens einmal besucht werden
die Visitation kann aber, wenn aie vom Unterrichtsministerium für nothig erkannt wird,
auch in kürzeren Zeitraumen, selbst mehrmals in einem Jahre stattfinden. Von Antritt,
Richtung, Zeitdauer jeder lnspectionsreise ist dem Unterrichtsministerium Meldung zu
machen und dessen Genehmigung und eventuelle Weisungen abzuwarten. Langstens
14 Tage nach beendeter Bereisung ist dem Ministerium der Reisebericht zu erstatten.
Jeder lnspector kann seine Wahrnehmungen über Schulangelegenheiten welcher Art immer
beim Ministerium vorbringen und daran Anträge knüpfen. Alle lnspectoren sind verpliichtet,
an den vom Ministerium angeordneten Berathungen über Ausarbeitung von Lehrplänen,
Wahl, BeschalTung und Herstellung von Lehrmitteln und ähnliche Gegenstände des Unter-
richtes Theil zu nehmen, Gutachten abzugeben und über besondere Weisung bei den
Abgangsprufungen an den höheren Gewerbeschulen mitzuwirken.
Der Votivaltar in der Sohottenklrohe in Wien. Bald wird
unsere Stadt um ein hervorragendes Kunstwerk reicher sein, nämlich den
großen Votivaltar zum Andenken des verstorbenen Prälaten Helferstorfer
in der Schottenkirche. Der Entwurf zu dem Altarwerke, im Renaissance-
style, ist ein Werk des Architekten der Votivkirche, Oberbaurath Hein-
rich Freiherr von Ferstel. Das Altarwerk wird in Marmor, das Altarbild
selbst, über i5 Fuß hoch und gegen Fuß breit, in Mosaik ausgeführt.
Die Zeichnun des Cartons wurde dem Professor an der Kunst ewerbe-
g.
schule, Michael Rieser, übertragen, einem Künstler, dessen Richtung
wie geschaffen ist zur Entwerfung eines stylvollen Mosaikbildes. Die Aus-
führung in Mosaik hat J. Neuhauser in Wilten bei Innsbruck übernommen.
Es gereicht dem gegenwärtigen Prälaten des Schottenstiftes, P. Hauswirth,
zu hoher Ehre, die Mittel zur Herstellung eines solchen Kunstwerkes
geboten zu haben.
Bei diesem Anlasse wollen wir noch erwähnen, dass in der Neu-
hausefschen Mosaikanstalt als Pendant zu der bereits in Mosaik aus-
geführten v-Poesiei- jetzt die v-Religionit nach dem Deckenbilde Raphaels
in der Stanza della Segnatura in Rom, in Arbeit ist. Beide Mosaikbilder
sind für das Oesterr. Museum bestimmt.
Ausstellung in Gablonz. Auf Anordnung des k. k. Ministeriums für Cultus und
Unterricht findet gelegentlich der Erotfnung des von der Gablonzer Gemeinde für die
dortige Fachschule neu erbauten Schulhauses in den Räumen desselben eine Ausstellung
von Quinquaillerie-Gegenständen und auf die Erzeugung derselben Bezug nehmenden
Maschinen statt. Diese Ausstellung beginnt am a. Juli und soll bis Anfangs August dauern.
Das Oesterr. Museum hat alle seine für die dortige lndustrie interessanten Obiecte und
eine große Zahl von Musterblattern dahin entsendet, und ebenso betheiligen sich das
Orientalische Museum und eine Anzahl Wiener industrieller an dieser Ausstellung. Von
Seite des Museums wurde Herr Folnesics mit der lnstallirungsarbeit betraut.
Bei diesem Anlasse erwähnen wir, dass von Seite des Oesterr. Museums in jüngster
Zeit die Ausstellung des mdhrischen Gewerbemuseums in Brünn und die gewerbliche
Abtheilung der Ausstellung in Pilsen mit einer entsprechenden Auswahl von kunstindur
striellen Gegenständen aus den Sammlungen des Museums beschickt wurden, und dass
gegenwärtig die Vorbereitungen zur Betheiligung an der Triester Ausstellung in umfas-
sender Weise getrolfen werden.
Goldfiiden der mittelalterlichen Brocatweber. Unter dem
etwas pompösen Titel "Das Mysterium Cyprium auri filatiß bringt die
wAugsburger Allgern. Zeitungu, Nr. i7o vom i9. Juni i88z, die angeblich
neue Entdeckung der wahren Beschaffenheit der mittelalterlichen Goldfäden.
Wir entnehmen diesem Artikel folgende Hauptstellen
"Dr. W. v. Miller und Dr. C. O. Harz, Beide Docenten an der technischen
Hochschule in München, haben in den letzten Monaten durch gemeinschaftliche ein-
gehende Untersuchungen an einer großen Zahl von Originalgeweben aus den verschie-
denen Jahrhunderten des Mittelalters durch chemische Analysen und mikroskopische
174
Untersuchungen den evidenten Beweis erbracht, dassder im ganzen Mittelalter bis in die
Frühzeit der Renaissance fortwährend in reicheren Texturen vorkommende Goldfaden der
abendländischen Seidenindustriellen fast durchgängig aus Leinen-, seltener aus Seidenfaden
besteht, die mit einem stark auf der einen Seite vergoldeten animalischen Häutchen, aus
den Darmen der Schweine und Schafe geschnitten, umspannen sind. Die ebengedachten
jüngeren Fachgelehrten haben es aber hei dem analytischen Beweise an einer Menge von
alten Goldgespinnsten nicht bewendet sein lassen, sondern auch mit anerkennenswerther
Ausdauer den synthetischen Beweis für die Richtigkeit ihrer Analyse geführt und, was
bisher noch Keinem gelungen ist, den verloren geglaubten antiken Goldfaden in einer
solchen Gediegenheit und einem so milden Goldglanz wiederhergestellt, dass nach Urtheil
von Fachkennern und Kunstverstandigen die in gediegener alter Weise jetzt in Menge
wiederhergestellten Goldfaden, was ihre technische Praparation und ihre eigenthümliche
Elfectwirkung betriEt, durchaus mit dem cyprischen Goldgespinnst der Alten identisch sind.
lndem wir es den glücklichen Erfindern überlassen, in einschlägigen Fachzeitschriften die
wissenschaftlichen Resultate ihrer ausgedehnten Untersuchungen über Natur und Beschaffen-
heit des verschiedenartigen Goldgespinnstes der Alten niederzulegen und den Nachweis zu
erbringen, mit welchen Mitteln es ihnen technisch gelungen ist, den traditionellen orien-
talischen Goldfaden in ursprünglicher Vollkommenheit wieder neu herzustellen, sei es
gestattet, hier noch zu bemerken, dass die oben gedachten Gelehrten, überzeugt von der
praktischen Bedeutung und der großen Tragweite ihrer Erfindung, es nicht unterlassen
haben. durch Patente in den verschiedenen Hauptstädten das Eigenthumsrecht der neuen
Erfindung sich sicherzustellen. Da das oft gedachte neue Goldgespinnst sich durch Biegsam-
keit und Haltbarkeit im Gegensatz zu den heute gebräuchlichen Goldfaden vortheilhaft
auszeichnet, welch' letztere selbst sogar bei der Verarbeitung nicht selten ihre Unsoliditat
documentiren und schwarzlich anlaufen; da ferner der stechende, verletzende Metallglnuz
den neuen Goldfaden nicht anhaftet, sondern dieselben bei größerer Geschmeidigkeit einen
wohlthuenden, andauernden Glanz verbreiten, der mit dem matten Schimmer der Seiden-
gewebe harmonisch im Einklang steht so glauben wir mit Sicherheit der neuen Er-
Endung für die allgemeine praktische Nutzbarmachung ein außerst günstiges Horoskop
stellen zu dürfen.-
Dagegen ist zu bemerken, dass schon im lahre r866 im 5. Hefte des
l. Jahrganges unserer Zeitschrift, S. 68 E. der berühmte Physiologe Ernst
Brücke dieselbe Entdeckung publicirt hat.
Es ist gewiss ein nicht zu unterschätzendes Verdienst, den Anstoß
zu geben, dass eine Entdeckung für die Industrie verwerthet werde. Das
Verdienst der kaufmännischen Financirung dieser Entdeckung bleibt also
den Münchener Gelehrten.
Ausstellung des Tiroler Gewerbevereins. ln Anwesenheit
des Statthalters, des Bürgermeisters und mehrerer anderer hoher Würden-
träger hat der Tiroler Gewerbeverein am 5. Juni in Innsbruck eine per-
manente Ausstellung kunstindustrieller Objecte eröffnet. Uebereinstim-
menden Berichten zufolge soll das Arrangement ein höchst gelungenes,
die Zahl, Mannigfaltigkeit und Güte der Gegenstände überraschend sein.
Es war ohne Zweifel ein glücklicher Gedanke, für die kunstgewerblichen
Erzeugnisse dieses Kronlandes, auf welche die Innsbrucker Zeichen- und
Modellirschule nicht ohne Einfluss geblieben ist, einen Vereinigungspunkt
zu schaffen, und dadurch lebhafte Wechselbeziehungen zwischen den ein-
zelnen Industrien wachzurufen. Manche alte und originelle Hausindustrie
entlegener Gebirgsdörfer wird dadurch von Neuem geweckt und weiten
Kreisen zugänglich gemacht werden. Die stets wachsende Zahl der Fremden
wird sich, ähnlich wie in der Ausstellung des Münchener Kunstgewerbe-
vereins, leicht und rasch einen Ueberblick über die Production ,Tirols
verschaffen können. Es hat lange gedauert, bis unsere Alpenländer die
Vortheile eines solchen Unternehmens eingesehen; holten wir, dass das-
selbe nun nicht allein nach seiner materiellen, sondern vor Allem nach
seiner geistigen Richtung hin ausgenützt werde. Irn Ganzen haben
sich bis ietzt zz Gewerbetreibende als Aussteller betheiligt. ln erster
Linie stehen Tischlermeister Konzert, A. Colli mit lntarsienarbeiten,
XQSX
Drechsler Hammerl, Gürtler Unterberger, Zinngießer Rainer und
F. Kellensperger mit einem sehr gelungenen schmiedeisernen Grab-
gitter nach Zeichnung des Architekten Director Deininger u. s. f.
Auch die Tagesblätter begrüßen das Zustandekommen der Ausstellung
freudig, doch finden es die vInnsbrucker Nachrichtena auffallend, dass von
den Fachschulen des Landes nur die lnnsbrucker Zeichen- und M0dellir-
schule, die Drechslerei in Arco und die Proveiser Spitzenklöppelei sich
an der Ausstellung betheiligt haben.
Die Korbwaarenzlndnstria Baierns hat sich, nach den Mittheilungen des treff-
lichen Kataloges der Nürnberger Ausstellung, seit 30 Jahren verdreifacht, in Oberfranken
verfnnffacht, in der Pfalz verdreifacht, in Unterfranken verdoppelt. Die Korbllechterei
Oberfrankens ging im vorigen Jahrhundert von Michelau aus und wird in den Aemtern
Lichtenfels und Kronach ganz als Hausindustrie betrieben. Die Fabrikanten
nehmen die Stellung von Unternehmern ein. Der Absatz der oberfrankischen Korbwaaren
erstreckt sich über die ganze Erde und erreichte 1877 den Werth von über vier Mil-
lionen Mark, wovon über die Halfte auf den Ort Lichtenfels kamen. Da über die
ungenügende Weidenzucht geklagt wird und nur eine Fachschule für Korbwaaren existirt
und diese überdies unbedeutend ist, so stellt sich heraus, dass die Pflege der Handarbeit
im Hause und die commercielle Intelligenz der Unternehmer als die wesentlichsten Fac.
toren der Bluthe der baierischen Korbwaarenindustrie anzusehen sind.
Kunatauaatellung in Rom. ln Rom wird vom t. Decbr. d. J. ab die erste der
Kunstausstellungen stattfinden, welche in regelmäßigen Zeiträumen einander folgen sollen.
Dieselbe kann sowohl von auslandischen als von italienischen Künstlern beschicltr werden
und dauert drei Monate. Sie umfasst Werke der Malerei. der Kunstkeramik, Bildhauerei,
Architektur in Zeichnungen und Modellen, Mosaiken, lntarsien, Kunst- und Ornament-
zeichnungen, Werke der mit der Malerei, Bildhauerei und Baukunst verwandten Künste.
Zu elassen werden zu der Ausstellung Originalarbeiten aus dem letzten Jahrzehent, welche
nicyt schon in den früheren nationalen und internationalen Ausstellungen iigurirt haben.
Gonouraansaohreibangem An der k. k. Staatsgewerbeschule in Bi elitz kommen
mit Beginn des Schuljahres 188'483 drei Lehr- und zwei Supplentenstellen zur Besetzung,
und zwar eine Lehrstelle für Physik und theoretische Mechanik Maschinen-
Ingenieure haben bei sonst gleicher Eignung fur diese Lehrstelle den Vorzug; eine Lehr-
stelle für Freihanda und Manufa cturzeichnen; eine Lehrstelle für deutsche
Sprache und commercielle Facher; eine Snpplentenstelle für Rechnen, Geo-
metrie und Algebra. und eine Supplentenstelle für Maschinenbau fächer.
Auf letztere Stelle haben hauptsächlich jene Bewerber Anspruch, welche eine
Maschinenbauschule einer technischen Hochschule absolvirt und die Staatsprufungen be-
standen haben. Der Supplent für diese Facher kann auch zu Assistentendiensten an der
mechanisch-technischen Abtheilung verwendet werden.
Mit jeder der genannten Lehrstellen ist ein Jahresgehalt von 1200 H. b. W., die
Activitätszulege der IX. Rangsclasse per 250 l. und der Anspruch auf fünf Quinquennal-
Zulagen 200 8., und mit jeder Supplentenstelle die Suhstitutionsgebuhr von jährlich
720 B. 6. W. verbunden.
Bewerber um eine dieser Lehrstellen haben ihre mit einem ausführlichen curriculum
vitae, den Studien-, etlentuell Staatsprufungs-Zeugnissen oder dem Nachweise über die
bisherige wissenschaftliche, beziehungsweise praktische Thatigkeit belegten, an das hohe
k. k. Ministerium fm- Cultus und Unterricht adressirten Competenzgesuche bei der Direction
der k. Staatsgewerbeschule in Bielitz Gestern-Schlesien bis zum 20. Juli 1882 ein-
zureichen.
An der k. k. Staatsgewerbeschule in Salzburg kommt mit Beginn des Winter-
semesters i88283 die Stelle eines Supplenten für Freihandzeichnen zu besetzen,
mit einer Substitutiousgebuhr von? jährlich 720 8., auf welche solche Bewerber vorzugs-
weise Anspruch erheben können, die auch im kunstgewerblichen Zeichnen bewandert sind.
Die an das hohe k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht stylisirten, mit einem
Curriculum vitae, sowie den Zeugnissen über Befahigung und Verwendung belegten Gea
suche sind bis längstens 25. Juli 1882 bei der Direction der k. Staatsgewerbeschule
in Salzburg einzureichen.
Preiaßuaaohraibungen Zufolge Beschlusses der General-Versammlung der
Gesellschaft zur Förderung der Bronze- und Eisen-Kunstindustrie in Wien vom 26. Mai 1882
werden folgende Preise zur Bewerbung unter nachstehenden Modalitäten ausgeschrieben
A. Für Zeichnungen zur Ausführung in Bronze. Preis 80 H. a. W.
Für die Cornposition einer Schreibrischgarnitur im Style der deutschen Renais-
sance, aus folgenden Theilen bestehend Schreibzeug mit zwei Gefäßen, Lange des-
selben nicht über z5 Ctm; Tischleuchter für eine Kerze; Feuerzeug rnit prak-
tischer Reibvorrichtung; Handleuchter; Falzmesser; Federtasse.
B. Für ein Modell zur Ausführung in Bronze. Preis zoo G. o. W.
Für eine Figur in beliebiger Stellung, welche eine Schale tragt. Hohe nicht über
3c Ctm. Die architektonische Losung der Basis muss "mit der Figur und Schale im Ein-
klange stehen.
C. Ciselir-Preis. Preis 75 H. 6. W.
Für die Ciseliruag eines antiken, leicht bekleideten Figürchens in der Hohe von
x25 Millimeter ohne Sockel, wovon ein Gypsnbguss im GypsgieBer-Atelier des Oesterr.
Museums für Kunst und Industrie unter Katalog-Nummer x20 für den Preis von 4.0 kr.
zu erhalten ist.
Die Bewerber haben den Bronzeguss auf eigene Kosten herstellen zu lassen und
ist die Bewerbung um diesen Preis mit einer anderen Ciselirarbeit ausgeschlossen.
Gießer-Preis. Preis 40 fl. o. W.
Für den besten, in einem Stücke herzustellenden Rohguss in Bronze einer Gruppe
nAIHOITGHC mit einem Hahnu, 14 Ctm. hoch, wovon ein Gypsabguss im Gypsgieller-Atelier
des Oesterr. Museums für Kunst und Industrie unter Nr, 14 für den Preis von 80 kr.
zu erhalten ist.
Bei der Beurtheilung wird in erster Linie die Reinheit des Gusses, in zweiter
Linie aber auch die grüßere Leichtigkeit desselben in Betracht gezogen.
Jury
Die Jury besteht aus folgenden vier Künstlern und vier Facbmännern unter dern
Vorsitz des Präsidenten der Gesellschaft, nämlich den Herren Bildhauer Johannes Benk,
Architekt Professor Hermann Herdtle, Architekt Nicolaus Hofmann, Bildhauer Prof.
Otto König; den Herren Bronzewaarenfabrikanten A. Hanusch, Eduard Richter,
Karl Waschmann und dem Lehrer der Ciselirschule Stefan Schwartz.
E. Edmund v. Zichy-Schülerpreise.
Vier Preise a5 B. in Silber für Entwürfe von praktischen Gebrauchsgegenstanden,
geeignet zur Ausführung in Bronze.
Diese Preise sind von Sr. Excellenz Graf Edmund Zichy gewidmet, und speciell
für Zöglinge der Kunstgewerbeschule des Oesterr. Museums für Kunst'und Industrie
bestimmt und werden namentlich solchen Entwürfen zugewendet, deren Herstellung
eine einfache Ausführung in geschmackvoller Form ermöglicht. Jeder Bewerber hat auf
jeden der vier Preise Anspruch. Die pramiirten Entwürfe bleiben Eigenthum der betref-
fenden Zöglinge.
Die Preisjury wird aus vier Professoren der Kunstgewerbeschule und aus vier
Mitgliedern der Gesellschaft bestehen.
Allgemeine Bedingungen für die Bewerbung um vorstehende Preise.
l. Die Bewerber müssen ihren Wohnsitz in den irn Reichsrathe vertretenen König-
reichen und Ländern haben.
2. Jedem Bewerber bleibt das Eigenthumsrecht auch irn Falle der erfolgten Zuer-
kennung eines Preises gewahrt.
3. Müssen die Zeichnungen und Modelle zur Ausführung in dem im Preispro-
gramrne bezeichneten Materiale geeignet sein, ohne aber unverhaltnissmäliige Kosten zu
verursachen.
4. Modelle können in Wachs, Gyps oder Holz ausgeführt werden.
S. Sind die Concurrenzarbeiten, mit einem Motto versehen, nebst einem die gleiche
Bezeichnung tragenden, gesiegelten Couvert, welches die Adresse des Verfertigers enthält,
bis längstens I5. October 1882 an die Gesellschaft I., Stubenring, Oesterr. Museum,
einzusenden.
6. Die Preisvertheilung erfolgt nach Beurtheilung durch die Jury in der nachst-
folgenden Generalversarnmlung, in welcher auch sammtliche "eingesendeten Zeichnungen
und Modelle ausgestellt werden.
Äsubawemg du k. Lbuaeigmuaguhzs Rum und" indJm-ie.
Buehdruckenl van cm Demllfn um Wien.